Feminismus in China: Zwischen Heiratsmarkt und Sexspielzeug

    Gleiche Rechte statt Tradition:Frauen in China: Ein Ehemann? Nein, danke.

    von Miriam Steimer, Shanghai
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    Wer sich als Feministin bezeichnet, kann in China schnell ein Problem bekommen. Eine Spurensuche zwischen Heiratsmarkt und Sexspielzeug.

    Zwei Frauen zeigen Kindern ein Gebäude.
    Kinder kriegen, heiraten - Frauen in China wollen sich das nicht diktieren lassen. Viele machen sich unabhängig, einige eröffnen sogar Dildo-Shops.16.10.2024 | 12:09 min
    "Zucker für Erwachsene": So heißt ein Laden in einem Einkaufszentrum im Uni-Viertel von Shanghai. Es gibt Dildos und Vibratoren in allen Farben und Formen, Eintritt erst ab 18 Jahren. Trotzdem sind viele nicht begeistert, was hier so offen ausgestellt wird.

    Sex: Tabuthema in China

    Die 30-jährige Managerin Niki erzählt, dass sie Männern oft die Sorge nehmen müsse, von einem Sexspielzeug ersetzt zu werden. "Wenn Frauen die Möglichkeit haben, sich selbst glücklich zu machen, verstehen sie ihren Körper besser, wissen, was sie brauchen und können mit ihren Männern darüber sprechen", sagt sie. Doch über Sex zu sprechen, das sei in China immer noch nicht üblich.
    Chinesische Frau
    Null-Covid war lange Zeit das Aushängeschild von China. Doch immer mehr junge Erwachsene wollen ein anderes China und suchen sich alternative Lebensstile.05.10.2022 | 12:35 min

    Gleichberechtigung in China: Aufholbedarf

    Obwohl es in der Volksrepublik genauso selbstbewusste und emanzipierte Frauen gibt wie in Deutschland, ist hier doch noch einiges anders:
    • In politischen Entscheidungsgremien fehlen Frauen nahezu komplett.
    • Über Gewalt an Frauen zu sprechen, ist vielerorts ein Tabu.
    • Wer sich als Feministin bezeichnet, wird bedroht und eingeschüchtert. Denn die Kommunistische Partei sieht Feministinnen als Unruhestifterinnen.
    Trotzdem durchbrechen immer mehr Frauen traditionelle Rollenbilder, wehren sich gegen den oft heftigen Druck ihrer Eltern, für Enkelkinder zu sorgen. Obwohl nach langen Jahren der Ein-Kind-Politik heute drei Kinder erlaubt, von der Staatsführung sogar erwünscht sind, wollen immer mehr junge Leute weder heiraten noch Nachwuchs bekommen.
    Chinas mutige Kämpferinnen
    Sie spielen gerne Fußball, sollten eigentlich die gleichen Bildungschancen haben wie Männer. Und doch ist es für Frauen in China nicht leicht, ein selbstbestimmtes Leben zu führen.17.07.2023 | 18:49 min

    Junge Frauen: Probleme ansprechen statt ertragen

    Ein Kind, das kann sich Yueyue vorstellen, aber einen Ehemann? Auf keinen Fall. Mit ihrem ausgestreckten Zeigefinger unterstreicht sie ihre Nein-Geste am Esstisch in ihrer WG in der Mega-Metropole Chongqing. "Ich brauch' keinen Mann, der auf dem Sofa sitzt, Fernsehen guckt und mir sagt, wie ich die Hausarbeit machen soll", sagt die 22-Jährige.
    Auch wenn sicher nicht alle chinesischen Männer so sind, haben Frauen wie sie das Gefühl, nochmal laut aussprechen zu müssen, was für sie gar nicht geht. "Alle Frauen sollten weniger ertragen müssen. Ich hab' das Gefühl, viele chinesische Frauen ertragen ihr Leben lang: Wurden sie von ihren Männern geschlagen - ertragen, wurden sie beschimpft - ertragen."
    HONG KONG-CHINA-CULTURE-LUNAR-NEW YEAR
    Die Drachen-Jahre stehen traditionell für Erfolg und Wohlstand. Doch wirtschaftlich steht China schlecht dar. Arbeitslosigkeit und die Immobilienkrise belasten den Staat. 10.02.2024 | 2:31 min

