Neuer EU-Ratspräsident: Das sind die Ziele von Donald Tusk

    Interview

    Polens EU-Ratspräsidentschaft:Hat Tusk die Lösung gegen Europas Populisten?

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    Tusk löste in Polen die Rechtspopulisten der PiS ab, beendete den Konfrontationskurs mit Brüssel. Nun übernimmt Polen von Ungarn die EU-Ratspräsidentschaft. Was sind Tusks Pläne?

    Der polnische Ministerpräsident Donald Tusk spricht mit der Presse.
    Der polnische Ministerpräsident Donald Tusk übernimmt das Amt des EU-Ratspräsidenten.
    Quelle: AFP

    ZDFheute: Was ist das Hauptziel der polnischen Ratspräsidentschaft?
    Piotr Buras: Ich glaube, die zu erwartenden Krisen werden auch die polnische EU-Präsidentschaft bestimmen und prägen. Vor allem die Präsidentschaft von Donald Trump und die Herausforderungen, die damit verbunden sind - in der Ukraine und die Zukunft der transatlantischen Zusammenarbeit insgesamt. Und vor diesem Hintergrund glaube ich, dass das wichtigste Ziel der polnischen Präsidentschaft sein wird: die Stärkung der europäischen Verteidigung und die Sicherung von ausreichenden Finanzen für die europäische Verteidigung auszuweiten.
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    ZDFheute: Wo sehen Sie die Hauptkonfliktpunkte, die auf Polen bei dieser Ratspräsidentschaft zukommen?
    Buras: Ein wichtiges Politikfeld, auf dem polnische Interessen und die Zielsetzung der europäischen Institutionen auseinanderklaffen, ist Klima- und Energiepolitik. Hier wird man ein bisschen auf die Bremse treten bei einigen Vorhaben. Zum Beispiel die Einführung des Emissionshandelssystems in den Bereichen des Wohnungsbaus und Transports. Man wird auch versuchen, im Bereich der Automobilindustrie diese grüne Transformation ein bisschen zu verschieben.

    Politologe Piotr Buras schaut in die Kamera.
    Quelle: seesaw-foto.com

    leitet das Warschauer Büro des Think Tank "European Council of Foreign Relations" (ECFR). Er ist Experte für die deutsche Außen- und EU-Politik, Polen in der EU und EU-Politik.

    ZDFheute: Tusk ist bei Thema Migration vorgeprescht, er will das Asylrecht aussetzen. Übernimmt er die PiS-Narration?
    Buras: Ich glaube, das ist ein Drahtseilakt von Tusk. Er versucht, die Populisten zu marginalisieren, sie nicht mehr an die Macht kommen zu lassen. Und dabei bedient er sich auch einer teilweise Populisten-Rhetorik in der Frage der Migration, teilweise auch in der Klimapolitik.
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    Aber es gibt fundamentale Unterschiede zwischen Tusk und Kaczynski, zwischen den Populisten und Liberalen in Polen. Tusk ist tatsächlich ein genuiner Verfechter der europäischen Integration. Er will Europa stärken. Er ist sich aber natürlich der Gemütslage in Europa bewusst und versucht, einen Mittelweg zu finden zwischen höheren Visionen der europäischen Integration und dem, was er "Dystopie" nennt, das heißt dem Programm von Orban oder Kaczynski, die eigentlich darauf hinarbeiten, Europa zu zerstören.
    ZDFheute: Wird es für die Sicherung der Ostgrenze EU-Gelder geben?
    Buras: Tusk will tatsächlich erreichen, dass wichtige nationale Verteidigungsausgaben, wie das polnische Ostschild, auch aus EU-Geldern mitfinanziert werden. Dagegen gibt es auch Gegenwind, zum Beispiel aus Deutschland. Ich glaube aber, dass das langfristig notwendig ist, dass solche Ausgaben tatsächlich auf der europäischen Ebene Unterstützung finden.
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    ZDFheute: Was bedeutet die aktuelle politische Situation in Deutschland und in Frankreich für die polnische Präsidentschaft?
    Buras: Deutschland ist momentan in einer Übergangsphase mit einer nicht vollwertigen Regierung. Frankreich steckt auch in einer tiefen politischen Krise. Meine Befürchtung ist, dass die Europäische Union als solche nicht voll entscheidungsfähig sein wird in den kommenden sechs Monaten, weil sich auch Paris und Berlin vor wichtigen Entscheidungen drücken werden oder einfach nicht im imstande sein werden, sie zu treffen. Also insofern kann Polen Deutschland und Frankreich nicht ersetzen.
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    ZDFheute: Der Gesprächsfaden von Viktor Orban und Jaroslaw Kaczynski, den es immer gab - ist er abgerissen?
    Buras: Das ist total abgerissen. Was interessant ist, dass Tusk und Orban heute zwei Politiker in Europa sind, die total gegensätzliche Positionen vertreten und vielleicht am besten diese Dilemmata Europas symbolisieren. Tusk steht für einen harten Russlandkurs, für eine Unterstützung der Ukraine, für Demokratie, für Europas Einheit und Solidarität in der Europäischen Union. Orban steht genau für das Gegenteil. Die wichtigste Kluft in Europa, die politische Kluft, verläuft heute zwischen Budapest und Warschau.
    Das Interview führten Natalie Steger und Roman Krysztofiak aus dem ZDF-Studio Warschau.

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    Lara Wiedeking, Brüssel
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