15 Jahre nach schwerem Erdbeben :Haiti - noch immer arm und instabil
von Steffanie Riess
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In Haiti markiert der 12. Januar 2010 einen Wendepunkt. Bei einem Erdbeben sterben mehr als 200.000 Menschen, Millionen werden obdachlos. Mit den Folgen kämpft das Land bis heute.
Die Menschen in Haiti leben mit der Last der körperlichen und psychischen Traumata, die durch die schlimmste Katastrophe in der Geschichte des Landes verursacht wurden.
Quelle: epa
"Build Back Better" - Haiti besser wieder aufbauen als zuvor. Diesen Anspruch hat die internationale Gemeinschaft an sich selbst gestellt, als im Januar 2010 Hilfsgelder und -organisationen aus der ganzen Welt nach Haiti strömten, um dort die große humanitäre Not zu mindern.
Bei einem Beben der Stärke 7 kamen damals am 12. Januar mehr als 200.000 Menschen ums Leben. Mehr als 1,5 Millionen Haitianer wurden obdachlos. Die weltweite Spendenbereitschaft war hoch - Milliarden US-Dollar aus Privatspenden sowie aus Hilfszusagen von Geberländern wurden für die Opfer bereitgestellt.
Das Erbeben auf der Karibik-Insel Haiti 2010 gilt als eines der schlimmsten Beben des 21. Jahrhunderts. Sehen Sie hier die Original ZDF-Berichterstattung vom 13.01.2010.12.01.2020 | 1:47 min
Haiti: Große weltweite Solidarität
Die sofortige humanitäre Hilfe versorgte Zehntausende Menschen mit dringend notwendigen Nahrungsmitteln, Notunterkünften und medizinischer Behandlung. Doch über die akute Nothilfe hinaus war der Erfolg des internationalen Einsatzes begrenzt. Die Gründe hierfür sind komplex.
Innerhalb von Haiti behinderten schwache politische und bürokratische Strukturen eine effektive und nachhaltige Gestaltung der Wiederaufbaumaßnahmen. Seitens der internationalen Gemeinschaft entpuppte sich, trotz hochrangiger Bemühungen und dem Einsatz einer Kommission unter Leitung des ehemaligen US-Präsidenten Bill Clinton, die Entwicklung und Umsetzung einer gemeinsamen und umfassenden Vision für das Land als nur ansatzweise realisierbar.
Trotz der guten Vorsätze konnten nicht die Bedingungen geschaffen werden, die Haiti langfristige politische und ökonomische Stabilität ermöglicht hätten.
Quelle: ZDF
Haiti ist das ärmste Land auf dem amerikanischen Kontinent. Seit Jahren leidet es unter Korruption, Gewalt und Naturkatastrophen. Seit dem verheerenden Erdbeben 2010 mit mehr als 220.000 Toten hängt Haiti am Tropf der Entwicklungshilfe. Ein weiteres schweres Erdbeben im Jahr 2021 forderte über 2.000 Todesopfer. Ein Choleraausbruch hat seit Oktober 2022 laut der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch zu Zehntausenden von Verdachtsfällen und Hunderten von Todesfällen geführt. Quelle: dpa
Verheerende Langzeitfolgen des Erdbebens von 2010
Gaby Breton, Direktorin für humanitäre Hilfe von "Save the Children" in Haiti, sieht hier ein mögliches Versäumnis.
Stattdessen schlitterte Haiti von einer politischen Krise in die nächste. Und spätestens seit dem Mord an Premierminister Jovenel Moise im Juli 2021 haben kriminelle Gangs die Kontrolle übernommen - sie terrorisieren weite Teile des Landes und kontrollieren 85 Prozent der Hauptstadt Port-au-Prince. Ihre Gewalttätigkeit gefährdet die Bevölkerung und macht Handel praktisch unmöglich.
Erpressung, Entführung, Mord: im Karibikstaat Haiti terrorisieren 70 Banden die Bevölkerung und stürzen das von Armut geplagte Land ins Chaos. Die Polizei ist machtlos.
21.12.2021 | 42:49 min
Die verbleibenden Hilfsorganisationen, darunter "Save the Children", "Ärzte ohne Grenzen" und das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen arbeiten inmitten von immer weiter eskalierender Gewalt unter erschwerten Bedingungen und müssen sich auf die notwendigsten Hilfsleistungen konzentrieren.
Die Hilfsorganisation "Ärzte ohne Grenzen" musste zeitweise ihre Tätigkeiten in Haiti ganz einstellen - Mitarbeiter und Patienten waren gezielt angegriffen worden, die Gefahr wurde zu hoch. Die Bandengewalt legt auch das öffentliche Gesundheitssystem praktisch lahm.
Die Hilfsorganisation "Ärzte ohne Grenzen" stellt in Port-au-Prince die Arbeit vorübergehend ein - erstmals wegen Drohungen durch die Polizei und die Gewalt in Haiti.
Interview
Hilfsorganisation in Haiti: Nicht aufgeben
Trotz oder gerade wegen der fast ausweglos scheinenden Lage plädiert Gaby Breton dafür, die Hoffnung für Haiti nicht aufzugeben. "Die Situation ist sehr komplex, und bis die Menschen in Haiti in der Lage sind sich selbst zu helfen, brauchen sie weiterhin die Solidarität und Unterstützung der internationalen Gesellschaft."
Seit Ende Februar 2024 eskaliert die Gewalt in dem Karibikstaat Haiti. Auf den Straßen werden Machtkämpfe ausgetragen - zu Lasten der Bevölkerung. 29.11.2024 | 10:12 min