Militärexperte zu Verhandlungen:"Putin würde Waffenstillstand brechen"
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Trump und Putin wollen sich treffen, um über einen Ukraine-Deal zu sprechen. Was Putin verhandeln will, erklärt Militärexperte Gustav Gressel bei ZDFheute live.
Militärexperte Gressel glaubt nicht, dass ein Sieg Russlands in der Ukraine zu einem Marsch nach Berlin führen würde. Trotzdem könne Putin weitere Ziele in Europa anvisieren. 14.02.2025 | 19:00 min
Mit dem Ende der Münchner Sicherheitskonferenz nehmen Verhandlungen über ein mögliches Ende im Krieg gegen die Ukraine Fahrt auf: Kommende Woche wollen unter anderem US-Außenminister Marco Rubio und ranghohe Vertreter Russlands Berichten zufolge darüber sprechen - ohne europäische Gesprächspartner. Einige von ihnen werden sich hingegen am Montag in Paris treffen, um selbst über die Zukunft der Ukraine zu diskutieren. Das bestätigte Frankreichs Präsident Emmanuel Macron.
In München erinnerte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj an die Bedrohung durch Russland für Europa und betonte, es dürfe keine Entscheidungen über die Ukraine ohne die Ukraine und ohne Europa geben.
Welche Chancen hat die Ukraine unter der neuen US-Außenpolitik? Ist Russlands Taktik aufgegangen? Bei ZDFheute live analysiert Militärexperte Gustav Gressel die Verhandlungspositionen im Ukraine-Krieg.
Trumps Alleingang im Ukrainekrieg irritiert Kiew und Europa. Wie können Selenskyj und Europa reagieren, um nicht als Verlierer dazustehen? Die Analyse bei ZDFheute live.14.02.2025 | 38:33 min
Sehen Sie das komplette Interview mit dem Militärexperten oben oder lesen Sie es hier in Auszügen.
Das sagt Gustav Gressel zur Frage...
Welches Signal sendet die neue US-Strategie an Putin für mögliche Friedensverhandlungen?
Die USA glauben nicht, dass eine Nato-Mitgliedschaft der Ukraine ein "realistisches Ergebnis einer Verhandlungslösung ist" - das sagte der neue US-Außenminister Pete Hegseth am Mittwoch bei einem Treffen der Ukraine-Kontaktgruppe in Brüssel. Und, dass Europa nun selbst für die Sicherheit der Ukraine sorgen müsse. Diese Aussagen senden klare Signale an Russland, so die Einschätzungen von Militärexperte Gustav Gressel von der Militärakademie in Wiener Neustadt.
Damit wissen natürlich die Russen auch sofort die Verhandlungslinie: Dass hier Trump eigentlich nicht gewillt ist, wirklich in den Ring zu steigen, sondern nur diesen Konflikt irgendwie pro forma schnell hinter sich zu bringen.
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Gustav Gressel, Militärexperte
Putin könne die Verhandlungen damit zu Scheinverhandlungen machen und sich einen Waffenstillstand "zurechtbiegen". Der wiederum wäre die beste Voraussetzung für einen Fortsetzungskrieg und das wäre ein Desaster für Europa, so der Experte.
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Was passiert, wenn sich Europa tatsächlich allein um den Frieden in der Ukraine kümmern muss?
Nach einer Phase der Wiederaufrüstung der russischen Armee würde Putin laut den Einschätzungen des Experten den Waffenstillstand erneut brechen. Dass ein Waffenstillstand mit Russland nicht lange halte, hätte man bereits bei früheren Abkommen gesehen. Hinzu komme die sinkende amerikanische Unterstützung.
Europäische Truppen alleine, ohne die amerikanische Garantie dahinter, da ist natürlich die Verleitung auf russischer Seite groß, durch nukleare Erpressung und Drohung hier die Europäer zum Einlenken zu knicken.
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Gustav Gressel, Militärexperte
Durch die neue US-Strategie habe Trump Putin ein "asymmetrisches Spielfeld mit eigenem Vorteil eröffnet", so der Experte. Wolle man den US-Präsidenten doch noch auf die eigene Seite bekommen, so bräuchte Europa Macht und Druckmittel. Diese besitze Europa jedoch nicht in ausreichendem Maße - das würde sich jetzt rächen.
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Was wäre, wenn die Ukraine an Russland gehen würde - wäre damit Frieden?
Militärexperte Gustav Gressel sieht das als Illusion, denn Putin verfolge ein größeres Ziel:
Endzweck ist die militärisch dominierende Macht in Europa zu werden und dafür ist sozusagen die Unterwerfung der Ukraine eine Vorbedingung.
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Gustav Gressel, Militärexperte
Wenn Putin somit sein Ziel realisieren könnte, die Ukraine einzunehmen, "würde sich sein Appetit auf Europa wenden". Ein früher Krieg gegen Europa würde ihm gelegen kommen, da die Europäer nach einer Einnahme der Ukraine vermutlich anfangen würden aufzurüsten.
Dann wäre es aus Putins Sicht natürlich naheliegend zu probieren, dieses Europa jetzt zu testen, mit einem extrem schwachen und schwer berechenbaren amerikanischen Präsidenten, der sich um Europa nichts schert.
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Gustav Gressel, Militärexperte
Dieses Szenario sei "brandgefährlich". Die Prognosen, wie sie durch Nachrichtendienste gestellt würden, dass Russland in drei oder fünf Jahren angreifen könnte, könnten dann sehr schnell nach unten korrigiert werden, schätzt Gressel.
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Was will Putin verhandeln?
Kurz vor Beginn der Münchner Sicherheitskonferenz telefonierten der russischen Präsident Putin und US-Präsident Trump. Dabei wurde laut Trump der Beginn von Verhandlungen über die Zukunft der Ukraine vereinbart. Dies weckte bei den europäischen Verbündeten Befürchtungen, von Verhandlungen ausgeschlossen zu werden. Kommende Woche nun wollen unter anderem US-Außenminister Marco Rubio und ranghohe russische Vertreter in Saudi-Arabien Berichten zufolge über ein Ende des russischen Angriffskriegs sprechen. Laut Medienberichten werden keine europäischen Vertreter an dem Gespräch teilnehmen - auch keine ukrainischen.
Im Zuge von Gesprächen könnte zum einen ein Waffenstillstand verhandelt werden. Gleichzeitig würde von russischer Seite aber vor allem das Ziel verfolgt werden, die europäische Sicherheitsordnung neu zu verhandeln, schätzt Militärexperte Gressel. Er fasst Russlands Forderungen wie folgt zusammen:
Sie [die Russen - Anm. d. Red.] wollen eine exklusive Einflusssphäre, sie wollen Zonen, in denen sich die verbündeten Streitkräfte nicht bewegen dürfen,
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Gustav Gressel, Militärexperte
Und weiter: "Sie wollen einen Rückzug der amerikanischen Atomwaffen aus Europa, sie wollen eine Aufweichung der Nato durch russische Veto-Stimmen in allen Beschlüssen, die die Nato oder die Europäische Union im Bereich Sicherheit trifft, und […] dass die Europäische Union keine Beziehungen zu Staaten in Osteuropa hat, dass auch die Europäische Union etwa Initiativen wie die militärische Mobilität einstellt."
Das Interview mit Gustav Gressel führte ZDF-Moderator Carsten Rüger. Zusammengefasst hat es ZDFheute-Redakteurin Caroline Kleine-Besten.
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Seit Februar 2022 führt Russland einen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Kiew hat eine Gegenoffensive gestartet, die Kämpfe dauern an. News und Hintergründe im Ticker.