Fachkräftemangel in Deutschland: Pflegekräfte aus Marokko

    Fachkräftemangel in Deutschland:Pflegende aus Marokko: Job fernab der Heimat

    Luis Jachmann
    von Luis Jachmann
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    Deutsche Krankenhäuser und Pflegedienste suchen händeringend nach Personal, etwa in Marokko. Dort finden sie motivierte Fachkräfte. Aber nicht allen ist geholfen.

    14.02.2023, Baden-Württemberg, Stuttgart: Ein Pfleger legt in einem Krankenzimmer im Klinikum Stuttgart bei einem Patienten ein Messgerät an.
    Ihre Ausbildung zur Pflegefachkraft hat Farah Mouknnaa in Marokko gemacht, arbeiten wird sie künftig in einem Pflegeheim in Deutschland. Fachkräfte fehlen aber in beiden Ländern.20.02.2024 | 2:36 min
    Die Eltern von Farah Mouknnaa haben viel Geld in die Hand genommen. Umgerechnet über 5.000 Euro sind in die Ausbildung ihrer jüngsten Tochter geflossen. Drei Jahre lang hat sich die 22-jährige Marokkanerin zur Krankenpflegerin ausbilden lassen, an einer privaten Eliteschule.
    Jetzt wartet sie auf ihren Berufseinstieg - 3.000 Kilometer Luftlinie fernab der Heimat. Ein Schritt, den viele junge Menschen in Marokko gehen.

    Fachkräfte aus Marokko überweisen Milliarden in ihre Heimat

    "Ich habe mich entschieden, in Deutschland zu arbeiten. Dort ist das Gehalt hoch", sagt sie. Ein Pflegeheim in Rheinberg bei Duisburg bietet ihr eine Stelle an. Ihr Vater ermutigt sie zu diesem Schritt. Er selbst hat als Polizist in Marokko gut verdient, ist jetzt in Rente. Seine älteste Tochter arbeitet bereits im Ausland - als Hotelfachfrau im Wüstenstaat Katar.
    "Es ist hart für uns, dass Farah jetzt auch geht. Aber wir möchten, dass sie ihre Träume verwirklicht", sagt Abdelmoula Mouknnaa. So kann die Tochter finanziell die eigene Familie unterstützen. Insgesamt über 10 Milliarden Euro überweisen im Ausland lebende Marokkanerinnen und Marokkaner jedes Jahr in die Heimat, schätzen marokkanische Behörden.
    Eine Beschäftigte des Klinikums Kassel hält ein Plakat mit der Aufschrift ·Pflegekräfte gesucht· in der Hand.
    Auch in den kommenden Jahren bleibt der Pflegemangel ein großes Problem. Das Klinikum in Magdeburg zeigt wie man neue Pflegekräfte aktiv anwerben kann.27.01.2024 | 1:33 min

    Arbeitgeber in Deutschland zahlen Ausbildungskosten

    Für ihr großes Ziel büffelt Farah Mouknnaa an einer privaten Sprachschule. Zahlen muss sie den einjährigen Deutschkurs in Marrakesch nicht. Die Kosten übernimmt das Pflegeheim bei Duisburg. Eine Win-win-Situation für die angehende Altenpflegerin und ihren künftigen Arbeitgeber am Rhein.
    Und auch die Sprachschule in Marrakesch profitiert. Sie vermittelt die Stellen zwischen deutschen Arbeitgebern und marokkanischen Arbeitskräften: "Wir bekommen Stellenangebote und gehen dann in die Ausbildungsstätten hier und machen Werbung: Wenn ihr Lust habt, Deutsch zu lernen, könnt ihr als Krankenpfleger in Deutschland arbeiten", berichtet Gracila Ucag, die Direktorin der Sprachschule.
    Auf dem Bild ist in Chemnitz ein fremdenfeindlicher Protest zu sehen.
    Betriebe aus Sachsen versuchen die Lücken in den Belegschaften mit Kräften aus dem Ausland auszugleichen. Fremdenfeindliche Parteien sorgen allerdings für ein schlechtes Image des Bundeslandes. Das schreckt ausländische Fachkräfte ab.21.04.2023 | 2:00 min

    Gesundheitswesen in Deutschland braucht Personal

    Das deutsche Gesundheitswesen ist auf Zuwanderung angewiesen. Der demografische Wandel reißt riesige Lücken. Das deutsche Wirtschaftsministerium erwartet für das Jahr 2030 branchenübergreifend rund 4 Millionen weniger Erwerbstätige als heute.
    Der Ökonom Marcel Fratzscher fordert: "Es geht darum, einheimische Potenziale zu nutzen, aber Deutschland braucht auch Zuwanderung. Nordafrika ist eine Region, aus der viele Menschen nach Deutschland, nach Europa kommen wollen. Auch hier gilt es, die Zuwanderung zu lenken, so gut es geht". Speziell in Marokko finden sich viele junge Fachkräfte, die Deutschland weiterhelfen, unter anderem weil das Qualifikationsniveau in Marokko im afrikanischen Vergleich gut ist.
    Frauen bei der Ausbildung zum Pflegepersonal in Marokko
    Eine private Krankenpflegeschule bildet in Marokko Krankenpflegepersonal aus.

    Expertin warnt vor unseriösen Angeboten

    Private Vermittler werben mit verlockenden Angeboten, preiswerte Vorbereitungskurse, unterschriftsreife Arbeitsverträge und Hilfe beim Visum. Alles für einen Pauschalpreis. Dr. Susann Baumgart, Direktorin des Goethe-Instituts in Rabat, aber warnt: "Es gibt eine große Anzahl von unseriösen Anbietern, die hier auf dem Markt versuchen, Gesamtpakete zu verkaufen", sagt sie.

    Ich würde mir wünschen, dass viele junge Leute nicht den schnellen, sondern den seriösen Weg gehen.

    Dr. Susann Baumgart, Goethe-Institut in Rabat

    Am Goethe-Institut träumen viele Kursteilnehmende von einem Studium in Deutschland. Aber die Zahl derer, die am Ende lieber eine Ausbildung machen wollen, wachse, so die Direktorin. Denn die Bundesregierung versucht genau diese Gruppe anzuwerben, etwa mit dem erneuerten Fachkräfteeinwanderungsgesetz.

    Wirtschaftswachstum in Marokko leidet

    Nicht ohne Folgen für die Heimat der Fachkräfte: Marokkos Wirtschaftswachstum und Innovationskraft stehen auf dem Spiel. "Länder wie Marokko gehen als Verlierer hervor. Denn sie verlieren gut ausgebildete Menschen und so verliert das Land Chancen sich zu entwickeln", mahnt Mehdi Lahlou vom Nationalen Institut für Statistik und angewandte Wirtschaft in Rabat.
    Farah Mouknnaa verschwendet keinen Gedanken an die ferne Zukunft des Staates: "Gerade konzentriere ich mich nur darauf, mein Ziel zu erreichen". Ihr Ziel heißt: Fuß fassen in Deutschland. Wie lange sie schließlich bleibt, lässt sie offen. Nicht wenige ihrer Landsleute kehren nach Marokko zurück - und schließen dann Personallücken im eigenen Land.
    Marokko: Die Mittelschicht wandert ab
    Deutschland braucht die Zuwanderung von Fachkräften, um die Sozialsysteme am Laufen zu halten.21.02.2024 | 2:15 min

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