Gaza-Krieg: Warum sich China als Friedensvermittler einsetzt
Friedensverhandlungen in Nahost:Wie China vom Gaza-Krieg profitiert
von Elisabeth Schmidt
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China will sich als neutraler Vermittler und vernünftigere Supermacht als die USA präsentieren. Hinter Pekings Nahost-Politik steckt geopolitisches Kalkül, das immer mehr verfängt.
Den Angriff der Hamas gegen Israel verurteilte China nicht. Auch wenn China zwischen den verfeindeten Gruppen weiter zu vermitteln versucht, Frieden gibt es in Gaza bisher nicht.21.08.2024 | 3:00 min
Es kommt sehr selten vor, dass man auf Pekings Straßen politische Botschaften und Symbole sieht, die nicht von der Kommunistischen Partei Chinas stammen. Auch trauen sich nur die wenigsten, offen über ihre politischen Ansichten zu sprechen.
Doch Ashraf Abusokhon, der seit vielen Jahren in Peking lebt, hat in seinem Restaurant die palästinensische Flagge aufgehängt. Denn momentan schläft er jede Nacht maximal fünf Stunden, erzählt er. Er bangt um seine Verwandten in Gaza. Mit der Fahne wolle er ein Zeichen setzen: "Wir müssen diesen Krieg beenden. Die Chinesen unterstützen Palästina. Wenn sie hier ins Restaurant kommen, sind sie glücklich. Sie essen, und wenn sie wieder gehen, rufen sie 'Free Palestine!'"
Chinas Reaktion auf Hamas-Angriff
Als die Hamas am 7. Oktober 2023 Israel angreift, als mehr als 1.200 Menschen sterben und 240 Geiseln verschleppt werden, als die USA Israel sofort milliardenschwere Militärhilfen zusichert, reagiert China völlig anders: Israel habe das Recht, einen Staat zu errichten - die Palästinenser auch, sagt Außenminister Wang Yi bei einer Pressekonferenz. Im Februar wird Chinas Vertreter bei den Vereinten Nationen, Ma Xinmin, noch deutlicher:
In der Suche nach ihrem Recht auf Selbstbestimmung haben die Palästinenser Gewalt angewandt, um sich ausländischer Unterdrückung zu widersetzen. Israels Unterdrückung hat das Recht auf Selbstbestimmung des palästinensischen Volkes untergraben.
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Ma Xinmin, 22.02.2024
Die Verhandlungen zu einer Waffenruhe in Nahost sollen diese Woche in Kairo fortgesetzt werden. „Knackpunkte“ seien dabei neue Forderungen Netanjahus, so ZDF-Korrespondentin Atai. 21.08.2024 | 1:55 min
Bis heute hat China den Hamas-Angriff nicht verurteilt und bezeichnet die Palästinensergruppe auch nicht - wie die USA und Deutschland - als Terrororganisation.
Im Interview mit ZDFheute gibt Prof. Wang Yiwei, Direktor des Instituts für Internationale Angelegenheiten der Renmin Universität China den Vereinigten Staaten die Schuld an der Eskalation im Nahen Osten:
Die USA haben die Hamas mit Sanktionen belegt und sie als Terrorgruppe bezeichnet. Das hat die Hamas zu extremen Mitteln greifen lassen, deshalb haben sie Israel angegriffen.
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Prof. Wang Yiwei
Auf lange Sicht könne die einzige vernünftige Lösung nur sein, die Hamas als politische Partei anzuerkennen und sie Teil einer Regierung eines vereinten Staates Palästina werden zu lassen.
China hat eine lange Geschichte mit den Palästinensern. Schon Mao Zedong ließ ihnen während der Kulturrevolution Waffen liefern, um Palästina im – wie er es sah – Kampf gegen den Westen zu unterstützen. Erst 1992 nahm die Volksrepublik mit Israel diplomatische Beziehungen auf und ist heute Israels größter Handelspartner. Israel ist auch Teil von Pekings Infrastrukturprojekt „Neuer Seidenstraße“. Doch nach der Hamas-Attacke wurden chinesische Soziale Medien von antisemitischen Kommentaren überflutet, ungelöscht von den staatlichen Zensoren. Auch dass Peking den Angriff der Hamas vom 7. Oktober 2023 bis heute nicht verurteilte, hat bei der israelischen Regierung zu großer Verärgerung geführt.
