Draghi fordert EU zu "massiven" Investitionen auf

    Ex-EZB-Chef legt Bericht vor:Draghi: EU braucht "massive" Investitionen

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    Der frühere EZB-Präsident Mario Draghi fordert von der EU Investitionen historischen Ausmaßes. Er plädiert dabei für Gemeinschaftsschulden. Finanzminister Lindner lehnt das ab.

    Draghi stellt Bericht über Europas Wettbewerbsfähigkeit vor
    Die EU droht den Anschluss an China und die USA zu verlieren. Der ehemalige EZB-Chef Draghi stellt in seinem Bericht Maßnahmen vor, um die Wettbewerbsfähigkeit der EU zu stärken.09.09.2024 | 2:58 min
    Der frühere italienische Regierungschef und Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB), Mario Draghi, fordert von der EU Reformschritte in historischem Ausmaß, um wirtschaftlich mit Wettbewerbern wie den USA und China Schritt halten zu können. Er forderte "massive" Investitionen in Wirtschaft, Verteidigung und Klimaschutz.
    Nötig seien "zusätzlich jährliche Mindestinvestitionen von 750 bis 800 Milliarden Euro", schrieb Draghi in einem Strategiebericht zur EU-Wettbewerbsfähigkeit.

    Draghi sieht EU vor einer "existenziellen Herausforderung"

    Der frühere EZB-Präsident empfahl dafür die Aufnahme neuer Gemeinschaftsschulden wie zuletzt in der Corona-Pandemie. Er plädierte in seinem Bericht zu einer "neuen Industriestrategie" für die Ausgabe neuer "gemeinsamer Schuldtitel (...) zur Finanzierung gemeinsamer Investitionsprojekte, die die Wettbewerbsfähigkeit und Sicherheit der EU erhöhen".
    Angesichts der Konkurrenz aus den USA und China warnte Draghi die Europäer vor einer "existenziellen Herausforderung". Ohne höhere Produktivität könne Europa nicht "führend bei neuen Technologien, Leuchtturm der Klimaverantwortung und unabhängiger Akteur auf der Weltbühne" sein. Auch das europäische Sozialmodell sei dann nicht mehr finanzierbar, schrieb der Italiener.
    ZDF-Börsenexperte Frank Bethmann an der Frankfurter Börse
    Ex-EZB-Chef Mario Draghi hat der EU wirtschaftliche Reformschritte in historischem Ausmaß empfohlen. Welche Schritte das sind, erklärt ZDF-Börsenexperte Frank Bethmann.09.09.2024 | 1:06 min

    Investitionsinitiative erinnert an Marshallplan

    Draghi stellte seine Studie gemeinsam mit EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen vor, die den Bericht in Auftrag gegeben hatte. Der Italiener beziffert die nötigen Zusatz-Investitionen in die europäische Wirtschaft darin auf 4,4 bis 4,7 Prozent des europäischen Bruttoinlandsprodukts (BIP) von 2023. Das sei mehr als das Doppelte der Hilfen aus dem Marshallplan nach dem Zweiten Weltkrieg.
    Auch von der Leyen nannte Instrumente zur Gemeinschaftsfinanzierung wichtig. Möglich seien aber auch sogenannte Eigenmittel, zu denen Einfuhrzölle und die EU-Plastikabgabe zählen, sagte die Kommissionspräsidentin auf die Frage, wie sie den Widerstand der Bundesregierung gegen neue Gemeinschaftsschulden überwinden wolle. Darüber müssten die Mitgliedsländer entscheiden.
    TOPSHOT-FRANCE-EU-PARLIAMENT
    Ursula von der Leyen wurde für weitere fünf Jahre mit deutlicher Mehrheit zur EU-Kommissionpräsidentin gewählt. Die FDP-Abgeordneten haben die Wiederwahl nicht unterstützt.18.07.2024 | 2:53 min
    In der Corona-Pandemie hatte die EU ein kreditfinanziertes Hilfspaket von 750 Milliarden Euro geschnürt. Länder wie Italien und Frankreich fordern seitdem ein neues Paket und berufen sich auf die gestiegenen Ausgaben für Verteidigung und Klimaschutz. Für Deutschland oder die Niederlande sind Gemeinschaftsschulden eine rote Linie.

    Lindner lehnt gemeinsame Schuldenaufnahme ab

    Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) reagierte skeptisch auf die Vorschläge Draghis.

    Mit einer gemeinsamen Schuldenaufnahme durch die EU lösen wir die strukturellen Probleme nicht.

    Christian Lindner, Bundesfinanzminister (FDP)

    "Mehr Staatsschulden kosten Zinsen, schaffen aber nicht zwingend mehr Wachstum", erklärte der FDP-Politiker. Vor allem dürfe die Verantwortung der EU-Mitglieder für die eigenen Staatsfinanzen nicht weiter verwischt werden: "Die Vergemeinschaftung von Risiken und Haftung schafft demokratische und fiskalische Probleme. Deutschland wird dem nicht zustimmen."
    Die EU müsse wirtschaftlich stärker werden, um im internationalen Vergleich bestehen zu können, erklärte Lindner. "Unser Problem ist aber kein Mangel an Subventionen, sondern die Fesselung durch Bürokratie und Planwirtschaft." Es gelte daran zu arbeiten, die Wachstumskräfte des privaten Sektors zu mobilisieren: "Alle Vorschläge von Herrn Draghi, die in diese Richtung weisen, begrüßen wir."

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    Quelle: ZDF

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    Quelle: Reuters, AFP

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