Krawalle in Großbritannien: "Hinter Rowdys stehen Neonazis"
Interview
Krawalle in Großbritannien:Experte: "Hinter den Rowdys stehen Neonazis"
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Eine Welle rechtsextremer Gewalt erschüttert Großbritannien. Bei ZDFheute live sieht Politologe Glees "hinter den Rowdys Faschisten, Neonazis - und Hintermänner, auch im Ausland".
Die Krawalle sind ein Symptom oder eine Erscheinung einer tieferen Krankheit der Gesellschaft, sagt Politikwissenschaftler Prof. Anthony Glees.07.08.2024 | 18:00 min
Der Verdächtige war fälschlicherweise als Einwanderer und Muslim bezeichnet worden. Angegriffen wurden daraufhin auch Moscheen und Hotels, in denen Asylbewerber untergebracht sind. Landesweit wurden bisher mehr als 400 Menschen festgenommen. Auch in den kommenden Tagen werden gewalttätige Ausschreitungen erwartet.
Der britische Politologe und Historiker Anthony Glees von der University of Buckingham ordnet im Interview mit ZDFheute live die Geschehnisse ein und erklärt die Hintergründe.
Sehen Sie das Interview mit Anthony Glees oben im Video oder lesen Sie hier Auszüge:
Das sagt Anthony Glees zu ...
... den aktuellen Ausschreitungen:
"Es überrascht mich nicht, weil es in Großbritannien seit 2016, also seit der Zeit des Brexit-Referendums, eine große Gruppe gibt, die radikal und auf Revolte aus sind. Und das haben wir in den Wahlen im Juli gesehen. 4,1 Millionen haben für Reform UK gestimmt, das ist die Partei von Nigel Farage. Farage hat gesagt, diese Wahl ist die Immigrationswahl. Er hat drei Sitze bekommen. Die Leute, die für ihn gestimmt haben, sind der Meinung, dass man sie verraten hat."
...den Menschen, die auf die Straße gehen:
"Die Bilder beweisen, dass viele junge Rowdys da sind. Das ist für sich schon ein Problem, dass diese Leute zu diesen fürchterlichen Maßnahmen sich gezwungen fühlen. Aber hinter diesen Rowdys stehen Faschisten, Neonazis. (...) Und hinter diesen Neonazis, der englische Verteidigungsliga, der EDL, stehen Hintermänner. Und die sind auch im Ausland, zum Beispiel Tommy Robinson. Sogar Elon Musk in den Vereinigten Staaten hat sich eingemischt. Was sein Interesse ist, ist natürlich auch sehr fragwürdig."
.... den Falschinformationen im Fall Southport:
Nigel Farage, so Glees, habe sehr viel getan, um die Leute aufzustacheln. "In den letzten Tagen hat er zwar ein bisschen zurückgerudert, aber im Grunde genommen kommt er zurück auf die Immigrationsfrage, dass ein Immigrant oder der Sohn eines Immigranten drei schöne, tanzende junge Mädchen umgebracht hat mit einem Messer. Und man muss natürlich sagen, jeder in Großbritannien ist empört. Diese Empörung ist nicht allein Sache der Rechtsradikalen. Die Empörung ist eine nationale Empörung vom König bis zum gewöhnlichen Bürger."
Seit Tagen gibt es in Großbritannien gewaltsame Ausschreitungen - nachdem drei Mädchen in Southport erstochen wurden - befeuert durch Falschmeldungen in sozialen Medien zum Täter.02.08.2024 | 1:58 min
Aber der Vorfall sei ausgenutzt, ausgepresst worden. Es sei eine Tatsache, dass "irgendwie der angebliche Attentäter aus einem Immigrantenmilieu" stamme. Und das sei genug für Rechtsradikale. "Aber, dass das alles geschehen kann in Großbritannien – das ist eigentlich das letzte Land in der Welt, wo man solche Sachen sehen würde – deutet darauf hin, dass es tiefere Gründe gibt. Und das, was wir sehen, ist ein Symptom einer viel tieferen tückischen Krankheit für Großbritannien als Ganzes."
... der Spaltung der Gesellschaft:
"Die Meinungsumfragen beweisen es. 78 Prozent wollen diese Proteste nicht sehen. Es sind nur sieben Prozent der Wähler in Großbritannien, die irgendeine Sympathie für diese Krawalle haben".
... der möglichen Deeskalation in der Gesellschaft:
Im Fall Southport müsse, Glees, das Gericht urteilen. Danach werde "die Zeit einer viel tieferen Analyse" kommen. Nicht nur über die Folgen des Brexit, nicht nur über die wirtschaftlichen und politischen Folgen, nicht nur über die weiße Arbeiterklasse, die sich immer mehr heimatlos in Großbritannien findet, sondern auch über die Multikulti-Aufstellung, die in Großbritannien gebaut worden sei.
Die britische Polizei befürchtet einen "Big Day" der massiven Ausschreitungen im ganzen Land. Über 100 rechtsextreme Ansammlungen werden erwartet. ZDFheute live ordnet ein.07.08.2024 | 30:40 min
Die Regierung müsse Lösungen zur Immigrationspolitik vorlegen. Die Ruanda-Politik von Ex-Premier Rishi Sunak sei "irrsinnig" und "sehr teuer". Die neue britische Regierung brauche die Hilfe der europäischen Freunde, besonders natürlich die von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron.
Wenn es diese Boote nicht mehr gibt, wenn es diese illegale Immigration nicht mehr gibt, dann wird der Wind aus den Segeln der Faschisten genommen werden.
„
Anthony Glees
Der neue Regierungschef Keir Starmer müsse sehen, wie er "ein bisschen stärker durchschlagen kann" und mit einer Politik ankommen kann, die die Leute zur Ruhe bringe. "Es wird Jahre dauern. Das, was wir sehen, wird Jahre dauern, bis es wieder besser wird. Aber es kann wieder besser werden. Es ist nicht das Ende des Vereinigten Königreichs. Aber der Anfang einer neuen, besseren Zeit, das ist es auch nicht."
Das Interview führte ZDFheute live-Moderator Marc Burgemeister.
Als Reaktion auf die massiven Ausschreitungen der letzten Tage hat die britische Regierung ein hartes Durchgreifen gegen die Randalierer angekündigt. Bereits jetzt wurden mehr als 200 Personen festgenommen.06.08.2024 | 2:03 min
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