Neuer Hamas-Chef al Sinwar - das ist von ihm zu erwarten

    Alleinherrscher al-Sinwar:Neuer Hamas-Chef: Was von ihm zu erwarten ist

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    Jihia al-Sinwar gilt als Urheber des Hamas-Massakers vom 7. Oktober. Kompromisse mit Israel lehnt er strikt ab. Nun ist er Alleinherrscher über die Hamas - was bedeutet das?

    Jihia al-Sinwar
    Jihia al-Sinwar ist nun der Anführer der ganzen Terrororganisation Hamas.
    Quelle: Imago

    Die islamistische Terrororganisation Hamas hat den bisherigen Gaza-Chef Jihia al-Sinwar überraschend zum Anführer der gesamten palästinensischen Gruppierung ernannt. Bislang war die Führung der Hamas auf einen Chef für den Gazastreifen und einen außerhalb des Küstengebiets aufgeteilt. Nach der Tötung von Hamas-Auslandschef Ismail Hanija übernimmt Sinwar auch dessen Rolle.
    Mit Sinwars Wahl verlegt sich der Schwerpunkt der Macht innerhalb der Hamas eindeutig in den Gazastreifen. Anders als sein Vorgänger Hanija, der als Vorsitzender des Politbüros ein Luxusleben in Katar führte, hält sich Sinwar seit dem von ihm befehligten Massaker der Hamas im israelischen Grenzgebiet am 7. Oktober vergangenen Jahres versteckt. Er wird irgendwo im weit verzweigten Tunnelnetzwerk unter dem blockierten Küstenstreifen vermutet.
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    Hamas-Chef Sinwar ein einsamer Wolf

    Sinwar agiert als einsamer Wolf, umso mehr, seit Israel praktisch die gesamte Führungsriege der Hamas um ihn herum gezielt getötet hat. Er steht ganz oben auf der Abschussliste Israels: Direkt nach dem Hamas-Massaker hatte Israel ihn bereits als "lebenden Toten" (dead man walking) bezeichnet.
    Seine Wahl zum übergreifenden Hamas-Chef verwandele die Hamas in eine "Ein-Mann-Bewegung mit einer einzigen Vision", schrieb der israelische Politikexperte Avi Issacharoff in der Zeitung "Jediot Achronot".
    Angst vor Flächenbrand in Nahost
    Eine schwere Provokation Israels – so ordnet das iranische Regime die Tötung von Hamas-Führer Hanija in Teheran ein. Damit wächst die Sorge vor einer weiteren Eskalation.01.08.2024 | 3:03 min

    Sinwar als "Schlächter von Chan Junis" bekannt

    Der wegen seiner Morde an angeblichen palästinensischen Kollaborateuren mit Israel als "Schlächter von Chan Junis" bekannte Sinwar gilt als ideologischer Fanatiker, aber gewiefter Stratege. Wohl mehr als jeder andere Hamas-Führer steht er Israels Erzfeind Iran nahe. Während Hanija noch als Realpolitiker mit gewissen pragmatischen Erwägungen galt, geht der 1962 geborene Sinwar kompromisslos vor.
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    Wie die New York Times berichtet, soll es im Iran Festnahmen ranghoher Mitglieder des Sicherheitsapparats gegeben haben. Zuvor wurde der Hamas-Führer Hanija getötet.03.08.2024 | 0:25 min
    "Jetzt gibt es niemanden mehr, der es wagen würde, dem allmächtigen Anführer zu widersprechen, der sich als Retter und möglicherweise palästinensischer Messias sieht", schrieb Issacharoff.

    In vieler Hinsicht geht die Hamas mit der Entscheidung, einen solchen Extremisten zu ernennen, in eine noch radikalere Richtung als bisher.

    Avi Issacharof, Politikexperte

    Sinwar habe "die Hamas in den bisher brutalsten und schmerzhaftesten Gaza-Krieg geführt und es war ihm absolut bewusst, dass er Tausende von Palästinensern auf dem Altar seiner Vision opfern würde."
    Die Ernennung Sinwars dürfte auch Bemühungen um eine Einigung der rivalisierenden Palästinenserorganisationen Hamas und Fatah erschweren, deren Ziel es ist, mit einer gemeinsamen Einheitsregierung nach dem Krieg auch im Gazastreifen zu herrschen. Dies wiederum spielt der rechtsreligiösen Regierung in Israel in die Hände, die solche Versuche ohnehin mit aller Macht zu torpedieren sucht, weil sie einen unabhängigen Palästinenserstaat strikt ablehnt. 
     Pakistan, Karatschi: Anhänger der politischen Partei Jamiat Ulema-e-Islam skandieren während einer Demonstration Slogans, um die Tötung des politischen Auslandschef der Hamas, Ismail Hanija, zu verurteilen, der bei einem Attentat in Teheran getötet wurde.
    Unter höchsten Sicherheitsvorkehrungen wurde der in Teheran getötete Hamas-Chef Hanija in Katar beigesetzt. Der Iran schwört Rache. 02.08.2024 | 1:40 min

    Sinwar hart bei Verhandlungen mit Israel

    Wie sich die Bündelung der ganzen Macht in Sinwars Händen auf die Bemühungen um eine Waffenruhe im Gaza-Krieg auswirken wird, ist noch ungewiss. Auch vor der Tötung Hanijas galt Sinwar als "letzte Instanz" mit Blick auf die Positionen der Hamas bei den indirekten Verhandlungen mit Israel, an denen Katar, Ägypten und die USA beteiligt sind.
    Seit Beginn der Verhandlungen über einen Austausch von mehr als hundert Geiseln in der Gewalt der Hamas im Gegenzug für palästinensische Häftlinge zeigte Sinwar sich unerbittlich und rückte kaum von seinen Standpunkten ab.

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