Frankreich hat gewählt: "Gute Nachricht für Europa"
Interview
Politikwissenschaftler de Weck:Frankreich-Wahl: "Gute Nachricht für Europa"
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Das Risiko, dass das Rassemblement National alleine an die Macht kommen könnte, "ist nach diesem Wahltag viel kleiner geworden", so der Politikwissenschaftler Joseph de Weck.
Sehen Sie hier das Interview mit Joseph de Weck in voller Länge.07.07.2024 | 5:19 min
Es ist eine Überraschung am Sonntagabend: Das links-grüne Wahlbündnis wird bei der Parlamentswahl in Frankreich stärkste Kraft.
Anders als nach den Vorwahlumfragen erwartet landete der rechtspopulistische Rassemblement National von Marine Le Pen nur auf dem dritten Platz hinter dem Regierungslager von Präsident Emmanuel Macron.
Sitzverteilung in Frankreich
ZDFheute Infografik
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Was das für Frankreich bedeutet und ob Macron Präsident bleibt, dazu hat Politikwissenschaftler und Macron-Biograf Joseph de Weck Antworten.
Sehen Sie das Interview mit Joseph de Weck oben im Video in voller Länge oder lesen Sie es unten in Auszügen.
Im Interview mit dem ZDF heute journal stellt der Politikwissenschaftler fest, dass ...
... der Wahlausgang eine gute Nachricht für Europa ist
Mit Blick auf das Risikospiel, dass Macron gespielt hat, werde Frankreichs Präsident denken, "dass er Geschichte geschrieben hat", sagt de Weck. Zum zweiten Mal in Folge "wählten die Franzosen niemanden an die Macht. Es gibt keine klare Mehrheit".
Frankreich befinde sich in einem "Umbruch von einer präsidentialen Demokratie hin zu einer parlamentarischen". "Frankreich wird deutscher, es muss lernen regiert zu werden von Koalitionsregierungen. Das überfordert noch viele in Frankreich", so de Weck.
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... Macrons Wetteinsatz nicht aufging
"Macrons großes Kalkül war, dass seine Partei wieder die stärkste Kraft würde", sagt de Weck. Dass die Linken so verstritten wären, dass sie kein gemeinsames Wahlbündnis schmieden könnten und er wieder so zur absoluten Macht komme.
"Dieser Wetteinsatz ist nicht aufgegangen", sagt de Weck. Aber es sei auch nicht so schlimm gekommen, wie viele es voraus gesagt hätten.
Der Auftrag der Franzosen an ihre Regierung sei, dass niemand alleine regieren könne, sondern, dass sie zusammen regieren müssen. Das sei ein Gedanke mit dem Macron eigentlich zu Anfang seiner Amtszeit gespielt habe.
"Es wird sich in den nächsten Monaten wahrscheinlich auch viel darum drehen, wie das Wahlrecht dann in Frankreich verändert werden kann hin zu einer proportionellen Wahl, die dann auch etwas einfacher einzuschätzen ist für ausländische Partner."
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... es in einem Jahr nochmal zu einer Neuwahl kommen könnte
Es seien die Mitte-Links-Kräfte, vor allem die sozialistische Partei, die gestärkt wurde, die mehr Abgeordnete hinzugewonnen habe. Linken-Chef Jean-Luc Mélenchon werde nicht der nächste Premierminister sein. Es werde jemand anderes sein.
"Ich glaube es wird womöglich nochmal zu einer Neuwahl kommen in einem Jahr", sagt de Weck. "Es wird eine Periode größerer politischer Instabilität geben in den nächsten Jahren. Das wird schwierig."
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Aber das große Risiko, dass der RN mal alleine an die Macht kommen könnte und damit das europäische Projekt infrage stellen könnte, "das ist nach diesem heutigen Tag doch viel kleiner geworden".
Macron müsse jetzt "fast Präsident bleiben bis 2027". Er sei der "Anker der Stabilität in diesen chaotischen Tagen, die auf Paris in den nächsten Wochen zukommen werden". Er sei natürlich abgestraft durch das Resultat, aber er bleibe die zentrale Person, die versuchen muss, diesen Wandel mitzugestalten.
Das Interview führte ZDF-Moderatorin Marietta Slomka. Zusammengefasst hat es ZDF-Redakteurin Katharina Schuster.