Rund 100.000 Menschen aus dem Gazastreifen gelang es, nach Ägypten auszureisen. Dort sind sie zwar sicher, aber perspektivlos.
Die Angriffe auf den Gazastreifen treiben die Bevölkerung zur Flucht. Wer konnte, überquerte die Grenze nach Ägypten.
Quelle: epa
Joumana Osama sitzt mit Tränen in den Augen auf dem Sofa ihrer Wohnung in Kairo. Wie sie sich gefühlt habe, als sie Gaza verließ?
Es war so hart, weil es ein One-Way-Ticket sein kann, weil du vielleicht nie wieder zurück kannst - weil ich mich gegenüber denen, die nicht ausreisen konnten, schuldig fühlte.
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Joumana Osama
Zugleich dachte sie: "Wenn ich nur noch einen Tag länger bleibe, werde ich wahnsinnig. Nein, ich konnte nicht mehr." Die 26-Jährige lebte zuvor in einem der geschäftigsten Viertel in Gaza-Stadt, arbeitete als Trainee. Sie hatte gerade ein europäisches Förder-Stipendium erhalten. Es sollte ihr helfen, sich als zivilgesellschaftliche Akteurin zu profilieren und sich für Geschlechtergleichheit und Frieden einzusetzen. In dieser vielleicht wichtigsten Zeit ihres Lebens begann der Krieg.
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Familie flüchtet aus Krieg in Gaza
Ihr Haus ist längst zerbombt. Joumana Osama floh deshalb mit ihrer Familie nach Rafah ins großelterliche Haus - zwei Stockwerke, in denen bald fünfzig Menschen lebten. Sie hielt alles mit ihrem Handy fest: Wie das Nachbarhaus in Schutt und Asche gebombt wurde, als sie beim Mittagessen waren. Die ersten Leichen, die sie in ihrem Leben sah. Wie sie Lebensmittel verteilte - und Kinder zum Lachen brachte. Die Zeiten, in denen es kein Mehl mehr gab. Oder den Tod eines Freundes.
Osamas Mutter durfte für ihre Krebsbehandlung nach Kairo ausreisen. Zwei Monate später finanzierte die Tochter mit ihrem Stipendium - etwa fünfzehntausend US-Dollar - die Ausreise, für sich und ihre zwei Brüder. "Als meine Geschwister und ich ankamen, wurden wir fast blind - weil wir uns an die Dunkelheit in Gaza gewöhnt hatten und die Lichter der Stadt nicht mehr ertragen konnten."
Osama ist eine von etwa 100.000 Palästinensern aus Gaza, die seit Kriegsbeginn in Ägypten Zuflucht gefunden haben. Um die 5.000 kamen, um in Ägypten medizinisch behandelt zu werden. Alle anderen zahlten astronomische Summen an eine Reiseagentur, deren prominenter Eigentümer ein der ägyptischen Regierung nahestehender Geschäftsmann ist, um den Gazastreifen verlassen zu können - auch wenn sie ahnten, dass die israelischen Behörden ihnen wahrscheinlich nie erlauben würden, zurückzukehren.
Nach der Flucht aus Gaza: Leben in der Schwebe
"Wir brauchen psychosoziale Unterstützung hier", sagt Osama.
Und vor allem brauchen wir einen Aufenthaltsstatus.
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Joumana Osama
Ohne den können Kinder keine Schule besuchen, können die Angekommenen ihre Ausbildung nicht fortsetzen, nicht reisen, kein Geschäft gründen, kein Bankkonto eröffnen und keine Krankenversicherung abschließen. Sie leben in der Schwebe, wie in einer Wartehalle ohne Ausgang - die Ersparnisse oft aufgebraucht und die Mieten viel höher als in Gaza.
Keine UN-Hilfe für Palästinenser in Ägypten
Palästinenser fallen nicht unter das Mandat des UN-Flüchtlingswerks in Ägypten. Von dort erhalten sie also keine offizielle Hilfe. Die einzige Hilfe, die sie erreicht: private ägyptische Freiwilligeninitiativen, die Lebensmittel ausliefern, Kleidung und Schuhe spenden, nach Aushilfsjobs suchen oder Spenden vermitteln.
Loay Mohammad ist ebenfalls aus Gaza geflüchtet. Er stand kurz vor dem Abschluss seines Informatikstudiums, als der Krieg begann. In Kairo wartet er darauf, dass nun zumindest Online-Kurse für Studenten beginnen. Ein Ägypter hat ihm einen Job am Laptop verschafft. Drei Male musste seine Familie in Gaza fliehen, hauste am Ende in einem Gemüse-Lagerraum - bis Mohammad auf die Idee kam, eine "Go Fund me"-Spendenkampagne aufzusetzen.
Mittels Spenden aus Europa gelang die Ausreise - zwei Tage vor der Schließung des Grenzübergangs zu Ägypten. Seit dem 7. Mai ist die Grenze zu - niemand, auch keine medizinischen Fälle, kommen mehr aus dem Gazastreifen heraus.
In Kairo muss Mohammad alle paar Wochen seine Aufenthaltsgenehmigung verlängern. Er könne sich nicht mehr so gut konzentrieren, sagt der 21-jährige, und hänge in Gedanken noch oft in Gaza: Die Familie des Vaters, im Norden Gazas, fände kaum noch Nahrungsmittel, die Freundin der Mutter sei vor Kurzem getötet worden.
"Die meisten meiner Freunde sind tot. Unser Haus, das Haus meiner Tante, meines Großvaters - alles ist zerstört." Doch er lässt sich die Hoffnung nicht nehmen. "Wenn der Krieg endet und wenn ich mein Studium beenden kann, dann kann ich vielleicht irgendwann wieder der alte Loay werden."
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