Wahl in Georgien: Wie es in dem Land weitergehen könnte

    Interview

    Nach umstrittener Wahl:Wie es in Georgien weitergehen könnte

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    Nach dem offiziellen Wahlsieg der Regierungspartei gibt es Proteste und Manipulationsvorwürfe. Osteuropa-Experte Stefan Meister erklärt, vor welcher Zukunft das Land steht.

    Georgien Experte Stefan Meister live zugeschaltet aus Doha
    Das Wahlergebnis sei um mindestens zehn Prozent manipuliert, sagt Georgien-Experte Meister. 28.10.2024 | 8:15 min
    Nach der Parlamentswahl in Georgien am Wochenende demonstrieren tausende Menschen im Land gegen das Wahlergebnis und den offiziellen Sieg der Russland-freundlichen Regierungspartei "Georgischer Traum". Die georgische Präsidentin Salome Surabischwili, die der proeuropäischen Opposition nahesteht, erkennt das Wahlergebnis nicht an und hat zu Protesten aufgerufen und um internationale Unterstützung gebeten. Die Oppositionsparteien sprechen von Wahlmanipulation.
    Im Interview mit ZDFheute live analysiert Stefan Meister, Leiter des Zentrums für Ordnung und Governance in Osteuropa, Russland und Zentralasien der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik, die Lage in Georgien.
    Sehen Sie oben das Interview in voller Länge oder lesen sie es hier in Auszügen. Das sagt Stefan Meister...

    ...zum Wahlergebnis

    "Keiner hat damit gerechnet, dass der 'Georgische Traum' so massiv manipulieren wird", sagt Meister. Man sehe "einen Schock" der Opposition und der Zivilgesellschaft über das Wahlergebnis. Man wisse von unabhängigen Beobachtern, dass es bei der Wahl "ein ganzes System der Manipulation" gegeben habe, sagte Meister.

    Das ist wohl eine der am meisten manipuliertesten Wahlen, die wir in Georgien in den letzten Jahrzehnten gesehen haben.

    Stefan Meister, Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik

    Laut Wahlkommission hatte die Regierungspartei 54 Prozent der Stimmen erhalten. Meister geht von einer "Manipulation von mindestens zehn Prozent" aus. Er erwartet, dass sich die Demonstrationen fortsetzen werden und es zu "einer weiteren Eskalation" zwischen der Opposition und der Regierungspartei kommen wird.
    SGS Cörper
    ZDF-Korrespondent Armin Coerper erklärt, warum der Vorwurf des Wahlbetrugs schwer nachzuweisen sein wird.28.10.2024 | 1:08 min

    ...zur Rolle der EU als Unterstützer

    Man sehe eine "schwache Europäische Union", sagt Meister. Ungarns Premierminister Viktor Orbán sei nach Tiflis geflogen, um die Wahl in Georgien "zu legitimieren". Ungarn führt derzeit turnusgemäß den EU-Ratsvorsitz. Die meisten EU-Staaten sehen allerdings Orbans Alleingänge kritisch.
    Dennoch könne die EU die Personen, die für die Wahlfälschung verantwortlich seien, sanktionieren, erklärt Meister. Wichtige Mitgliedstaaten könnten zudem "eine Vermittlungsmission starten" und so Druck auf die georgische Regierungspartei ausüben. EU-Ratspräsident Charles Michel sei in der Vergangenheit jedoch "eine zu schwache Figur" zur Vermittlung gewesen.
    ZDF-Korrespondent Ulf Röller live aus Brüssel
    Orban nutze die Ratspräsidentschaft seines Landes, um der EU maximalen Schaden zuzufügen, so ZDF-Korrespondent Ulf Röller über dessen umstrittenen Besuch nach der Wahl in Georgien.28.10.2024 | 7:04 min

    ...zum Einfluss Russlands bei der Wahl

    Russland habe die Regierungspartei "im Informationsraum" massiv unterstützt, sagt Meister. Es gebe Berichte "über Berater aus den russischen Sicherheitsdiensten", die in der georgischen Hauptstadt aktiv seien.
    Aber am Ende seien es der 'Georgische Traum" und sein Besitzer, "der reichste Mann des Landes, Bidsina Ivanishvili, der sehr viel Geld ausgegeben hat, um Menschen zu bestechen" und "die Öffentlichkeit zu manipulieren", sagt Meister.
    Salome Zourabichvili
    Die Wahlkommission in Georgien hat die Regierungspartei zur Gewinnerin erklärt. Die Opposition spricht von Wahlbetrug und hat zu neuen Protesten aufgerufen.28.10.2024 | 3:21 min

    ...zur Zukunft Georgiens

    Der "Georgische Traum" und ihr Gründer Bidsina Ivanischwili versuchen laut Meister "ein autoritäres Regime" zu errichten. Alle Institutionen wie Gerichte und Wahlkommission seien "im Prinzip" unter Kontrolle der Regierungspartei.

    Georgien ist seit geraumer Zeit auf dem Weg in einen autoritären Staat.

    Stefan Meister

    Viele Menschen aus der organisierten Zivilgesellschaft "werden dafür kämpfen, dass diese Wahl in dieser Form nicht anerkannt wird", sagt Meister. Die entscheidende Frage sei, ob ein Großteil der Bevölkerung weiter demonstrieren und gegen das Wahlergebnis vorgehen werde und ob die Menschen dabei Unterstützung aus dem Ausland erhielten. Er sagt aber auch:

    Letztlich bin ich doch skeptisch, inwieweit man hier wirklich Neuwahlen erreichen kann.

    Stefan Meister

    Das Interview führte Marc Burgemeister. Zusammengefasst hat es Benno Krieger.

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