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Baustelle Fehmarnbelt-Tunnel:Dänische Taufe und deutsche Sorge
von Henner Hebestreit
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Der Fehmarnbelt-Tunnel rückt Deutschland an Dänemark heran - bis 2029, so der Plan. Die Dänen weihen jetzt das erste Tunnelelement ein. Schaffen die Deutschen ihre Hausaufgaben?
Der Fehmarnbelt-Tunnel ist ein europäisches Megaprojekt, das im Jahr 2029 fertig werden soll. Jetzt besucht der dänische König die Baustelle, um den ersten fertigen Teil zu sehen.17.06.2024 | 1:30 min
Auf Fehmarn werden schon Wetten angeboten, ob der Tunnel unter der Ostsee nicht lange vorher fertig wird, bevor eine leistungsfähige Anbindung der Insel ans deutsche Festland gebaut ist. Während an der schmalen Stelle zwischen der Insel Fehmarn und Großenbrode auf dem Festland noch Vorbereitungsarbeiten für den geplanten, recht kurzen Fehmarnsund-Tunnel Richtung Süden laufen, haben die Dänen auf ihrer Festlandseite schon ein erstes Tunnelelement für den großen Fehmarnbelt-Tunnel fertiggestellt.
217 Meter lang, rund 73.000 Tonnen schwer wartet das Betonelement darauf, noch in diesem Jahr in die vorbereitete Rinne in der Ostsee abgesenkt zu werden. An diesem Montag wird Dänemarks König Frederik X. auf Lolland erwartet, um dieses erste von 89 Tunnelteilen zu taufen.
Der Fehmarnbelt-Tunnel soll 2029 fertig sein. Geplant ist auch ein kurzer Tunnel - der Fehmarnsund-Tunnel - zwischen Fehmarn und dem deutschen Festland. Bisher gibt es dort nur eine Brücke.
Quelle: ZDF
Wann genau das Tunnelteil von starken Schleppen an den Haken genommen und an die richtige Position in der Ostsee bugsiert wird, ist noch unklar. Noch liegt es innen schon komplett mit allem ausgestattet, was für den späteren Straßen- und Eisenbahnverkehr benötigt wird, auf dem Gelände von Europas größter Baustelle am dänischen Ufer der Ostsee.
Der Fehmarnbelt-Tunnel soll sich aus 89 Elementen zusammensetzen. Ein Standardteil ist 217 Meter lang und rund 73 Tausend Tonnen schwer. Die Teile werden fertiggestellt und dann ins Meer abgesenkt. 14.06.2024 | 0:20 min
Dänemark glaubt fest an Tunnel bis 2029
Hier, wo 2.000 Arbeiterinnen und Arbeiter mit Volldampf an der Umsetzung des skandinavischen Traums einer festen Straßen- und Eisenbahnverbindung von Nordeuropa durch die hier 18 Kilometer breite Ostsee bis ins Herz des Kontinents arbeiten, glaubt man fest daran, den Tunnel 2029 in Betrieb nehmen zu können.
In Dänemark hatten sie den Glauben an das Projekt niemals verloren. Als sich in Deutschland die Genehmigungsverfahren in die Länge zogen, haben die Dänen schon diese Fabrik inklusive eines eigenen Arbeitshafens in Lollands Sand gebaut. Das alles auf der Fläche von etwa 310 Fussballfeldern. Die lokale Arbeitsverwaltung versichert, der Tunnel schaffe aktuell genug Arbeit für alle, die arbeiten wollten und könnten.
Von Hamburg nach Kopenhagen in weniger als drei Stunden
Klar, die Insel Lolland erwartet selbst Großes von dem Tunnel: Man hofft, aus einem Schneewittchenschlaf wachgeküsst zu werden, wenn man nicht mehr in der dänischen Diaspora, sondern plötzlich an der Verbindung zweier prosperierender Wirtschaftsräume Europas liegt.
Hamburg und Kopenhagen, so die Hoffnung, werden erheblich davon profitieren, wenn sich die Fahrtzeit zwischen beiden Großräumen auf unter drei Stunden mit Bahn oder Auto verkürzt, die Warenströme mit Lastwagen oder Güterzügen ebenfalls deutlich besser fließen als jetzt, wo immer noch Fähren den Transport über die Ostsee ausbremsen.
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Sorge vor Verkehrschaos auf deutscher Seite
In Lolland - auf halber Strecke zwischen beiden Städten - erhofft man sich also, eine große Scheibe vom Kuchen wirtschaftlicher Entwicklung abschneiden zu können.
Diesen Optimismus teilt man auf deutscher Seite nicht so ganz, um es vorsichtig auszudrücken: Die Sorge ist groß, dass der Tunnel zwar die Fahrtzeit über die Ostsee minimiert - doch dass auf der Insel ein gigantisches Verkehrschaos ausbricht, weil der Verkehr nicht ordentlich ans deutsche Festland fließen kann.
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Einen eigenen, etwa zwei Kilometer langen Tunnel will man als "Abfluss" durch den morastigen Grund des Fehmarnsunds verlegen, 2026 soll es losgehen - binnen drei Jahren müsste er fertig werden, um den oben beschriebenen Verkehrsinfarkt abzuwenden.
Deutsche Bahn arbeitet an Plan B
Es ist mehr als boshaftes Unken, wenn der Schleswig-Holsteiner Verkehrsminister Claus Ruhe Madsen (CDU) mehr Tempo beim Bau dieses kleinen aber wichtigen Tunnelabschnitts anmahnt. Eine Verzögerung könne zu jährlichen Mehrkosten in dreistelliger Millionen-Euro-Höhe führen. Aufgeschreckt hatten den Kieler Minister Warnrufe eines deutsch-dänisch-schwedischen Wirtschaftsforums, das die Fertigstellung des kurzen Tunnels für nicht gesichert hält.
Im Notfall gibt es ja immer noch die alte Brücke über den Fehmarnsund, im Volksmund "Kleiderbügel" genannt. Die ist zwar großen Verkehrsmassen nicht gewachsen - aber immerhin plant die Deutsche Bahn schon an einem Plan B: Sollte der Tunnel nicht fertig werden, könne man die Brücke so umbauen, dass auch moderne Elektroloks darüber fahren können - wenn auch deutlich langsamer als durch den Tunnel.
Dann würde es erstmal bei einer langen Reise von Hamburg nach Kopenhagen bleiben. Aber daran mag Dänemark und sein König Frederik bei der Taufe des ersten Tunnelelements heute sicher nicht denken.
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