Im neuen Jahr fließt kein russisches Gas mehr durch die Ukraine nach Europa. Nach Aussage der europäischen Kommission, sei die EU auf den Lieferstopp gut vorbereitet.31.12.2024 | 0:23 min
Einen Tag lang fließt russisches Gas noch durch ukrainische Pipelines nach Europa - dann ist Schluss. Zum Jahreswechsel endet der Transitvertrag, nachdem die
Ukraine im Sommer angekündigt hatte, den Kontrakt mit
Russland nicht verlängern zu wollen.
Was heißt das für Europa, die Gaspreise und die Versorgungssicherheit? Ein Überblick.
Wie viel Gas fließt über die Ukraine nach Europa?
Im vergangenen Jahr sind etwa 15 Milliarden Kubikmeter russisches Gas von der Ukraine nach Europa geleitet worden. Das geht aus Daten des Verbands Europäischer Fernleitungsnetzbetreiber für Gas (ENTSOG) hervor, die von der Internationalen Energie-Agentur (IEA) ausgewertet wurden - und entspricht nur noch einem Bruchteil der etwa 90 Milliarden Kubikmeter Gas, die Russland 2019 über die Ukraine nach Europa geleitet hat.
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Die wirtschaftswissenschaftliche Brüsseler Denkfabrik Bruegel hat in den ersten acht Monaten 2024 zwar einen minimalen Anstieg beobachtet. Demzufolge hat russisches Transitgas aus der Ukraine bis August wieder fünf Prozent des europäischen Gesamtbedarfs gedeckt.
"Für die EU als Ganzes wird der Wegfall dieser fünf Prozente der Importe aber kaum spürbar sein, da sich die Mengen vergleichsweise leicht auf dem LNG-Markt ersetzen lassen", sagt Georg Zachmann, Experte für Energiepolitik bei Bruegel, der die Auswirkungen des Transitstopps analysiert hat.
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Welche europäischen Länder beziehen russisches Gas über die Ukraine?
Die Hauptabnehmer des Transitgases waren zuletzt Moldau, Österreich, die Slowakei und
Ungarn. Nach Angaben der IEA hat die ukrainische Transitroute zuletzt 65 Prozent des kombinierten Gasbedarfs von
Österreich, der Slowakei und Ungarn gedeckt.
Gas-Pipelines in der Ukraine: Zuletzt wurde das russische Gas vor allem in die Slowakei geleitet.
Quelle: ZDF
Aktuelle ENTSOG-Daten legen nahe, dass zumindest Ungarn seine Abhängigkeit von der ukrainischen Transitroute im aktuellen Jahr bereits reduziert hat. Über Serbien und Bulgarien ist Ungarn mit der
Türkei verbunden. In der Türkei landen die einzigen russischen Gaspipelines in Europa an, die noch in Betrieb sind - Turkstream und Blue Stream.
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Die Türkei leitet einen gewissen Anteil der russischen Gasmengen nach Europa weiter, unter anderem nach Ungarn. So ist Ungarns Einfuhr von Gas über Serbien 2024 im Vergleich zum Vorjahr um mehr als 33 Prozent gestiegen.
Beim internationalen Gasforum in St. Petersburg sagte Ungarns Außenminister Peter Szijjártó bereits im Oktober: "Turkstream kann auch anderen europäischen Ländern helfen, sollte der Transit-Vertrag enden."
Allerdings sind dem Transit über die Türkei Grenzen gesetzt: Nach IEA-Angaben hat beispielsweise die Turkstream-Pipeline keine Kapazitäten mehr für größere Transitmengen. Und auch die Verbindungs-Pipelines stoßen an ihre Grenzen, wie ENTSOG-Daten zeigen: Demnach war die Pipeline aus Serbien nach Ungarn in diesem Jahr bereits zu 92 Prozent ausgelastet.
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Was heißt das für die Versorgungssicherheit der betroffenen Länder?
Die Internationale Energie-Agentur (IEA) sieht die Versorgungssicherheit der EU-Länder nicht unmittelbar gefährdet. Österreich, die Slowakei und Ungarn seien gut an das EU-Netz angeschlossen und hätten über Italien und Deutschland zumindest indirekt Zugang zum globalen LNG-Markt.
ENTSOG-Daten vom 28. Dezember zeigen zudem, dass die Gasspeicher der betroffenen Länder aktuell gut gefüllt sind (alle Angaben gerundet).
- Gasspeicher in Österreich: 79 Prozent
- Gasspeicher in der Slowakei: 76 Prozent
- Gasspeicher in Ungarn: 70 Prozent
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Größere Probleme sieht die IEA bei Moldau, das kein EU-Mitglied ist. Die Abhängigkeit der Republik von russischem Gas sei "wesentlich größer" - und es brauche eine "enge Zusammenarbeit zwischen Moldau und regionalen wie internationalen Partnern, um die Energieversorgung im Winter sichern zu können". Der russische Gaskonzern
Gazprom hat angekündigt, ab Januar kein Gas mehr nach Moldau zu liefern.
Was heißt das für die Entwicklung des Gaspreises in der EU?
Da die EU die wegfallende Gasmenge leicht auf dem LNG-Markt ersetzen könne, "wird auch der Preis insgesamt kaum steigen", prognostiziert Experte Georg Zachmann - auch wenn die Gaspreise in Mittelosteuropa vorübergehend geringfügig steigen könnten.
"Langfristig beschleunigt das den Ausstieg aus russischem Gas", sagt Zachmann. Der Wegfall der früher wichtigen Bezugsquelle "bedeutet Planungssicherheit für andere, neue Alternativen - was deren Kosten senkt". Die EU hat sich - wenn auch unverbindlich - das Ziel gesetzt, bis 2027 aus russischem Gas auszusteigen.
Wie ist die Gas-Lage aktuell in Deutschland?
So ist die Gas-Lage aktuell
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Was kostet der Transitstopp Russland und die Ukraine?
Zachman rechnet damit, dass Russland durch den Wegfall der Ukraine-Route etwa vier Milliarden US-Dollar an Export-Einnahmen verliert. Gleichzeitig müsse die Ukraine auf einige hundert Millionen US-Dollar Transitgebühren verzichten.
"Außerdem verliert die Ukraine ein Faustpfand gegen die Zerstörung der eigenen Gasinfrastruktur", sagt Zachmann. "Gleichzeitig stärkt der Wegfall des Transits aber die Unabhängigkeit der Ukraine und macht es einfacher, für weitgehende G7+-Gassanktionen gegen Russland zu argumentieren."
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Zachmann verweist zudem auf die politischen Folgen des Transitstopps. Deswegen habe sich zuletzt vor allem das Verhältnis zwischen der Ukraine und der Slowakei verschlechtert. Der slowakische Regierungschef Robert Fico hatte angekündigt, "adäquate Gegenmaßnahmen" zu ergreifen, sollte am 1. Januar kein russisches Gas mehr über die Ukraine kommen. Eine solche Gegenmaßnahme sei die Einstellung von Stromlieferungen, auf die Kiew bei Versorgungsengpässen angewiesen sei.
Der ukrainische Präsident
Wolodymyr Selenskyj warf Fico daraufhin vor, auf Befehl Putins "eine zweite Energie-Front gegen die Ukraine auf Kosten der Interessen der Slowaken zu eröffnen".
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Seit Februar 2022 führt Russland einen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Kiew hat eine Gegenoffensive gestartet, die Kämpfe dauern an. News und Hintergründe im Ticker.
Quelle: mit Material von AFP, dpa und Reuters