Moderne Sklaverei in England: Zwangsarbeit blieb unerkannt

    Moderne Sklaverei in England:Zwangsarbeit bei Supermärkten und McDonald’s

    Die Autorin Johanna Sethe.
    von Johanna Sethe
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    16 Menschen wurden in England Opfer von moderner Sklaverei. Eine BBC-Recherche hat Details darüber aufgedeckt, dass Warnzeichen von Arbeitgebern über Jahre ignoriert worden waren.

    Eine Auszubildende zur Köchin im dritten Lehrjahr arbeitet in einem Hotel in der Küche eines Restaurants.
    Die Küche eines Restaurants ist nicht immer einsehbar. Daher ist oft nicht auf den ersten Blick ersichtlich, ob die Angestellten nicht ausgebeutet werden.
    Quelle: dpa

    Einen sicheren Job und ein besseres Leben in England - das hatte eine Menschenhändlerbande um zwei tschechische Geschwister 16 Menschen versprochen. Die tschechischen Opfer hatten alle mit Problemen wie Drogenabhängigkeit oder Obdachlosigkeit zu kämpfen.
    Statt eines Auswegs aus diesen schwierigen Lebensumständen folgten in England Jahre der Zwangsarbeit in einem McDonald’s Restaurant in Cambridgeshire und einer Brotfabrik im Norden Londons, die einige der größten Supermärkte beliefert.
    Untergebracht in beengten, teils unbeheizten Unterkünften, konfiszierten die Täter die Pässe der Betroffenen, isolierten sie von Telefon und Internet und behielten einen Großteil ihre Löhne ein, um sich selbst einen luxuriösen Lebensstil zu finanzieren. Wie konnte das passieren?
    Männliche Arbeitskraft aus Serbien in heruntergekommener Unterkunft bei schummrigem Licht vor Etagenbett und alter Schrankwand
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    BBC-Recherche enthüllt neue Details

    Der Fall war bereits 2019 aufgedeckt worden, drei Täter der Bande wurden in der vergangenen Woche vor dem Southwark Crown Gericht wegen Menschenhandels und moderner Sklaverei zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt. Nach Einsicht in Gerichtsdokumente und Gesprächen mit drei der Opfer hat der britische Nachrichtensender BBC zuvor unbekannte Details veröffentlicht. Das Ergebnis: Immer wieder hatte es Anzeichen für Ausbeutung gegeben, auf die die Arbeitgeber hätten aufmerksam werden können.
    So wurden die Löhne von vier Opfern im Wert von mindestens 215.000 Pfund etwa auf ein gleiches Konto eingezahlt, bei allen Opfern liefen die angegebenen Konten zudem auf andere Namen als ihre eigenen. Mehrere Mitarbeiter waren außerdem auf dieselbe Adresse gemeldet.
    Sie sprachen allesamt wenig bis gar kein Englisch, sodass Bewerbungsunterlagen und Vorstellungsgespräche von einem Bandenmitglied ausgefüllt und begleitet wurden. Und: Immer wieder arbeiteten die Opfer bis zu 100 Stunden die Woche, ein Mitarbeiter absolvierte eine 30-Stunden Arbeitsschicht.

    Moderne Sklaverei, zum Beispiel Zwangsarbeit

    Auch hinsichtlich der Rekrutierungsmechanismen der Täter sei der Fall ein relativ typisches Beispiel für moderne Sklaverei, erklärt Jakub Sobik vom Modern Slavery and Human Rights Policy and Evidence Centre der Universität Oxford: "Erstens sind Menschen, die von schwierigen Lebensumständen wie Armut und Sucht betroffen sind, besonders vulnerabel für Ausbeutung. Zweitens waren die Täter in der tschechischen Heimatstadt der Opfer so gut vernetzt, dass diese das Gefühl hatten, ihren Unterdrückern auch da ausgeliefert zu sein und deshalb nirgendwo entfliehen zu können."
    Die Zahl der identifizierten Opfer von moderner Sklaverei war in Großbritannien laut Daten des britischen Innenministeriums in den vergangenen Jahren gestiegen. Mit 17.004 gemeldeten Hinweisen im Jahr 2023 lag die Anzahl potenzieller Betroffener zuletzt auf ihrem bisherigen Höchststand. Zum Vergleich: Zu Beginn der Erhebungen im Jahr 2009 waren es 552 Meldungen gewesen.

    Viele denken bei moderner Sklaverei an Ketten und alte Sklavenbilder. Ich glaube, wichtig zu verstehen ist, dass es im Kern um Ausbeutung in verschiedenen Formen und Bereichen geht.

    Jakub Sobik, Universität Oxford

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    Ein britischer Teenager, der zu Drogendelikten gezwungen wird, eine Frau, die in Prostitution gedrängt wird, ein Migrant, der sich bei einem Schlepper verschuldet und dann im Zielland zu Arbeit gezwungen wird. All das können Beispiele für moderne Sklaverei sein.

    Harte Migrationspolitik erschwert den Ausstieg

    Insgesamt sind die in Großbritannien offiziell erfassten Opfer in der Mehrheit britisch. Im Bereich der Zwangsarbeit sind aber vor allem Migranten betroffen. Der restriktive Kurs der britischen Migrationspolitik hat deshalb reale Konsequenzen für viele Opfer.
    "Wir beobachten definitiv einen Zusammenhang zwischen migrationsfeindlichen Politiken einerseits und der Anfälligkeit für Ausbeutung und den Ausstiegsschwierigkeiten für Migranten aus dieser Ausbeutung andererseits", erzählt James Fookes, UK & EU-Advocacy Manager der NGO International Anti-Slavery.
    Auf dem Bild ist ein Boot mit geflüchteten Personen auf dem Mittelmeer zu sehen.
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    Wenn man zum Beispiel konstant Angst vor Abschiebungen habe, wende man sich in Notsituationen eher nicht für Hilfe an staatliche Behörden. Und wer die Sprache nicht spreche, wisse oft nicht um seine Rechte. Jakub Sobik meint:

    Moderne Sklaverei ist auch ein Problem des Sozialstaats.

    Jakub Sobik, Universität Oxford

    Und weiter: "Wenn man sie bekämpfen will, muss man dafür sorgen, dass Menschen abgesichert sind gegen Risikofaktoren wie Armut und fehlende Chancen auf sichere Arbeitsplätze."

    Eine Person hält ein Smartphone in der Hand. Darauf ist der WhatsApp-Channel der ZDFheute zu sehen.
    Quelle: ZDF

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