EU-Kommission startet Defizitverfahren gegen sieben Länder

    Haushaltslöcher bei Mitgliedern:EU-Kommission startet Defizitverfahren

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    Wegen zu großer Haushaltslöcher leitet die Europäische Kommission Defizitverfahren gegen Frankreich und Italien ein. Fünf weitere Länder sind ebenfalls betroffen.

    Archiv: Europaflaggen vor der Europäischen Kommission in Brüssel am 15.05.2015
    Die EU hat Defizitverfahren gegen sieben EU-Staaten eingeleitet. Die ZDF-Korrespondenten Florian Neuhann und Thomas Walde erklären, was das bedeutet.19.06.2024 | 2:07 min
    Die Europäische Kommission leitet gegen Frankreich, Italien und fünf weitere EU-Länder ein Strafverfahren wegen zu hoher Neuverschuldung ein. Die sieben Länder wiesen ein übermäßiges Defizit auf, teilte die für die Einhaltung von EU-Schuldenregeln zuständige Brüsseler Behörde am Mittwoch mit.
    Neben Frankreich und Italien sind auch Belgien, Ungarn, Malta, Polen und die Slowakei betroffen, gegen Rumänien ist bereits ein Verfahren anhängig. Deutschland steht in diesem Jahr mit einer erwarteten Defizitquote von 1,6 Prozent kein Ärger mit Brüssel ins Haus.
    EU-Schuldenreform: "Etwas flexiblere Regeln"
    Raum für Investitionen und Rücksicht auf verschuldete Staaten: Die EU habe Lehren aus der letzten Schuldenkrise gezogen und im Dezember 2023 ihre Regeln angepasst, sagt ZDF-Korrespondent Gunnar Krüger in Brüssel.21.12.2023 | 1:39 min

    Frankreich drohen herbe Einschnitte und soziale Spannungen

    Für Frankreichs Regierung kommt das Defizitverfahren zur Unzeit, ordnet Thomas Walde, Leiter des ZDF-Studios Paris ein. Das Lager von Präsident Macron stehe nach der Auflösung des Parlaments mitten im Wahlkampf. Es wolle sich als finanzpolitisch verantwortliche Kraft darstellen. "Ein Problem ist, dass innenpolitischer Friede in Frankreich häufig durch umfangreiche Sozialprogramme erkauft wird", sagt Walde.

    Die Oppositionsparteien von links und rechts treten sogar an mit dem Versprechen, die umstrittene Rentenreform zurückzunehmen.

    Thomas Walde, ZDF-Korrespondent Paris

    Das könnte das Defizit weiter erhöhen, so Walde. Wegen solcher Ankündigungen und der großen Unsicherheit über den Wahlausgang müsse Frankreich an den Finanzmärkten bereits jetzt einen höheren Zinssatz bezahlen, wenn es sich Geld leiht. "Egal, wer demnächst Frankreich regiert - dem Land drohen wegen des Defizitverfahrens herbe Einschnitte und soziale Spannungen", befürchtet Walde.

    Defizitverfahren sollen Euro-Stabilität sichern

    Die Defizitverfahren waren wegen der Corona-Krise sowie der Folgen des russischen Angriffs auf die Ukraine zuletzt ausgesetzt. Wird ein Strafverfahren eingeleitet, muss ein Land Gegenmaßnahmen einleiten, um Verschuldung und Defizit zu senken. Damit soll vor allem die Stabilität der Eurozone gesichert werden.
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    Importe aus China schaden der europäischen Autobranche, sagt die EU-Kommission - und will chinesische E-Autos mit Strafzöllen belegen. Es sei denn, China bewegt sich noch. 12.06.2024 | 2:46 min
    Ziel des Defizitverfahrens ist es, Staaten zu solider Haushaltsführung zu bringen. Theoretisch sind bei anhaltenden Verstößen auch Strafen in Milliardenhöhe möglich. In der Praxis wurden diese aber noch nie verhängt.
    Die EU-Kommission beaufsichtigt, ob die EU-Länder die Regeln für Haushaltsdefizite und Staatsschulden einhalten. Das Regelwerk erlaubt eine Neuverschuldung von höchstens drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP). Nach Angaben der Behörde haben zuletzt zwölf EU-Staaten die Obergrenze für dieses Defizit im vergangenen Jahr nicht eingehalten oder werden diese laut Prognose in diesem Jahr übertreten.

    Verschiedene Faktoren für EU-Verfahren

    Dass nur gegen sieben Länder neue Verfahren eingeleitet wurden, liegt daran, dass die Kommission verschiedene Faktoren berücksichtigt. Dazu gehört etwa, ob das Übertreten der Defizitgrenze nur sehr gering ist, aufgrund besonderer wirtschaftlicher Umstände als außergewöhnlich gilt oder auch ob mehr Investitionen in Verteidigung getätigt wurden.
    Brüssel-Korrespondentin Isabelle Schafers während der Xpress-Schalte.
    EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen wird wohl für eine zweite Amtszeit vorgeschlagen. Um den Posten des Ratspräsidenten werde noch diskutiert, so Isabelle Schaefers in Brüssel.18.06.2024 | 1:40 min
    Nächster Schritt im Verfahren sind nun Stellungnahmen des Wirtschafts- und Finanzausschusses, die innerhalb von zwei Wochen erfolgen müssen. Danach will die Kommission Stellungnahmen abgeben, um das Bestehen eines übermäßigen Defizits in den betreffenden Ländern zu bestätigen. Dann wird die Kommission im Juli den EU-Finanzministern vorschlagen, Empfehlungen zur Defizitreduzierung für die betroffenen Länder auszusprechen.

    Schuldenstand darf 60 Prozent der Wirtschaftsleistung nicht übersteigen

    Das Regelwerk für Staatsschulden und Defizite, das auch Stabilitäts- und Wachstumspakt genannt wird, wurde jüngst nach jahrelanger Debatte reformiert.
    Grundsätzlich gilt aber weiterhin, dass der Schuldenstand eines Mitgliedstaates 60 Prozent der Wirtschaftsleistung nicht überschreiten darf. Gleichzeitig muss das gesamtstaatliche Finanzierungsdefizit - also die vor allem durch Kredite zu deckende Differenz zwischen den Einnahmen und Ausgaben des öffentlichen Haushalts - unter drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) gehalten werden.
    Quelle: dpa, Reuters

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