China als Friedensstifter in Gaza?
Die tektonischen Platten der Weltpolitik verschieben sich gerade. Vermittlungserfolge scheinen der Strategie der Volksrepublik Recht zu geben: Sei es die Versöhnung der beiden Erzrivalen Saudi-Arabien und Iran im März 2023: Es gab damals mehrere Verhandlungsrunden, China war erst auf den letzten Metern dabei - und verbuchte den Vermittlungserfolg dennoch für sich.
Im Juli 2024 versöhnen sich schließlich die verfeindeten Palästinensergruppen Hamas und Fatah - in Peking, wo die Regierung bereits einen Fünf-Punkte-Plan zur Lösung des Gaza-Konflikts vorgelegt hat. Darin fordert China unter anderem eine sofortige Waffenruhe, eine diplomatische Schlichtung und spricht sich für eine Zwei-Staaten-Lösung aus - allerdings ohne Details oder einen konkreten Weg zu benennen.
"Chinas Vorschläge waren alle sehr allgemein gehalten", sagt Bonnie Glaser, Geschäftsführerin des Indopazifik-Programms des German-Marshall-Fund der USA. Xi Jinping wolle China als Anführer einer alternativen, multilateralen Ordnung und als verantwortungsvolle Großmacht präsentieren.
Seine Vision der internationalen Ordnung ist ausdrücklich eine Alternative zu dem, was China als eine unfaire und unvernünftige internationale Ordnung bezeichnet, die von den Vereinigten Staaten dominiert wird.
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Bonnie Glaser
Dass China Truppen nach Gaza schicken würde, schließt Glaser aus. China wolle es sich mit keinem Staat im Nahen und Mittleren Osten verscherzen - kauft die Volksrepublik doch einen großen Teil seines Rohöls aus der Region. Allein 1,3 Millionen Barrel pro Tag kamen in den letzten Jahren von Iran in die Volksrepublik. Aus dem Land, das die Hamas nach eigenen Angaben 2023 mit 70 Millionen US-Dollar unterstützt hat.
Laut US-Außenminister Blinken hat Premier Netanjahu in einem gemeinsamen Treffen den US-Vorschlag zur Waffenruhe in Gaza akzeptiert. Nun fordert Blinken die Zustimmung der Hamas.20.08.2024 | 1:46 min
China als Alternative zu USA
In Peking fordert im November 2023 eine Delegation arabischer und muslimischer Führer eine sofortige Waffenruhe in Gaza. Ihr Ruf verhallt, doch die Bilder aus China gehen um die Welt. In den folgenden Tagen kommt es zu heftigen Protesten gegen Israel und die USA, etwa in Pakistan, Malaysia, Südafrika und Brasilien. Allesamt Länder des globalen Südens, um deren Gunst China seit Jahren buhlt, denen das Land sich als Alternative zur USA präsentieren will.
Ich glaube, dass der Krieg in Gaza Peking wirklich geholfen hat, diese Botschaft zu vermitteln und mehr Unterstützung aus den Entwicklungsländern zu gewinnen.
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Bonnie Glaser
Eine Entwicklung, die in westlichen Ländern große Besorgnis auslöst. "Ich denke, dass die USA und Europa noch keine Strategie entwickelt haben, die Alternativen bietet, um die Herzen und Köpfe der Menschen in den Entwicklungsländern zu gewinnen", sagt Bonnie Glaser. "Ich glaube, wir sollten nicht nur eine Strategie gegen China verfolgen. Wir müssen unsere eigenen Lösungen präsentieren."
Während in Gaza nicht nur der Krieg tobt, sondern auch der Machtpoker der Weltmächte, hofft in Peking Restaurant-Besitzer Ashraf nur eines: Dass es endlich Frieden in Gaza gibt, ganz egal wer ihn am Ende vermittelt.
Elisabeth Schmidt ist Korrespondentin im ZDF-Studio Peking.
Zwölf Palästinensergruppen haben sich auf eine Interimsregierung geeinigt. Warum die Fatah bereit war, ihren Streit mit der Hamas beizulegen, erklärt Nahost-Experte Daniel Gerlach.
Interview
Quelle: dpa
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