Front und Familie:Wie Frauen in der Ukraine kämpfen
von Anne Brühl und Jakob Wiehle
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Der Krieg in der Ukraine fordert die ganze Nation. Männer wurden mobilisiert, doch auch Frauen kämpfen täglich für ihre Heimat - als Soldatinnen und mit den Folgen des Krieges.
Zwei Jahre Krieg in der Ukraine haben das Leben auf den Kopf gestellt. Frauen tragen einen großen Teil der Last dieses Krieges. Ihr Wille, das Land zu verteidigen, ist ungebrochen.15.02.2024 | 28:52 min
Der Krieg in der Ukraine jährt sich am 24. Februar zum zweiten Mal. Viele Männer des Landes hat er zu Soldaten gemacht. Aber auch Frauen kämpfen - an der Front und mit den Folgen des Krieges. Vor Ort haben sie ZDF-Reporterin Anne Brühl ihre Geschichten erzählt.
Soldatin transportiert Kriegsopfer
Natalia ist eigentlich Juristin, doch jetzt im Krieg ist sie Soldatin und bringt die sterblichen Überreste der getöteten Kameraden nach Hause. "Wenn du Gefallene transportierst und wenn du verstehst, dass es deine Kameraden sind - dann verstehst du den Verlust eines Menschenlebens für unser Volk", so Natalia.
Sie organisiert auch die Beerdigungen, kümmert sich um Sarg, Kreuz und Blumenschmuck. Wie sie sagt, könne sie sich an einige Gefallene erinnern, aber nicht an alle, denn es hätte so viele gegeben. Wenn die Familien der Toten einverstanden waren, hat sie oft an den Beerdigungen teilgenommen.
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Über 40.000 Ukrainerinnen freiwillig in der Armee
Natalia hat drei Kinder. Sie werden in Odessa von der Großmutter versorgt, während ihre Mutter als Soldatin nahe der Front dient. Insgesamt sind mehr als 40.000 freiwillige Frauen in der ukrainischen Armee im Einsatz. Sogar beim Leichentransport wurde Natalia bereits angegriffen: "Die Russen schießen auf alles: Friedhöfe, Leichenhallen, zivile Städte", sagt sie.
Für Natalia ist klar: Wladimir Putin trage die Verantwortung für die Zerstörung und das Leid. Aber auch all jene, die dessen Befehle befolgten.
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Schwangerschaft im Krieg
Auch Svitlana spürt das Leid jeden Tag. Ihr Mann hat sich so sehr Kinder gewünscht, doch er starb im Krieg. Drei Tage nach seiner Beerdigung erfuhr Svitlana, dass sie schwanger ist.
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Auch ihren Sohn aus erster Ehe hat Svitlana im Krieg verloren. Jetzt erwartet sie Zwillinge, ihren Vater werden die Kinder nie kennenlernen. "Ich komme an sein Grab und erzähle ihm, dass ich beim Arzt war, wovon ich geträumt habe. Als er im Krieg war, hat er mich oft angerufen. Und jetzt komme ich eben an sein Grab und erzähle ihm alles", schildert Svitlana.
Frauen wünschen sich Ukraine als freies Land
In ihrer Wohnung hängen die Bilder der Gefallenen, Svitlana will nicht aufgeben: "Es gibt viele Frauen wie mich. Es ist nicht zu ändern, so ist unser Schicksal." Ihr größter Wunsch:
Ein Wunsch, der auch Frauen wie Olena vertraut ist. Vor allem hofft sie, ihren Sohn endlich wieder in die Arme schließen zu können, dass es ihm gut geht. Der 22-Jährige wurde von russischen Soldaten verschleppt.
Durch russische Truppen verschleppt
Olena kommt aus der Nähe von Butscha. Nachdem russische Soldaten ihre Siedlung erobert hatten, drangen sie in ihr Haus ein und entführten sie mitsamt ihrer Familie. "Man hat uns Plastiktüten über den Kopf gestülpt und uns den Hals mit Klebeband umwickelt. Sie haben versucht, uns zu ersticken", erinnert sie sich.
Das waren die letzten Worte, die sie von ihrem Sohn hörte, bevor er verschleppt wurde. Das letzte Lebenszeichen: ein Foto auf einer russischen Website. Dmytro ist einer von 28.000 Zivilisten in russischer Gefangenschaft. Er hat studiert, war kein Soldat.
Hoffnung auf Kriegsende in der Ukraine bleibt
Anders als ihr Sohn wurde Olena freigelassen, sie wurde einfach aus einem gepanzerten Fahrzeug geworfen: "Diese Angst, dass sie mir noch in den Rücken schießen, die kann ich einfach nicht vergessen", sagt sie.
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Olena ist sich sicher: "Was unserem Volk gerade widerfährt, ist eine Tragödie für die ganze Welt." Doch sie will nicht verzweifeln, sondern hoffen, dass sie ihren Sohn wiederfindet und er eines Tages in einer freien Ukraine leben kann. Vereint mit der Familie in Frieden und Freiheit leben - ein Wunsch, für den viele Frauen in der Ukraine tagtäglich weiterkämpfen.
Seit Februar 2022 führt Russland einen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Kiew hat eine Gegenoffensive gestartet, die Kämpfe dauern an. News und Hintergründe im Ticker.