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Vom Verbündeten zum Staatsfeind:Türkischer Prediger: Wer war Fethullah Gülen?
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Vom Erdogan-Verbündeten zum Staatsfeind: Fethullah Gülen hatte einst enormen Einfluss auf Gesellschaft und Politik in der Türkei. Dann kam es zum Zerwürfnis mit dem Präsidenten.
Der türkische Prediger Fethullah Gülen ist mit 83 Jahren im US-Exil gestorben. Gülen wurde von der türkischen Regierung beschuldigt, den Putschversuch 2016 initiiert zu haben.21.10.2024 | 1:24 min
Jahrzehntelang war der Imam Fethullah Gülen in der Türkei eine der einflussreichsten islamischen Autoritäten - und eine der umstrittensten. Zwar trug er wesentlich zum Aufstieg des heutigen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan bei. Als dieser seine Macht konsolidiert hatte, überwarfen sich die beiden jedoch.
Der Präsident bezeichnete den Prediger als Drahtzieher des Putschversuchs von 2016 und verfolgt bis heute seine Anhänger. Gülen starb am Sonntag im Alter von 83 Jahren in den USA, wo er jahrelang im Exil gelebt hatte.
Bildung und interreligiöser Dialog
Geboren 1941 in der ostanatolischen Provinz, scharte er nach einer theologischen Ausbildung landesweit Anhänger mit charismatischen Predigten um sich. Neben Frömmigkeit und guten Taten forderte er von den Muslimen vor allem eins: Bildung.
Der Geistliche hatte Ende der 1960er Jahre begonnen, ein Netz von Bildungsstätten und Medienunternehmen aufzubauen. Seine Predigten verbreiteten sich damals per Ton- und Videokassetten. Darin zeigte er sich offen für interreligiösen Dialog. Gülen wurde unter anderem von Papst Johannes Paul II. empfangen.
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Schneller Aufstieg und Exil
Dank Gülens guter Beziehungen zur Regierung breitete sich seine Hizmet-Bewegung in den 1980er und 1990er Jahren immer weiter aus. Viele seiner Anhänger stiegen im Staatsdienst auf. Dies führte schon früh zu Warnungen, Gülen-Anhänger würden eigene Netzwerke in Justiz, Verwaltung und dem Sicherheitsapparat aufbauen.
"Arbeitet geduldig daran, die Kontrolle des Staates zu übernehmen", soll Gülen in einer Ansprache gesagt haben, von der ein Mitschnitt in die Medien gelangte. Zwar bestritten Gülens Anhänger die Authentizität der Aufnahme, doch der Prediger war gezwungen, 1999 in die USA zu gehen, um in der Türkei einem Gerichtsprozess wegen Untergrabung des Staats zu entgehen.
So kam es zur Feindschaft mit Erdogan
Als Erdogans AKP-Partei 2002 an die Regierung gelangte, kam ihr das Netz der Gülen-Anhänger im Staatsdienst gerade recht. Denn ihr fehlten die Kader, um sämtliche Posten in Politik und Verwaltung zu besetzen.
Die Allianz hielt allerdings nur bis 2013. Als die Justiz Korruptionsermittlungen gegen Politiker und Geschäftsleute aus dem Umfeld Erdogans einleitete, warf der damalige Ministerpräsident der Gülen-Bewegung einen versuchten Staatsstreich vor. Er kündigte an, den "Parallelstaat" der Gülen-Bewegung zu zerschlagen, und entließ tausende mutmaßliche Anhänger aus Polizei und Staatsanwaltschaft.
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Gülen wies Staatsstreich-Vorwurf zurück
Auch für den versuchten Staatsstreich im Juli 2016 machte Erdogan die Gülen-Bewegung verantwortlich. Gegen 700.000 mutmaßliche Anhänger wurden Verfahren eingeleitet, etwa 3.000 von ihnen wurden wegen der Beteiligung an dem Putschversuch zu lebenslanger Haft verurteilt. Etwa 125.000 Staatsangestellte wurden damals entlassen.
Gülen wies die Vorwürfe zurück und verurteilte von den USA aus mit scharfen Worten den versuchten Staatsstreich. Er verbrachte die letzten 25 Jahre seines Lebens in dem Ort Saylorsburg im US-Bundesstaat Pennsylvania. Das Seniorenheim, in dem er lebte, wurde rund um die Uhr bewacht. Zuletzt zeigte sich Gülen nur selten in der Öffentlichkeit.
Quelle: ZDF
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Quelle: AFP, KNA
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