Höhere Verteidigungsausgaben:Großbritannien: Labour kürzt im Sozialbereich
von Marlene Jacobsen und Wolf-Christian Ulrich, London
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Ausgerechnet die Labour-Regierung spart jetzt bei Sozialleistungen, um mehr für Verteidigung ausgeben zu können. Ein Konflikt, vor dem nun viele europäische Staaten stehen.
Stagnierende Wirtschaft, steigende Verteidigungsausgaben: Trotzdem will die britische Regierung Milliarden im Sozialbereich einsparen. Besonders betroffen: Menschen mit Behinderung26.03.2025 | 2:14 min
Die Welt verändert sich. Und es geht darum, Großbritanniens Zukunft zu sichern. Das ist die Botschaft der Labour-Regierung von Keir Starmer beim Update der Schatzkanzlerin über den Zustand der britischen Finanzen. Angesichts der Bedrohung durch Putins Russland werde das Vereinigte Königreich seine Verteidigungsausgaben auf 2,5 Prozent des Bruttoinlandprodukts steigern. Da die Regierung dafür weder höhere Schulden machen noch höhere Steuern eintreiben will, muss sie sparen. Und sie tut das im Sozialbereich.
Kürzungen bei Unterstützung für Menschen mit Behinderung
Von den Kürzungen betroffen sind vor allem Menschen mit Behinderungen. So sollen die Voraussetzungen für persönliche Zulagen (Personal Independence Payment "PIP") strenger werden. Davon zahlen Betroffene zum Beispiel ihren Rollstuhl oder private Therapieangebote. Außerdem sollen Zusatzzahlungen für Menschen, die aufgrund ihrer gesundheitlichen Einschränkungen kaum oder gar nicht arbeiten können, deutlich gekürzt werden. Für 18- bis 22-jährige sollen diese Zusatzleistungen ganz wegfallen.
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Die Regierung will mit dieser Maßnahme mehr junge Menschen in Arbeit bringen. Hintergrund: In Großbritannien sind fast eine Million 16- bis 24-Jährige ohne Job, Ausbildung oder Studium, viele davon aus gesundheitlichen Gründen, etwa psychischen Erkrankungen oder eben wegen körperlichen Behinderungen.
Protest gegen Kürzungspläne im ganzen Land
Am Wochenende protestierten Menschen mit Behinderungen in 16 Städten gegen diese Kürzungen.
Etwa der 24-jährige Leo, der im Rollstuhl sitzt. Er sei heilfroh, nach langer Suche einen Arbeitsplatz gefunden zu haben, sagt er dem ZDF. Wie Leo wehren sich viele dagegen, von der Regierung pauschal als arbeitsscheu abgestempelt zu werden. Im Gegenteil: Er habe einst seinen Job verloren, weil er im Rollstuhl sitzt, so Leo. "Ich hatte mich verzweifelt überall beworben, aber die Antwort war immer, dass der Arbeitsplatz nicht barrierefrei ist."
Der 27-Jährige Sam, der wegen einer zerebralen Lähmung im Rollstuhl sitzt, berichtet, das sein Leben ohne die PIP-Zahlungen nicht möglich sei, obwohl er Vollzeit arbeitet. "Wenn mein Rollstuhl jetzt kaputt gehen sollte, würde mich ein neuer 9.500 Euro kosten. Woher sollte ich dieses Geld auftreiben? Ich könnte dann nicht mehr zur Arbeit gehen, keine Freunde mehr treffen."
Die Sparmaßnahmen würden es Menschen mit Behinderungen schwerer machen, zu arbeiten - und damit das Gegenteil von dem bewirken, was die Regierung erreichen will. "Es gibt ökonomisch keinen Sinn. Es zeigt weder Empathie noch Menschlichkeit," sagt die Aktivistin Samantha Baines.
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Es sind diese Kürzungen, die derzeit viele Labour-Abgeordnete und die Betroffenen auf die Palme bringt. Das Ministerium für Arbeit und Pensionen erklärte, dass überdies 3,2 Millionen Familien bis 2030 durch das Sparpaket Einbußen erleiden werden, durchschnittlich rund 2.000 Euro pro Jahr. Sam sagt:
Ich bin Labour-Mitglied, habe für Labour Wahlkampf gemacht und immer Labour gewählt. Es bricht mir das Herz, ich fühle mich wie verraten.
„
Sam, 27
Auch schwaches Wirtschaftswachstum Grund für Sparmaßnahmen
Grund für die Sparmaßnahmen ist auch das schwache Wirtschaftswachstum. Das Amt für Haushaltsverantwortung, ein regierungsunabhängiger Wirtschaftsrat, hat die Wachstums-Aussichten auf ein Prozent halbiert. Keine gute Nachricht für die Labour-Regierung, die ihre finanziellen Pläne allein von einem Wachstumsschub abhängig macht.
Außerdem steigen die Zinsen für zehnjährige britische Staatsanleihen, was neue Schulden teuer macht. "Ein Effekt von Trump", so Michael Jacobs von der Universität Sheffield, "dadurch fehlt der Schatzkanzlerin finanzieller Handlungs-Spielraum."
Steigende Ausgaben fürs Militär bedeuten deshalb auch Kürzungen im Sozialbereich. Vor dieser Entscheidung der britischen Regierung könnten noch viele andere Staaten in Europa stehen.
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