Darf der "Tiergartenmörder" einfach ausgetauscht werden?

    Gefangenenaustausch mit Russland:"Tiergartenmörder" frei: Juristisch zulässig?

    Samuel Kirsch
    von Samuel Kirsch
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    Der "Tiergartenmörder" wurde in Deutschland zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt. Nun wird er an Russland übergeben und kommt dort möglicherweise frei. Ist das zulässig?

    Wadim Krassikow, bekannt als der "Tiergarten-Mörder", am Flughafen von Ankara in der Türkei auf dem Weg in ein russisches Flugzeug.
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    Im Dezember 2021 verurteilte das Kammergericht Berlin den Russen Wadim Krassikow unter anderem wegen Mordes zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe und stellte die besondere Schwere der Schuld fest. Die Strafe verbüßte der Verurteilte bislang in deutschen Hochsicherheitsgefängnissen.
    Bislang - denn der so genannte Tiergartenmörder profitiert nun von einem Gefangenenaustausch, wird nach Russland überführt. Dieser Gefangenenaustausch zwischen Russland und westlichen Staaten wirft auch die juristische Frage auf: Ist es zulässig, einen verurteilten Mörder, der in Deutschland noch jahrelang hätte in Haft bleiben müssen, an Russland zu übergeben, obwohl davon auszugehen ist, dass er dort möglicherweise als freier Mann weiterlebt?
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    Gefangenenaustausch rechtlich umsetzbar

    Eine eigene gesetzliche Grundlage dafür, Straftätern ihre Strafe zu erlassen und sie so für einen Gefangenenaustausch freizugeben, existiert im deutschen Recht nicht. Laut Strafprozessordnung ist es aber juristisch möglich, von der Vollstreckung einer Strafe in Deutschland abzusehen, um einen verurteilten Straftäter auszuliefern oder abzuschieben. Das gilt selbst bei Mord.
    Diese Vorschrift ist indes nicht dafür gemacht, einen Gefangenenaustausch zu ermöglichen. Klassischerweise kommt sie zur Anwendung, wenn ein Straftäter in Deutschland verurteilt wurde, aber abgeschoben werden soll oder wenn er in sein Heimatland ausgeliefert werden soll, weil er dort eine andere Straftat begangen hat. Dann darf die deutsche Staatsanwaltschaft davon absehen, die Strafe in Deutschland zu vollstrecken und der Verurteilte kann stattdessen ausgeliefert werden.
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    Doch erlassen werden soll die Strafe damit eigentlich nicht. Denn im Regelfall wird das Land, in das der Verurteilte ausgeliefert wird, den Straftäter selbst belangen und möglicherweise auch in Haft nehmen. "Zwingend ist das aber nicht", erklärt der Hamburger Strafrechtsprofessor Kai Cornelius gegenüber ZDFheute.

    Ich halte es deswegen rechtlich gesehen für einen gangbaren Weg, einen Gefangenenaustausch zu ermöglichen, indem man im Falle des Tiergartenmörders von der weiteren Vollstreckung der Strafe absieht, selbst wenn er in Russland möglicherweise freikommt.

    Kai Cornelius, Strafrechtsprofessor

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    Wer entschied über den Gefangenenaustausch?

    Die Entscheidung über den Gefangenenaustausch ist eine politische, die im Bundeskanzleramt getroffen wurde. Juristisch umsetzen musste sie letztlich der Generalbundesanwalt. Er ist dafür zuständig, die Strafe des Tiergartenmörders zu vollstrecken - oder von der weiteren Vollstreckung abzusehen. Eigentlich kann er diese Entscheidung nach seinem Ermessen treffen. Als politischer Beamter muss er aber die Weisungen des Bundesjustizministers befolgen, solange diese nicht rechtswidrig sind.
    Aus Justizkreisen ist zu hören, dass der Generalbundesanwalt mit der Entscheidung, den Tiergartenmörder freizugeben, nicht einverstanden war, sich letztlich aber der Weisung des Bundesjustizministers Marco Buschmann beugte. Gerichtlich überprüfbar ist die Entscheidung, die Strafe in Deutschland nicht weiter zu vollstrecken, um den Verurteilten nach Russland zu überstellen, nicht.
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    Hätte die Bundesregierung auch anders vorgehen können?

    Rein juristisch wäre es auch möglich gewesen, den Tiergartenmörder für den Gefangenenaustausch freizugeben, indem Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier ihn begnadigt. Auch eine solche Begnadigungsentscheidung unterliegt keiner gerichtlichen Kontrolle, der Bundespräsident darf sie nach freiem politischen Ermessen treffen.
    Dass das deutsche Staatsoberhaupt allerdings einen Straftäter begnadigt, der im Auftrag Russlands auf deutschem Boden einen Mord begangen hat, mag rechtlich zulässig sein, politisch war es ausgeschlossen.
    Samuel Kirsch ist Redakteur in der ZDF-Redaktion Recht und Justiz.

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    Quelle: ZDF

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