Waffenlieferungen an Ukraine:Experte: Kiew braucht Klarheit bei Munition
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Wie wichtig ist die Lieferung von F16-Kampfjets für die Ukraine? Geht dem Westen die Munition aus? Militärexperte Gustav Gressel analysiert die Lage im russischen Angriffskrieg.
Die Planungsunsicherheit sei "das schwierigste auf ukrainischer Seite". Unklar sei, wann weitere Lieferungen aus dem Westen kommen, sagt Militärexperte Gustav Gressel. 04.01.2024 | 19:38 min
Im Interview mit ZDFheute live erklärt Militärexperte Gustav Gressel, welche Waffensysteme für das angegriffene Land wichtig sind, warum der Westen längerfristiger denken muss und warum er die ablehnende Haltung von Bundeskanzler Olaf Scholz bezüglich der Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern nicht versteht.
Sehen Sie das Interview oben im Video oder lesen Sie es hier in Auszügen.
Das sagt Militärexperte Gustav Gressel ...
... zur Bedeutung von F16-Kampfflugzeugen für die Ukraine
Die westlichen Lieferungen von F16-Kampfflugzeugen an die Ukraine sind Gressel zufolge "enorm wichtig". Die von der Ukraine bisher genutzten Kampfflugzeuge sowjetischer Bauart seien schon sehr abgenutzt. "Das sind schon alles ältere Flugzeuge und diese älteren Flugzeuge wurden jetzt in den letzten zwei Jahren wirklich sehr intensiv geflogen."
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Wichtig seien die F16-Jets auch, weil die Munition für die sowjetischen Flugzeuge fehle. Vor allem die Luft-Lenkwaffen für die Flugzeuge würden "fast alle in Russland hergestellt". Das Problem sei schon einmal bei russischen Kampfpanzern aufgekommen, die erbeutet wurden. Auf dem Weltmarkt habe man kaum Munition dafür gefunden.
Gleichzeitig betont Gressel, dass die F16, die der Ukraine zugesagt wurden, auch ältere Modelle seien. Diese seien zwar "graduell besser" als das, was die Ukraine derzeit verwende. Aber sie könnten dennoch "nicht unbedingt die letzte Generation an Waffen verschießen".
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Mit den F16-Flugzeugen könne die Ukraine bald rechnen, das Pilotentraining sei ebenfalls schon relativ weit fortgeschritten. Letztendlich sei aber die Mischung, der "Verbund" der Waffen, entscheidend. Denn:
... zu Munitionsmangel auf ukrainischer Seite
Das Schwierigste für die Ukraine sei im Moment die Planungsunsicherheit, betont Militärexperte Gressel.
Das führe zu Problemen, weil die Ukraine nicht wisse, wie lange sie mit dem gegenwärtigen Bestand an Munition auskommen müsse. Das russische Kalkül hinter den derzeit verstärkten Angriffen sei ebenfalls klar:
Im Westen dagegen seien die Diskussionen um Waffenlieferungen kontrovers. "Und wenn hier zu wenig ankommt, dann kann dieser Druck natürlich die Ukraine über lange Zeit erdrücken."
Der Westen, unterstreicht Gressel, habe bei der Waffenproduktion nicht langfristig genug gedacht. Lange sei man in den USA und in Europa davon ausgegangen, "dass dieser Krieg eigentlich bald vorübergehen wird". Man habe also Lagerbestände ausgegeben, aber die Produktion von Waffensystemen nicht gleichzeitig angekurbelt.
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Man fange jetzt erst an, in der Rüstungsindustrie größere Bestellungen aufzugeben - "für Kampffahrzeuge, für Schützenpanzer, für Kampfpanzer, für Artilleriesysteme".
Aber viele Politiker seien davon ausgegangen, dass solche "langfristigen Maßnahmen sich nicht lohnen werden". Das sei nun bitter, da die Altlager-Bestände "im Grunde aufgebraucht" seien. "Und wir haben eigentlich keinen Plan und keine Idee, was dem nachfolgt." 2024, prophezeit der Militärexperte, werde ein schwieriges Jahr, "sowohl für die Ukraine als auch für uns".
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... zur ablehnenden Haltung des Kanzlers gegenüber Taurus-Lieferungen
Für Gustav Gressel ist es unverständlich, warum Deutschland keine Taurus-Marschflugkörper an die Ukraine liefert. Zum Beispiel, dass man die Geodaten nicht herausrücken könne, sei "ein komisches Argument". Deutschland und andere Nato-Staaten hätten ja bereits ein Protokoll, der Ukraine klassifizierte Daten zu übergeben. Und über die Geodaten könne man auch "sicherstellen, dass sie im Grunde nur in den besetzten Gebieten verwendet werden".
Gleichzeitig versteht Gressel andere Gründe, die Militärexperten anführen. Zum Beispiel:
Daher gebe es viele, die wegen der Stückzahlen, die an die Ukraine geliefert würden, Bedenken haben. Der zweite Grund, den der Militärexperte nachvollziehen kann, hat mit dem Waffensystem selbst zu tun.
Beim Einsatz durch die Ukraine könnte die russische Seite sehen, "wie das Ding funktioniert", wie sehr es vom Radar gesehen oder nicht gesehen wird, "welche Gegenmaßnahmen in diesen Flugkörper verbaut sind" und so weiter. "Und daraus könnten die Russen dann natürlich Lehren ziehen", sagt Gressel. Dies seien valide Argumente, die aber politisch nicht zur Diskussion gebracht würden.
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Seit Februar 2022 führt Russland einen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Kiew hat eine Gegenoffensive gestartet, die Kämpfe dauern an. News und Hintergründe im Ticker.