Tote Geiseln, sturer Kurs: So verzweifelt ist Lage in Israel

    Krise in Israel spitzt sich zu:Trotz toter Geiseln: Netanjahu bleibt hart

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    Israel trauert und protestiert, die Regierung hält eisern am sturen Militärkurs fest. Die Hamas wiederum nutzt die Geiseln eiskalt als "Hebel". Die Lage wird immer schwieriger.

    ZDF-Korrespondent Michael Bewerunge
    Nach Kritik von US-Präsident Biden und erneuten Massenprotesten ist der Druck auf Israels Regierungschef Netanjahu gestiegen. ZDF-Korrespondent Michael Bewerunge berichtet.03.09.2024 | 1:12 min
    Nach der traurigen Gewissheit, dass sechs Geiseln der terroristischen Hamas grausam ermordet wurden, kurz bevor Israels Militär sie fand, begehrt das Land auf. Auch für den heutigen Dienstag sind wieder landesweite Streiks angekündigt. Es lastet gerade "riesiger Druck auf der Regierung", erklärt ZDF-Korrespondent Michael Bewerunge die aktuelle Gemengelage.

    Während Israel bitteren Abschied nimmt von den zuletzt im Gazastreifen getöteten Geiseln, schwört der von Hinterbliebenen kritisierte Regierungschef Benjamin Netanjahu Vergeltung.

    Michael Bewerunge, ZDF-Studioleiter Tel Aviv

    Von einem Einlenken sei Netanjahu "immer noch weit entfernt".
    Nahostkonflikt - Protest in Tel Aviv
    Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu habe "klargemacht, dass er weiter darauf setzt, die Geiseln militärisch zu befreien", so Michael Bewerunge, ZDF-Korrespondent.03.09.2024 | 2:55 min

    Bewerunge: Netanjahu hält an Militärkurs fest

    Der Politiker habe deutlich gemacht, dass er "weiter an seinem Kurs festhält, so der Leiter des ZDF-Auslandsstudios Tel Aviv, "und das ist ein rein militärischer Kurs". Zwar habe er um Vergebung gebeten bei den Familien, dass er die sechs von der Hamas grausam und brutal ermordeten Geiseln nicht habe retten können. Aber er habe auch klargemacht, dass er" darauf aus sei, die Geiseln militärisch zu befreien".
    Militärisch sei die Hamas zwar vielleicht geschlagen, politisch habe sie aber weiter "diesen Hebel der Geiseln", glaubt Bewerunge. Auch wenn die Terroristen - grausam und skrupellos - diese Opfer "im Zweifelsfall ermorden". Es zeige, dass die Hamas "machen kann, was sie will". Letztlich, so Bewerunge, werde die Hamas nur zur Freilassung der Geiseln bewegt werden können, wenn es Zugeständnisse Israels gebe. Das aber habe "Netanjahu ausdrücklich ausgeschlossen".
    Mann hält bei einer Demonstration in Israel ein Schild mit der Aufschrift "Freedom now" in den Händen
    In Israel wächst die Kritik an der Strategie gegenüber der Hamas. Zum Protest haben sich viele Israelis an einem Generalstreik beteiligt, der jedoch gerichtlich verboten wurde.02.09.2024 | 1:24 min

    Netanjahus Kurs spaltet Kabinett

    Der künftige Kurs spaltet nun auch das Kabinett: Mittlerweile hat sogar der israelische Verteidigungsminister Joav Galant dazu aufgerufen, einer zentralen Forderung der Hamas nachzugeben und die Truppen aus einem Grenzkorridor zwischen Gazastreifen und Ägypten abzuziehen.
    Ein "bemerkenswerter Vorgang", meint Bewerunge. Der für die Sicherheit zuständige Minister, der Verteidigungsminister, fordert zum Einlenken auf. "Und Netanjahu hat dann - im wahrsten Sinne des Wortes bei Nacht und Nebel - zu später Stunde eine Abstimmung im Kabinett angezettelt, die dazu angesetzt war, um eben den Verteidigungsminister zu überstimmen".

    Das ist ein offenes Zerwürfnis, ein Machtkampf, der schon lange zwischen Galant und Netanjahu besteht, aber beide wollen nicht nachlassen.

    Michael Bewerunge, Leiter ZDF-Auslandsstudio Tel Aviv

    Galant wolle nicht zurücktreten, Netanjahu sowieso nicht. "Das heißt, dieser Streit geht weiter. Aber Netanjahu hat sich mit der Zustimmung des Kabinetts Zustimmung für seinen Kurs gesichert".
    Nahostkonflikt - Jerusalem
    In Israel hoffen die Angehörigen der Geiseln, wie die Familie des zehn Monate alten Kfir, auf schnelle Freilassung. Morgen ist der voraussichtlich letzte Tag der Feuerpause. 28.11.2023 | 2:05 min

    "Dieser Typ hat jetzt alles mit einer Rede torpediert"

    Auch Washington steht Netanjahu immer kritischer gegenüber. Die Vermittlungsgespräche seien auch nach dem Fund der sechs Leichen telefonisch weitergeführt worden, sagte ein an den Verhandlungen beteiligter US-Regierungsvertreter dem Sender CNN. Netanjahus Pressekonferenz habe die Bemühungen aber quasi zunichtegemacht: "Dieser Typ hat jetzt alles mit einer Rede torpediert", wurde der Regierungsvertreter zitiert. Auch US-Präsident Joe Biden, der weiterhin auf einen Geisel-Deal hofft, kritisierte Netanjahu.
    Demonstranten gehen am 2. September 2024 in Tel Aviv, Israel, während einer Massendemonstration auf die Straße, die die sofortige Freilassung der von der Hamas in Gaza festgehaltenen israelischen Geiseln fordert.
    US-Präsident Biden hat Israels Regierungschef Netanjahu vorgeworfen, nicht genug für eine Waffenruhe zu tun. In Israel haben am Montag erneut hunderttausende Menschen demonstriert.03.09.2024 | 0:23 min
    Auf die Frage, ob der israelische Ministerpräsident genug tue, um ein Abkommen zu erreichen, entgegnete Biden bei einem Auftritt in Washington: "Nein." Gleichwohl sei man einer finalen Vereinbarung zur Freilassung der restlichen Geiseln aus der Hand der Hamas "sehr nah". Dazu befragt, was ihn nach den vielen erfolglosen Anläufen für einen Deal zu dieser Einschätzung bringe, antwortete Biden, die Hoffnung sterbe zuletzt.
    Angriff auf Israel (Karte Israel, Gazastreifen etc.)
    ZDFheute Infografik
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    Geisel-Video veröffentlicht

    Die Hamas veröffentlichte zudem ein Propaganda-Video, auf dem die Entführte Eden Jeruschalmi noch lebend zu sehen ist, bevor das israelische Militär ihre Leiche vorige Woche in einem Tunnel im Gazastreifen entdeckte.
    Die Familie der 24-Jährigen erklärte sich laut der Zeitung "Times of Israel" damit einverstanden, eine kurze Sequenz des Videos weiterzuverbreiten. Darin sagt die junge Frau laut Übersetzung: "Eine Botschaft an meine Familie, die ich liebe: Ich vermisse euch, Vater, Mutter, Schwester Shani und May. Ich vermisse und liebe euch alle so sehr." In ähnlichen Fällen hat Israel der Hamas psychologische Kriegsführung vorgeworfen.

    Nachrichten | Thema
    :Der Nahost-Konflikt

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    Mauer zwischen Israelis und Palästinensern auf neuer Autobahn
    Quelle: ZDF, dpa, AFP

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