    Abziehtattoos in Geheimschrift für Frauen

    Was sie stattdessen will: Dass Frauen sich bewusst werden, wie stark sie sind. Sie nimmt uns mit in ihr Atelier und weiht uns in eine Geheimschrift ein. Sie gestaltet Abziehtattoos mit Wünschen wie "Unabhängigkeit" oder "Freiheit" - in Nüshu, einer Frauenschrift.
    Die soll es seit dem 16. Jahrhundert geben, weitergegeben von Mutter zu Tochter. Frauen nutzten diese Geheimschrift, um mit Verwandten in anderen Dörfern zu kommunizieren, ohne dass Männer ihre Briefe verstanden - um ihren Tagebüchern ihre Wut auf einen gewalttätigen Ehemann anzuvertrauen. Manche haben das Gefühl, eine solche Geheimschrift auch heute noch brauchen zu können.

    Bevölkerungsschwund
    :"Neue Gebärkultur": Chinas Frauen unter Druck

    Vor zehn Jahren lockerte China seine strenge Ein-Kind-Politik. Doch der Babyboom blieb aus. Statt Reformen auf den Weg zu bringen, setzt die Staatsführung nun Frauen unter Druck.
    Elisabeth Schmidt, Peking
    Archiv: Neugeborene in einem chinesischen Krankenhaus
    mit Video

    Park in Shanghai ist "Heiratsmarkt"

    Wir besuchen einen Ort, an dem es dagegen eher traditionell zugeht. Auf dem sogenannten "Heiratsmarkt" in einem Park in Shanghai verbringen vor allem Rentnerinnen und Rentner ihr Wochenende. Ihre Kinder wissen oft nicht, dass ihre Eltern hier nach passenden Partnerinnen und Partnern für sie suchen.
    Eine Frau spricht mich direkt an und will mich verkuppeln. Sie erklärt mir, was alles auf den Steckbriefen gehört: Alter, Größe, Ausbildung, Monatsgehalt - und eine Telefonnummer, um Kontakt aufzunehmen.

    Senioren auf der Suche nach Schwiegerkindern

    Seit zehn Jahren ist sie jedes Wochenende hier, sucht nach Partnern für die Kinder von Freunden und Verwandten. Warum viele junge Leute in China nicht mehr heiraten wollen? "Heiraten ist kompliziert, eine Familie aufbauen. Man muss sich um die Kinder kümmern, erziehen, Hausarbeit … die jungen Leute haben höhere Ansprüche. Sie mögen ihre Freiheit."

    Bevölkerung schrumpft
    :Babyboom in China bleibt aus

    2016 lockerte China die Ein-Kind-Politik. Doch der von der Regierung erhoffte Babyboom blieb aus, stattdessen schrumpft die Bevölkerung sogar.
    Eine Mutter und ihr Kind gehen spazieren.
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    Sie schickt uns in eine Ecke, in der speziell nach ausländischen Matches gesucht wird. Ein junger Mann spricht mich an. Wie groß die Chance hier für Frauen über 30 ist? "Quasi null", sagt er.
    Das beste Heirats-Alter für chinesische Frauen sei Mitte 20. Für ihn sei das irrelevant, er habe schon aufgegeben. "Viel zu schwierig. So viele Frauen wollen nicht heiraten. Sie arbeiten zu lang. In China ist es normal, zehn Stunden am Tag zu arbeiten", sagt er. Da bliebe keine Zeit, um Kinder zu machen. Yueyue aus Chongqing würde ihm heftig widersprechen.
    Miriam Steimer ist Leiterin des ZDF-Studios in Peking und Korrespondentin für Ostasien.

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    Quelle: ZDF

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