Niederlande: Findlingszimmer ersetzt Babyklappe

    Niederländische Babyklappen:Findlingszimmer retten Kinderleben

    von Marie Sophie Hübner
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    Niederländische Findlingszimmer ähneln Babyklappen, gehen aber einen Schritt weiter. Wie sie funktionieren und warum sie überlebenswichtig sind - eine betroffene Mutter erzählt.

    baby - symbolfoto
    In den Niederlanden gibt es keine Babyklappen – dafür so genannte Findlingszimmer. Mütter können jederzeit wieder Kontakt mit ihrem Kind aufnehmen und ihren Namen hinterlegen.09.02.2024 | 2:20 min
    Anneke hat ihr Kind sofort nach der Geburt abgegeben. Ihren richtigen Namen möchte sie nicht nennen. Denn was sie uns erzählt, war wohl die schwerste Entscheidung ihres Lebens.

    Du bringst ein Kind auf die Welt, aber du hast selbst kein Zuhause. Und so kannst du auch dem Kind kein Zuhause bieten und du kannst ihm auch keine Sicherheit bieten. Das wollte ich für mein Kind nicht.

    Anneke

    Als Anneke herausfindet, dass sie schwanger ist, lebt sie auf der Straße. Sie sei verzweifelt gewesen, habe im Internet gesucht: "Obdachlos, schwanger, was nun?" So sei sie auf die Stiftung "Beschermde Wieg", zu deutsch "Geschützte Wiege", gestoßen. Anfangs habe sie anonym mit jemandem von der Stiftung gechattet. Eine Abtreibung kam für Anneke nicht in Frage. Schließlich entschied sie sich, das Kind nach der Geburt in eine Pflegefamilie zu geben.

    Zwölf Findlingszimmer in den Niederlanden entstanden

    Nicht alle verzweifelten Mütter schaffen es, sich Hilfe zu suchen und die auch anzunehmen. "Ein Baby in einem Container: Kommt das häufiger vor?", lautet die Schlagzeile auf einer niederländischen Nachrichtenwebsite. Die traurige Antwort: ja. In den letzten rund 20 Jahren wurden 68 Babys gefunden, die ausgesetzt wurden - davon 49 tot.
    Um die Kinder besser zu schützen und den Müttern zu helfen, hat die Stiftung "Beschermde Wieg", die auch Anneke beriet, so genannte Findlingszimmer gegründet. In den Niederlanden gab es bisher zehn Zimmer im ganzen Land verteilt. Nun hat die Stiftung gemeinsam mit den Unikliniken in Amsterdam und Rotterdam zwei weitere Zimmer eröffnet. Das könnte dem Konzept mehr Aufmerksamkeit bringen.

    So funktioniert ein Findlingszimmer

    Barbara Muller ist Teil von "Beschermde Wieg". Sie steht in dem neuen Rotterdamer Findlingszimmer, einem kleinen, beige gestrichenen Raum. Neben ihr steht ein weißes Kinderbett. "Wenn eine Mutter mit ihrem Baby hier ankommt, hat sie zwei Möglichkeiten", erklärt Muller. "Sie kann auf den Knopf drücken und dann bekommt sie innerhalb von Minuten Hilfe", Muller zeigt auf einen grünen Knopf an der Wand, "oder sie legt ihr Kind in diese Wiege."
     Junge Frau mit blonden, langen Haaren schaut aus dem Fenster.
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    Dann kann die Mutter gehen, bevor das Klinikpersonal kommt und sich um das Kind kümmert. Sie bleibt dann anonym. Im Kinderbett des Findlingszimmers liegt ein Briefumschlag, ein "Mama-Brief". In dem Brief stecken zwei Puzzlestücke. Eins davon bleibt bei dem Kind. Das andere kann die Mutter mitnehmen. So können Mutter und Baby immer wieder leicht zugeordnet werden.

    In Deutschland bisher nur anonyme Babyklappe

    In Deutschland wurde im Jahr 2000 in Hamburg die erste Babyklappe eröffnet. Mittlerweile gibt es in der Bundesrepublik hunderte. Doch anders als bei Babyklappen, steht bei Findlingszimmern nicht die Anonymität im Vordergrund, sondern das Ziel, dass Mutter und Kind weiter Kontakt halten können. Hilmar Bijma ist Gynäkologin im Uniklinikum Rotterdam. Sie sagt:

    Für ein Kind ist es sehr wichtig, zu wissen, woher es kommt - auch aus biologischen Gründen.

    Hilmar Bijma, Gynäkologin

    "Aber es ist auch wichtig, dass der Prozess, in dem eine Mutter auf ihr Kind verzichtet, gut läuft."
    Anneke hat sich auf die Unterstützung eingelassen und sich entschieden, Kontakt zu ihrem Baby zu halten. "Die erste Zeit, in der mein Sohn in der Pflegefamilie war, war für mich unerträglich. Vor allem durch das Kontakthalten. Letztlich weiß ich nicht, was einfacher ist: Kontakt zu halten oder nicht." Für sie war es aber die richtige Entscheidung: Sie hat mittlerweile eine Wohnung gefunden und ihren Sohn nach anderthalb Jahren bei sich aufgenommen.

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