Angst vor Russland: Finnland erhöht Verteidigungsausgaben

Angst vor Russland:Nachbar Finnland erhöht Verteidigungsausgaben

Schaltpartnerin Heescher zum Urteil im Prozess um die Messerattacke bei Brokstedt.
von Winnie Heescher
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In Finnland reibt man sich angesichts deutscher Diskussionen über Wehrpflicht und Kriegstüchtigkeit die Augen. Das Land an der Grenze zu Russland ist auf alles vorbereitet.

Finnische Reservisten bei einer Militärübung.
"Auf das Beste hoffe, aber doch auf das Schlimmste vorbereitet sein.": Finnland erhöht die Verteidigungsausgaben.
Quelle: AFP

Ein "trauriger Zustand" sei das zwischen Finnland und Russland, heißt es dieser Tage aus dem Kreml, man sei zu einer Verbesserung der Beziehungen bereit. Die Finnen können über solche Aussagen nur ironisch lächeln und pragmatisch handeln: 2023 Nato-Beitritt, nun hat die finnische Regierung von Petteri Orpo beschlossen, die Verteidigungsausgaben auf mindestens drei Prozent des Bruttoinlandsproduktes ab 2029 zu erhöhen.
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Auch Polizei, Sicherheits- und Geheimdienste erhalten mehr Geld. Außerdem will das Land aus dem sogenannten Ottawa-Abkommen austreten - dieses Abkommen verbietet unter anderem den Einsatz von Antipersonenminen.

Diese Lösung wird uns helfen, Finnlands Verteidigung weiter zu stärken.

Petteri Orpo, Ministerpräsident Finnland

Orpo meint damit natürlich auch: Diese deutlichen Zeichen sollen der weiteren Abschreckung dienen.
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Lange Geschichte der russischen Bedrohung in Finnland

Finnland lässt sich kaum ohne Russland denken. Zu lang ist die Grenze zwischen beiden Ländern - mehr als 1.330 Kilometer. Zu nah ist die Bedrohung. Und das nicht erst seit Februar 2022, als Russland die Ukraine überfiel. Es ist die Geschichte des Winters 1939, die das nördliche Land prägen und das Bewusstsein, immer verteidigungsfähig sein zu müssen.
Damals griff die Sowjetunion Finnland ohne Kriegserklärung an - unter dem Vorwand einer Lüge. Finnland schien hoffnungslos unterlegen, ca. 300.000 Soldaten standen einer Million Sowjetsoldaten gegenüber. Die aber waren schlecht ausgerüstet und versorgt und der Winter war besonders kalt. Finnland schlug Stalins Truppen, verlor aber am Ende den Krieg und musste Teile seines Territoriums abgeben.
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Eine der größten Artillerietruppen Europas

Eine wesentliche Lehre wurde aus dieser Zeit gezogen: Das Land müsse sich immer selbst verteidigen können. Das ist seitdem breiter Konsens in Politik und Gesellschaft, danach handelt man seit Jahrzehnten: Finnland verfügt über eine der größten Artillerietruppen Europas, stellt seine eigenen Gewehre und Munition her. 870.000 Soldaten und Soldatinnen gehören der Reserve an, 280.000 von ihnen könnten im Kriegsfall sofort mobilisiert werden.
Zum Vergleich: In Deutschland spricht man bei 100.000 Reservisten von einem "ambitionierten Ziel." In Deutschland leben 83 Millionen Menschen, in Finnland 5,5 Millionen. Auch der Wille, das Land zu verteidigen, ist seit Beginn des Krieges in der Ukraine besonders hoch: 78 Prozent waren 2024 dazu bereit, 80 Prozent unterstützen die allgemeine Wehrpflicht, die für Männer obligatorisch, für Frauen freiwillig ist.
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Landesverteidigung zur Vorsorge immer weiter ausgebaut

Was Finnland von den meisten europäischen Ländern unterscheidet: Auch nach dem Kalten Krieg hat das Land seine Landesverteidigung ausgebaut - anstatt sie wie zum Beispiel Deutschland mit der Wehrpflicht abzuschaffen. Auch im zivilen Leben ist diese Vorsorgepraxis sichtbar: Allein die Hauptstadt Helsinki bietet in Bunkern Schutz für 900.000 Menschen.
Um in einer Krise handeln zu können, hat die Regierung vergangenen Herbst einen digitalen Leitfaden veröffentlicht: "Vorbereitung auf Zwischenfälle und Krisen" heißt der und bietet genaue Anleitung, wohin man sich im Fall der Fälle begeben soll, was man einpacken soll. Neben Schlafsack, Wasser und Medikamenten übrigens auch "ein Buch, Papier und Stift" zur Unterhaltung.
"Finnland sieht sich derzeit nicht mit einer unmittelbaren militärischen Bedrohung konfrontiert, sagt Ministerpräsident Petteri Orpo. Finnland aber will vorbereitet sein auf alle Eventualitäten ganz nach dem Motto: Auf das Beste hoffen, aber doch auf das Schlimmste vorbereitet sein.

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Quelle: dpa

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