Europa: So verschieden sind die Ausgaben für Verteidigung
Ausgaben für Verteidigung:Warum EU-Staaten unterschiedlich investieren
von Johannes Lieber, Brüssel
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Nach Außen gibt sich Europa geschlossen. Bis zu 800 Milliarden Euro sollen in die Verteidigung investiert werden. Doch in einigen Staaten regt sich Widerstand.
Die Staaten in Europa sind sich einig - sie wollen Aufrüsten. Doch bei der Höhe der Ausgaben für Verteidigung sind sie sich uneinig - ein Überblick. (Symbolbild)
Quelle: action press
Ein internationales Gipfeltreffen folgt aktuell auf das nächste. Fast immer Thema: die Verteidigung. Die nach Außen beschworene europäische Einigkeit bekommt schnell Risse, wenn es ums Geld geht. Einige Staaten sind bereit deutlich mehr zu investieren als andere.
Der spanische Premier Pedro Sanchez bezeichnete die EU auf dem letzten Gipfel in Brüssel beispielsweise als "Soft Power", während andere Staats- und Regierungschefs von Wiederbewaffnung und höheren Rüstungsbudgets sprachen. Dem Begriff "Aufrüstung" stehe er kritisch gegenüber.
So viel geben die europäischen Staaten für Verteidigung aus
ZDFheute Infografik
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Im europäischen Vergleich investiert Spanien relativ wenig in die eigene Verteidigung. 1,28 Prozent des Bruttoinlandsprodukts waren es im vergangenen Jahr. Deutlich weniger als die zwei Prozent, die die Nato als Ziel vorsieht. Auch Italien (1,49 Prozent) und Portugal (1,55 Prozent) lagen deutlich darunter.
Die EU-Staaten wollen alles daransetzen, Europas Verteidigungsbereitschaft in den nächsten fünf Jahren entscheidend zu stärken. Darauf haben sich Kanzler Scholz und die anderen Staats- und Regierungschefs der EU-Staaten beim Gipfeltreffen in Brüssel geeinigt.21.03.2025 | 2:01 min
Die Mehrheit der spanischen Bevölkerung sei allerdings für höhere Verteidigungsausgaben, sagt Félix Arteaga von der spanischen Denkfabrik Real Instituto Elcano. Besonders nach dem russischen Angriff auf die Ukraine.
"Mächtige Minderheit" gegen Aufrüstung in Spanien
Das "Problem" für die linke Regierung um Premier Sanchez sei vielmehr die "eigene Wählerschaft", die höheren Rüstungsausgaben kritisch gegenüberstehe. Eine Minderheit zwar, aber "eine mächtige Minderheit", so Arteaga. Nach dem spanischen Bürgerkrieg und der Militärdiktatur gebe es eine starke pazifistische Bewegung.
"Sicherheit muss man durch militärische Mittel garantieren", so Luxemburgs Premierminister Luc Frieden.20.03.2025 | 5:24 min
Laut Arteaga haben alle spanischen Regierungen der letzten Jahre die Verteidigung massiv vernachlässigt: "Die Parteien hatten realisiert, dass sie mit Verteidigung mehr verlieren als gewinnen können." Dennoch soll das Verteidigungsbudget Spaniens bis 2029 auf zwei Prozent des BIP angehoben werden, um den Verbündeten zu zeigen, dass man sich auf Spanien verlassen könne.
... ist der Gesamtwert aller Waren und Dienstleistungen, die während eines Jahres in einem Land produziert werden. Vergangenes Jahr lag das BIP in Deutschland laut Statistischem Bundesamt bei rund 4,3 Billionen Euro.
Konsens über Aufrüstung in Polen
Ganz anders die Situation in vielen osteuropäischen Staaten. Während die baltischen Staaten jeweils rund drei Prozent ihres BIP in Rüstung investieren, sind es in Polen sogar 4,12 Prozent. Der höchste Wert aller Nato-Staaten.
Anders als in Südeuropa gebe es in der polnischen Gesellschaft so gut wie keine Diskussion darüber, mehr in die Verteidigung zu investieren, so Milan Nič, Osteuropa-Experte bei der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik gegenüber ZDFheute. Mehr noch: Wer sich gegen Aufrüstung ausspricht, gelte als "unpatriotisch".
Höhere Verteidigungsausgaben schaffen Wirtschaftswachstum, sagen verschiedene Studien. Davon profitieren Rüstungskonzerne, aber auch andere Branchen wie etwa die Metallindustrie.21.02.2025 | 1:38 min
Polen sehen sich als "Trendsetter"
Bereits Anfang des Jahres habe Polen Partner in Europa gesucht, die willig seien sich selbst zu verteidigen, berichtet Nič. Bevor die Rufe nach Aufrüstung aus Brüssel laut wurden.
Die Polen sind stolz darauf, Trendsetter zu sein.
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Milan Nič, Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik
Österreich setzt auf Diplomatie
In der europäischen Verteidigungspolitik nimmt Österreich eine Sonderrolle ein. Nicht nur, weil das Land kein Nato-Mitglied ist, auch die Rüstungsausgaben der Alpenrepublik gehören zu den geringsten in ganz Europa. Das sei tief in der "politischen DNA" des Landes verankert, sagt Christoph Schwarz vom Austria Institut für Europa und Sicherheitspolitik ZDFheute.
Außenminister Marco Rubio bekräftigte jüngst das Bekenntnis der USA zur Nato. Dazu Stefanie Babst, ehem. Stellv. Nato-Generalsekretärin.04.04.2025 | 5:59 min
Laut einer Studie der Universität Innsbruck halten 80 Prozent der Österreicher die Neutralität des Landes für "identitätsstiftend". Statt Aufrüstung stellte man "Diplomatie und internationale Vermittlung" vorne an. "Bundesheer ja, aber bitte billig", so laut Schwarz das Kredo.
Österreicher befürworten weiter Neutralität
Ein Beitritt zur Nato werde in Österreich kaum diskutiert - anders als in Finnland oder Schweden, die diesen Schritt nach dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine bereits gegangen sind. Vielmehr verfestige sich die Befürwortung der Neutralität in der Gesellschaft weiter, so Schwarz.
Angesichts der sich drastisch verändernden Umstände wäre es dringlich geboten, über die zeitgemäße Ausgestaltung der Neutralität zu diskutieren.
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Christoph Schwarz, Austria Institut für Europa und Sicherheitspolitik
Laut Schwarz sei in Österreich aber ein "stärkeres Bewusstsein" dafür entstanden, mehr in die eigene Verteidigung zu investieren. Das Rüstungsbudget soll deshalb auf 1,5 Prozent des BIP anwachsen. Eine knappe Verdopplung des aktuellen Werts.
Einigkeit scheint es beim Ziel also zu geben: Europas Staaten wollen aufrüsten. In der Geschwindigkeit gibt es allerdings erhebliche Unterschiede.
Quelle: dpa
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