Interview
Premierminister Barnier gestürzt:Frankreichs Regierung verliert Misstrauensvotum
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In Frankreich hat die Regierung von Premierminister Barnier ein Misstrauensvotum im Parlament verloren. Die Opposition entzog ihm das Vertrauen. Die Gründe und Folgen im Überblick.
Das Misstrauensvotum bedeutet für Frankreich "noch mehr politische Lähmung als ohnehin" und "Unsicherheit, auch für Europa", so ZDF-Korrespondentin Anna Warsberg.04.12.2024 | 1:31 min
In Frankreich ist die Regierung von Ministerpräsident Michel Barnier am Mittwochabend durch ein Misstrauensvotum zu Fall gebracht worden. Abgeordnete aus dem rechten Lager stellten sich wie angekündigt im Parlament hinter einen entsprechenden Antrag der Linken. Insgesamt stimmten von 574 Parlamentariern 331 dafür. Das Kabinett kann übergangsweise im Amt bleiben, um die Tagesgeschäfte zu erledigen.
Warum kam es zum Misstrauensvotum gegen Barnier?
Seit den vorgezogenen Neuwahlen im vergangenen Juni hatte die Regierung keine Mehrheit mehr. Um den Sozialhaushalt zu verabschieden, griff der Premierminister deshalb auf den Verfassungsparagrafen 49.3 zurück. Dieser ermöglicht eine Verabschiedung ohne Abstimmung. Dazu muss die Regierung aber ein Misstrauensvotum überstehen.
Sowohl die linke Opposition als auch die Rechtspopulisten hatten umgehend Misstrauensanträge eingereicht. Eigentlich hatte die rechtspopulistische Partei Rassemblement National bei Barniers Amtsantritt zunächst versichert, einen Misstrauensantrag der Linken nicht zu unterstützen. Seit die Staatsanwaltschaft in einem Veruntreuungsverfahren gegen RN-Fraktionschefin Marine Le Pen harte Strafen gefordert hat, hat sich deren Haltung verändert. Le Pen bestreitet allerdings, dass es einen Zusammenhang gibt.
Schon kurz vor dem Fall der französischen Regierung war klar, die Krise trifft das ganze Land.04.12.2024 | 2:33 min
Was passiert nun in Frankreich?
Nachdem die Regierung das Misstrauensvotum verloren hat, ist sie nur noch geschäftsführend im Amt. Der französische Präsident Emmanuel Macron muss nun einen neuen Premierminister ernennen. Dafür gibt es keine Frist. Nach der Auflösung des Parlaments im Juni hatte Macron sich bis September Zeit gelassen. Dieses Mal müsste es schneller gehen, damit noch bis zum Jahresende mehrere Haushaltsgesetze verabschiedet werden können. ZDF-Korrespondent Thomas Walde schätzt dies als nahezu "unmöglich" ein.
Als nächster Regierungschef ist unter anderem der mit Macron eng vertraute Verteidigungsminister Sébastien Lecornu im Gespräch. Die Ernennung eines linken Regierungschefs würde dem Ergebnis der Neuwahl im vergangenen Juli Rechnung tragen. Allerdings gibt es Querelen im linken Lager, wer den Posten übernehmen sollte. Eine Neuwahl des Parlaments ist frühestens im Juli 2025 möglich.
Frankreich steht vor einer schweren politischen Krise. Im Parlament gibt es mehrere Misstrauensanträge gegen die Regierung. Was Frankreich nun bevorsteht, erklärt Thomas Walde.04.12.2024 | 1:27 min
Was bedeutet das für Macrons Präsidentschaft?
Die nächste Präsidentschaftswahl steht eigentlich erst 2027 an. Die Linkspopulisten fordern regelmäßig den Rücktritt Macrons, die Rechtspopulisten etwas verhaltener. Le Pen sagte: "Er ist der große Verantwortliche der aktuellen Situation", sagte Le Pen auf TF1. "Ich fordere nicht den Rücktritt von Emmanuel Macron", sagte Le Pen. Der Druck auf ihn aber werde steigen, er müsse selbst entscheiden, ob er bis 2027 im Amt bleiben wolle oder verfrühte Wahlen ausrufe.
Mittlerweile gibt es auch erste Stimmen von Hinterbänklern im Regierungslager, die den Rücktritt des Präsidenten und eine vorgezogene Präsidentschaftswahl ins Spiel bringen. Das hat Macron bislang ausgeschlossen und am Dienstag noch als "politische Fiktion" bezeichnet.
Macron kann nach zwei Mandaten nicht wieder antreten. Le Pen möchte gerne Präsidentin werden, könnte aber im März in einem Verfahren wegen Veruntreuung von EU-Geldern dazu verurteilt werden, nicht kandidieren zu dürfen. Ob der 29-jährige RN-Parteichef Jordan Bardella dann antreten würde, ist offen.
Im Regierungslager laufen sich unter anderen die Ex-Premierminister Edouard Philippe und Gabriel Attal für eine mögliche Präsidentschaftskandidatur warm. Der Linkspopulist Jean-Luc Mélenchon dürfte auch wieder antreten wollen. Vielleicht versucht es auch der sozialistische Ex-Präsident François Hollande noch einmal.
Frankreichs Präsident Macron liebt große Gesten, Bundeskanzler Scholz bedachte Worte. Krieg, Rechtsruck und Inflation spalten Europa. Können diese Männer die EU retten?07.05.2024 | 15:36 min
Quelle: AFP, Reuters, dpa
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