Ukraine-Krieg: So brutal ist die russische Armee

    Analyse

    Menschenrechtsverletzungen:So brutal ist die russische Armee

    von Christian Mölling, András Rácz
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    Mit großer Brutalität geht die russische Armee in der Ukraine vor. Die Hinrichtung von fast 100 Kriegsgefangenen ist dokumentiert, auch in eigenen Reihen ist Gewalt verbreitet.

    Russische Soldaten beim Kampftraining
    Die Brutalität der russischen Armee richtet sich nicht nur gegen Ukrainer, sondern hat auch in eigenen Reihen Tradition.
    Quelle: ap

    In letzter Zeit sind Videos aufgetaucht, in denen russische Soldaten ukrainische Kriegsgefangene hinrichten. Der jüngste Vorfall dieser Art ereignete sich in Richtung Pokrowsk, aber auch in anderen Regionen der Front gab es ähnliche Fälle. Die Ukraine behauptet, sie wisse von fast hundert Kriegsgefangenen, die von russischen Soldaten kurz nach ihrer Gefangennahme hingerichtet wurden.
    Einer von ihnen, Oleksandr Mazijewskyj, wurde später zum Nationalhelden. Ende 2022 luden die Russen, die ihn während der Schlacht von Bachmut hingerichtet hatten, das unzensierte Video ins Internet hoch. Es zeigte seine letzten Worte "Slava Ukraini", "Ruhm der Ukraine", gesagt mit einem schiefen Lächeln und einem Nicken. Ein Jahr nach seinem Tod wurde eine Statue für ihn errichtet.
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    Systematische Folterungen, um zu demütigen

    Zusätzlich zu den rechtswidrigen Tötungen foltern russische Soldaten systematisch sowohl gefangene ukrainische Soldaten als auch Zivilisten. Nach Aussagen ehemaliger Kriegsgefangener, die aus der Gefangenschaft entlassen wurden, ist die Folter oft nicht mit einem Verhör verbunden. Die Täter versuchen nicht, Informationen zu erpressen, sondern foltern allein, um zu demütigen.
    Auch gegenüber den eigenen Soldaten ist die russische Armee oft sehr grausam. Sowohl russische Menschenrechtsaktivisten als auch gefangene russische Soldaten berichten regelmäßig über Misshandlungen durch Kameraden, manchmal auch durch ihre eigenen Offiziere. Auch nehmen Offiziere Bestechungsgelder von Soldaten an, um im Gegenzug weniger gefährliche Posten zu erhalten.



    Es kommt zudem häufig vor, dass Soldaten, die bei ihren Offizieren unbeliebt sind, zu extrem gefährlichen "Selbstmordmissionen" geschickt werden. Höhere Befehlshaber betrügen, stehlen regelmäßig die Gehälter der einfachen Soldaten und sind in verschiedene Korruptionsfälle verwickelt. Wenn man nicht einverstanden ist oder versucht, solche Verstöße aufzudecken, wird man häufig brutal bestraft.
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    Besondere Brutalität bei tschetschenischen Einheiten

    Die tschetschenischen Einheiten um Ramsan Kadyrow sind besonders skrupellos. Es gibt Fälle, in denen sie von anderen Soldaten Geld erpressen, sie schlagen und mit dem Tode bedrohen. Sie nehmen ihnen die Ausrüstung weg, zwingen sie zu erniedrigenden Aufgaben. Möglich wird dies durch die privilegierte Stellung Kadyrows im russischen politischen System.
    Es gibt visuell dokumentierte Fälle, in denen Tschetschenen, die sich hinter der eigenen Infanterie bewegen, auf Kameraden schießen, die von einem erfolglosen Angriff zurückkehren. Auch hier handelt es sich offensichtlich um ein systematisches Verhalten, das historisch gesehen eine direkte Fortsetzung einer sowjetischen Praxis aus dem Zweiten Weltkrieg ist.
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    Demütigung hat Tradition

    Was die Gründe anbelangt, so sind schlechte Disziplin, niedrige Moral und unsachgemäße Ausbildung wichtige Komponenten. Der Hauptgrund scheint jedoch das völlige Fehlen funktionierender Institutionen zur Durchsetzung von Regeln zu sein. Selbst grundlegende Normen werden missachtet - einschließlich der Kriegsregeln, die offiziell natürlich existieren und Teil der russischen Militärausbildung sind. In der Realität werden sie jedoch sehr oft vernachlässigt, sowohl von Offizieren als auch von einfachen Soldaten.
    Die Demütigung hat Tradition - seit Jahrzehnten werden neue Soldaten mit einem brutalen Ritus in die Armee aufgenommen:

    In den russischen Streitkräften gibt es eine grausame Tradition der Dedowschtschina, der brutalen, manchmal tödlichen Demütigung und Schikane von neuen, wehrpflichtigen Soldaten. Dedowschtschina ist mindestens seit den 1970er Jahren in der sowjetischen/russischen Armee weit verbreitet, sodass die Kultur der Gewaltanwendung gegen die eigenen Soldaten mindestens 70 Jahre alt ist. Und in einer Militärkultur, die sogar ihre eigenen Soldaten misshandelt, hat der Feind danach sicherlich nichts Besseres verdient.

    Kultur der Gewalt

    Bei den Zehntausenden von rekrutierten Gefängnisinsassen kam hinzu, dass durch sie auch die notorisch gewalttätige Gefängniskultur massenhaft in die Armee eindrang. Da diese Häftlinge - die sogenannten Sturm-Z-Einheiten - vor dem Kampfeinsatz praktisch keine Ausbildung erhielten, ist es nicht verwunderlich, dass sie auch ihre Gewaltkultur nicht aufgegeben haben.
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    Natürlich könnte die russische Armee, wenn der politische Wille dazu vorhanden wäre, aktiv gegen solche Gräueltaten vorgehen. Selbst wenn sie nicht vollständig abgeschaltet werden könnten, ließe sich die Zahl der Vorfälle drastisch verringern. Offenbar geht der Trend jedoch eher in die andere Richtung. Da die Verluste in Russland zunehmen und die Bereitschaft der russischen Männer, in die Armee einzutreten, abnimmt, wendet die Armee immer brutalere Methoden an, um die Disziplin und die Einsatzfähigkeit aufrechtzuerhalten.
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