Ex-US-Außenminister gestorben:Henry Kissinger - umjubelt und umstritten
von Bobby Cherian, Washington
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Der ehemalige US-Außenminister gilt als einer der größten Diplomaten des 20. Jahrhunderts. Doch wurden ihm bis zu seinem Tod auch Menschenverachtung und Machtzynismus vorgeworfen.
Weltweit wurde Henry Kissinger gefeiert, auch in Deutschland. Zu seinem 100. Geburtstag richtete seine Heimatstadt Fürth bei Nürnberg ihm ein großes Fest aus. Eine besondere Ehrung für die Diplomatie-Legende. Und auch Fürth durfte sich dabei ein wenig selbst feiern; so ließ Kissinger nicht unerwähnt, dass er sich sein langes Leben lang seinen fränkischen Akzent bewahrt habe.
Heinz Alfred Kissinger wurde am 27. Mai 1923 in Fürth geboren. Nach der Machtergreifung der Nazis gelang der jüdischen Familie Kissinger die Ausreise nach Amerika. Kissinger wurde in den Vereinigten Staaten eingebürgert, aus Heinz wurde Henry.
Kissinger: Schillernde Figur der US-Politik
Im Zweiten Weltkrieg kehrte er nach Deutschland zurück, um als Soldat gegen das nationalsozialistische Verbrechens-Regime zu kämpfen. Der Militärdienst ermöglichte Kissinger später das Studium an der Eliteuniversität Harvard, wo er zunächst seine akademische Karriere startete, um schließlich von Präsident Nixon ins Zentrum der Macht geholt zu werden.
US-Außenminister Henry Kissinger trifft im Februar 1975 die damalige britischen Oppositionsführerin Margaret Thatcher.
Quelle: dpa
1968 wurde Kissinger zunächst Nationaler Sicherheitsberater im Weißen Haus, später dann Außenminister der USA. Kissinger setzte auf persönliche Kontakte und Geheimdiplomatie, galt als Meister zweigleisiger Strategien und heimlicher Manöver.
Nahost: Kissinger prägt Begriff der "Pendel-Diplomatie"
Er setzte sich für eine Entspannung der Beziehungen zur Sowjetunion ein, prägte im Ringen um eine Friedenslösung im Nahost-Konflikt den Begriff der "Pendel-Diplomatie" und trieb die vorsichtige Annäherung zwischen den Vereinigten Staaten und dem kommunistisch regierten China voran. Hier war es Kissinger, der 1972 den historischen Besuch Richard Nixons in der Volksrepublik vorbereitete, welcher wiederum die diplomatische Öffnung vollzog.
Geheimverhandlungen Kissingers führten im Januar 1973 zu einem Waffenstillstandsabkommen im Vietnamkrieg. Den USA ermöglichte dieses, sich aus einem opferreichen und kostspieligen Konflikt zurückziehen zu können. Kissinger und der nordvietnamesische Chefunterhändler Le Duc Tho wurden dafür noch im gleichen Jahr mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet. Tho allerdings lehnte den Preis ab.
Kissinger - der gnadenlose Pragmatiker
"Jahrhundertgestalt", "ein außenpolitisches Genie", "Brückenbauer" - seine Erfolge machten Henry Kissinger zum vielleicht berühmtesten Diplomaten in der US-Geschichte. Doch so groß das internationale Lob für Kissinger ausfiel, so laut und scharf war auch die Kritik an ihm. Trotz des Waffenstillstandsabkommens im Vietnamkriegs im Jahr 1973, ging der Krieg noch zwei Jahre weiter und das vietnamesische Saigon fiel an die Kommunisten.
Kissinger wurde vorgeworfen, frühere US-Verbündete im Stich gelassen zu haben. 1969 hatten die USA den Konflikt auf Kambodscha ausgeweitet, indem sie dort Vietcong-Stellungen bombardierten. Das wiederum führte zu vielen zivilen Opfern und zu einem Bürgerkrieg, was wiederum Nixon und Kissinger angelastet wurde.
In Putsch von Pinochet in Chile verwickelt?
Schwer wiegen auch die Vorwürfe, Kissinger sei 1973 in den blutigen Putsch von General Pinochet gegen Chiles gewählten sozialistischen Präsidenten Salvador Allende verwickelt gewesen. Die USA sahen Allendes sozialistische Ausrichtung als Bedrohung ihrer eigenen Interessen.
Nach seinem Rückzug aus der Politik gründete Henry Kissinger eine Beratungsfirma. Von New York aus analysierte und kommentierte er weiter die Weltpolitik, äußerte sich unter anderem zu Russlands Krieg gegen die Ukraine und sprach sich für eine Aufnahme der Ukraine in die Nato aus. Bis zu seinem Tod blieb Kissinger gefragt als Ratgeber und Kritiker. Doch auch die Kritik an ihm selbst verstummte bis zuletzt nicht.