Ärzte ohne Grenzen sehen in Gaza katastrophale Situation
Interview
Ärzte ohne Grenzen im Einsatz:"Kein Ort ist wirklich sicher in Gaza"
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Edward Chu war für die Hilfsorganisation "Ärzte ohne Grenzen" im Kriegsgebiet des Gazastreifens. Im ZDFheute-Interview spricht er über einen Einsatz in ständiger Lebensgefahr.
Eine Frau vor einem zerstörten Gebäude im Flüchtlingslager Al-Maghazi im Zentrum des Gazastreifens.
Quelle: AFP
ZDFheute: Als Notfallmediziner waren Sie bis vor wenigen Tagen für die Hilfsorganisation "Ärzte ohne Grenzen" im Gazastreifen. Welche Eindrücke haben sich Ihnen am stärksten eingeprägt?
Edward Chu: Nicht über die minimalste Sicherheit zu verfügen, um sich um die Patientinnen und Patienten kümmern zu können, ist etwas, das ich persönlich noch nie erlebt habe.
Ein Beispiel von vielen: In der Nacht, bevor ich meine geplante Arbeit in der Notaufnahme des Nasser-Krankenhauses in Chan Junis aufnehmen sollte, schlug ein Geschoss in der dortigen Entbindungsstation ein. Zum Glück ist es nicht explodiert. Das hätte verheerende Folgen gehabt.
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Einen vielleicht noch schmerzhafteren Eindruck hinterlässt die hohe Zahl an Frauen und Kindern, die wir in einem von uns fertig eingerichteten Hospital in Rafah behandeln müssen.
ZDFheute: Welche Art von Schutzräumen gibt es für Zivilisten, Helfer?
Chu: Kein Ort ist wirklich sicher in Gaza. In einer unserer Unterkünfte etwa wurden drei Mitarbeitende von "Ärzte ohne Grenzen" verletzt und ein Kind eines Mitarbeiters wurde getötet, als ein Projektil in das Gebäude einschlug, in dem sie wohnten.
Quelle: privat
… ist ein Notarzt aus den USA. Der 49-Jährige arbeitet seit 2016 für „Ärzte ohne Grenzen“ (Médecins Sans Frontières, MSF) als medizinischer Berater für Notfallmedizin. Für MSF war Chu seither unter anderem in der Zentralafrikanischen Republik, im Südsudan, in der Demokratischen Republik Kongo, in Kamerun und in der Ukraine im Einsatz.
ZDFheute: Nach Angaben der Vereinten Nationen sind zwei Millionen Menschen vom Krieg im Gazastreifen betroffen. Worauf konzentrieren sich die "Ärzte ohne Grenzen" vor allem?
Chu: Unsere Teams kümmern sich im Süden von Rafah um die Versorgung von Schwangeren, Kindern, chronisch Kranken und natürlich um Menschen, die bei Bombenangriffen verletzt wurden.
Im Hospital in Rafah mit derzeit 60 Betten nehmen wir auch Patientinnen und Patienten dieser Kliniken auf, wenn die Möglichkeit besteht.
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ZDFheute: Wie viele Helferinnen und Helfer von "Ärzte ohne Grenzen" sind derzeit im Gazastreifen tätig?
Chu: Wir haben dort derzeit um die 20 internationale Mitarbeitende im Einsatz. Sie kommen aus Frankreich, Spanien, Deutschland oder Belgien. Sie arbeiten mit vielen palästinensischen Kolleginnen und Kollegen zusammen, die ebenfalls für "Ärzte ohne Grenzen" tätig sind.
ZDFheute: Es gibt zahlreiche Berichte, dass es im Gazastreifen an fast allem Lebensnotwendigen mangelt. Wie ist Ihr Eindruck?
Chu: Die humanitären Hilfsgüter, die in den Gazastreifen gelangen, sind nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Es kommen zwar einige Lieferungen durch, aber von umfangreicher Hilfe kann nicht die Rede sein.
Sie müssen täglich für Essen und Trinkwasser anstehen. In Rafah etwa werden zwar einige Lebensmittel verkauft, aber sie sind für viele Menschen zu teuer geworden. Und in Rafah sind die Bedingungen noch vergleichsweise gut. Wegen der anhaltenden Bombenangriffe und der aktiven Kämpfe ist der Transport von Hilfsgütern in den Norden extrem gefährlich.
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ZDFheute: Als Experte für Notfallmedizin arbeiten Sie in zahlreichen Kriegs- und Konfliktregionen der Welt. Wie ordnen Sie das, was Sie im Gazastreifen erlebt haben, im Vergleich zu anderen Einsätzen ein?
Chu: Das Besondere an der Notlage dort ist die hohe Zahl an Betroffenen und die Tatsache, dass die Menschen keine Möglichkeit haben, dem Krieg zu entkommen.
Aus meiner Sicht sind ein sofortiger Waffenstillstand und ein Ende der Blockade unbedingt nötig, um humanitäre Hilfe zu ermöglichen, bevor es völlig zu spät ist.
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