Nationalfeiertag in Frankreich: Feiern trotz Polit-Krise
Nationalfeiertag in Frankreich:Schöne Bilder, hässlicher Machtkampf
von Susanne Freitag-Carteron
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Am 14. Juli zeigt Frankreich seine militärische Macht, die "Grande Nation" will Stärke demonstrieren. In diesem Jahr wird der Nationalfeiertag von einer Polit-Krise überschattet.
Der französische Nationalfeiertag wurde mit einem großen Feuerwerk am Eiffelturm beendet. Die olympischen Ringe leuchteten auch am Nachthimmel - in zwei Wochen geht es los. 15.07.2024 | 0:21 min
Junge Militärs in bunten Hoodies formen die olympischen Ringe, die Olympische Flamme kommt zu Pferd, wird übergeben an junge Sportler aus dem Departement Seine-Saint-Denis. Dazu schmettert ein Chor gefühlsgeladen die französische Hymne und die Flugpatrouille malt die Tricolore an den Himmel über dem Triumph-Bogen. Pathos pur, 14. Juli.
Auf der Ehrentribüne Präsident Emmanuel Macron und seine noch amtierenden Minister, einige haben Tränen der Rührung im Auge.
Nach der Wahl in Frankreich zeigt sich der Bundeskanzler erleichtert, ebenso wie andere europäische Regierungschefs. Frankreichs Rolle in der EU dürfte sich dennoch ändern.09.07.2024 | 2:49 min
Frankreich in der Krise
Doch tatsächlich war Frankreich seit Jahrzehnten nicht mehr so weit von einem Einheitsgefühl entfernt, wie im Moment. Die politische Situation ist chaotisch, die Regierung ist faktisch keine mehr. Der Präsident schüttelt Hände, macht Selfies als sei alles in bester Ordnung, dabei hat er das Land in die größte politische Krise der letzten Jahrzehnte gestürzt.
Auch in der Provinz wird Frankreichs Ehrentag gefeiert, weniger pompös. Feuerwerke, Dorffeste, häufig schon am Abend vorher beim "Bal Populaire". Eines dieser Feste findet jedes Jahr auch in Deutschland statt. In Saarbrücken feiern Deutsche und Franzosen gemeinsam. In diesem Jahr war die Veranstaltung politischer als sonst. Gleich hinter der Grenze zum Saarland, in Lothringen, fuhr Marine Le Pens "Rassemblement National" (RN) Rekordwerte ein.
Der Franzose Christophe Arend ist in Saarbrücken ein alter Bekannter. 2016 hatte er seinen Job als Zahnarzt aufgegeben, um für Macron ins Parlament zu ziehen. Fünf Jahre war er Abgeordneter. Doch schon 2022 schwächelte Macrons Mehrheit, Arend wurde abgewählt.
Stattdessen zog Kevin Pfeffer ins Parlament. Smart, 34 Jahre alt, Schatzmeister der Partei in Paris. Bei der letzten Wahl bekam er schon im ersten Wahlgang die absolute Mehrheit. Pfeffer ist zum ersten Mal in Saarbrücken beim Fest. "Natürlich stoße ich hier auf Vorbehalte", sagt er, "aber ich erkläre unser Programm und zeige, dass wir nicht der Karikatur entsprechen, die man von uns malt".
Welche Folgen die Wahl in Frankreich für die EU-Institutionen hat und über die neue rechte Fraktion im EU-Parlament berichtet ZDF-Korrespondentin Isabelle Schaefers.08.07.2024 | 2:22 min
Extrem rechts wird gesellschaftsfähig
Einige Gäste sind unangenehm berührt. Wie Paul, Student in Saarbrücken.
Andere, vor allem Franzosen, stehen auf dem Standpunkt: Wer mit großer Mehrheit gewählt ist, hat jetzt eben auch hier seinen Platz. Der RN ist gesellschafts- und partyfähig geworden.
Am Stand mit den französischen Spezialitäten schüttelt Pfeffer Hände - man kennt ihn, weil er in Forbach aufgewachsen ist. Anders als Macron kennt er die Sorgen der Region, die zu den ärmsten Frankreichs zählt. Kohle und Stahl sind weg, die Kaufkraft auch.
"Emmanuel Macron hat nicht auf das Volk gehört", sagt Michelle Nedelco, die am Verkaufsstand steht. "Schon den Gelbwesten hat er nicht zugehört. Er ist jetzt in einer unkomfortablen Lage, aber das hat er sich alleine selbst zuzuschreiben".
"Das Linksbündnis hat Regierungsanspruch erhoben", auch wenn sie sich noch nicht einig seien, so ZDF-Korrespondentin Anna Warsberg. Macron gehe "geschwächt aus dieser Wahl hervor".09.07.2024 | 3:18 min
Ablenkung von Frankreichs Machtkampf
Auch die Politikwissenschaftlerin Claire Demesmay ist zum Feiern in Saarbrücken. Sie sorgt sich um die Stabilität Frankreichs. "Die Bürgerinnen und Bürger haben sich verantwortungsvoll verhalten. Und was man sieht, ist Chaos. Es geht um Personal, um Egos, nicht um Inhalte."
Zurück nach Paris - die olympische Flamme kommt, symbolträchtig, an der Nationalversammlung vorbei - am Donnerstag findet dort die erste Sitzung eines Parlamentes statt, von dem niemand weiß, wie es aussehen wird. Wer tut sich mit wem zusammen? Welche Rolle bekommen extreme Rechte und extreme Linke? Wer wird Premierminister? Das linke Zweckbündnis konnte noch immer keinen gemeinsamen Kandidaten präsentieren.
So gerne die "Grande Nation" Einigkeit und Stärke demonstriert, hinter den Kulissen der schönen Bilder tobt ein hässlicher Machtkampf in einem gespaltenen Land.
Susanne Freitag-Carteron ist Leiterin des ZDF-Landesstudios Saarbrücken.
Wissenschaftlerin Claire Demesmay vom Forschungszentrum Centre Marc Bloch im Interview zur Situation in Frankreich, den Folgen für Europa und das deutsch-französische Verhältnis.