Wahl in Frankreich: Ergebnisse haben Folgen für die EU

    Analyse

    Frankreich schockt Brüssel:Der EU droht die Spaltung

    ZDF-Korrespondent Ulf Röller
    von Ulf Röller
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    Nationale Wahlen kommentiert man in Brüssel nicht. Aber die Verzweiflung wächst, dass Frankreich als verlässlicher Partner ausfällt. Alle, die pro-europäisch denken, besorgt das.

    Parteivorsitzender Jordan Bardella vom Rassemblement National
    Nach der ersten Runde der Parlamentswahlen in Frankreich liegt die extreme Rechte vorn. In der Stichwahl entscheidet sich nun, welche Partei den Premierminister stellen wird.01.07.2024 | 1:29 min
    Im Auge eines Hurrikans herrscht Windstille. Ganz ruhig ist es dort. Der Sturm wirbelt um einen herum, aber irgendwann reißt der Strudel einen fort. Europas Hauptstadt ist im Auge eines politischen Hurrikans. Alles steht auf dem Spiel, weil Frankreich droht, zu kippen. Denn Paris ist zu wichtig für Brüssel. Der sich abzeichnende Triumph der Rechtsnationalen vom Rassemblement National bei der Wahl der Nationalversammlung in Frankreich leitet eine Zeitenwende ein.
    Die pro-europäischen Vertreter Europas fürchten das. Brüssel gilt als eine Konsensfabrik. Bei allem Streit über Themen gibt es einen Grundkonsens: Die Lehren aus dem Zweiten Weltkrieg sind weniger Nationalismus und mehr Europa. Auch Emmanuel Macron steht dafür. Lange galt er als ein Anführer. Er hat sich - durch die von ihm vorgezogenen Neuwahlen - selbst aus dem Spiel genommen und damit Europa geschwächt.
    Wahlzettel in Frankreich
    Nach der ersten Wahlrunde in Frankreich liegt die rechte Partei von le Pen klar vorn. Das Mittelager von Präsident Macron kommt hinter dem Linksbündnis auf Platz drei.01.07.2024 | 0:29 min

    Emmanuel Macron könnte an Macht verlieren

    Schon seit Tagen diskutieren sie in den Hinterzimmern von Brüssel, welche Macht der französische Präsident noch hat, wenn die Rechten die Mehrheit im französischen Parlament tatsächlich bekämen und den Premierminister und zum Beispiel den Finanzminister stellen sollten. Das Fazit: Macron ist dann ein politischer Eunuch, beraubt seiner Macht.
    Klar bleibt er französischer Präsident, bestimmt über die Außenpolitik, aber über das Budget bestimmten die Rechtsnationalen. Macron wäre gefangen in permanenten innenpolitischen Kämpfen. Er würde wohl in Brüssel ausfallen.
    Meloni und Krah vor Europaflagge
    Europas Rechtspopulisten wollen die EU schwächen. Mit ihren Feindbildern gewinnen sie Unterstützer, aber sie sind auch zerstritten. Haben die Rechten einen Plan?31.05.2024 | 14:28 min

    Aufwind für Putin-Versteher in der EU

    Das wäre fatal. Gerade jetzt. Der russische Angriffskrieg verlangt eine klare, starke Antwort. Europa wirkt aber schutzlos, vor allem seit Donald Trump, der die Nato infrage stellt, wie ein Sieger in den USA wirkt. Eigentlich bräuchte es schnell eine europäische Verteidigungsindustrie. Aber mit einem geschwächten Macron wird das schwer. Auch die Hilfe für die Ukraine steht auf dem Spiel. Denn die Putin-Versteher in der EU bekämen durch einen Wahlsieg der Rechtsnationalen in Frankreich Aufwind.
    Frankreichs Krise kommt zu einem schrecklich ungünstigen Zeitpunkt. Vielleicht hat deshalb einer die EU-Regel, sich nicht zu nationalen Wahlergebnissen zu äußern, gebrochen und das französische Wahlergebnis doch kommentiert. Der polnische Regierungschef Donald Tusk warnt in den sozialen Medien vor dem Ansturm der Rechten. Gegen- und Zusammenhalten ist seine Forderung, sein Hilfeschrei für Europa. Der Konservative Tusk gilt als ein Hoffnungsträger in der EU, seit er bei der letzten Wahl die Rechtsnationalen in Polen besiegt hatte.
    09.06.2024, Rheinland-Pfalz, Schweich: Ein Mann wirft seine Stimzettel in die Wahlurne, um seine Stimmen abzugeben.
    Frankreich, Österreich, Ungarn: Die Rechtsaußen-Parteien liegen bei der Europawahl laut Prognosen in vielen Ländern vorn. Dennoch ist die Europäische Volkspartei stärkste Kraft.09.06.2024 | 2:25 min

    Geert Wilders gratuliert Marine Le Pen

    Einer hat gratuliert. Aber von der anderen Seite, von der Rechten. Der niederländische Nationalist und Islam-Hasser Geert Wilders. Er schickte Glückwünsche zur Wahlgewinnerin Marine Le Pen. Wilders und Le Pen verstehen sich gut. Und sie verfolgen ähnliche Ziele.
    Sie schüren Ängste gegen den Islam, wollen Migration drastisch senken und die EU runterstutzen. Wollen ein Europa als einen losen Bund von Nationalstaaten. "Make Nationalismus great again", so ihr Schlachtruf. Denn Brüssel ist an allem Schuld - so einfach, so falsch, so verführerisch. Diese Botschaft hallt aus vielen Hauptstädten: aus Wien, aus Rom, aus Budapest und und und. Nie waren die anti-europäischen Kräfte stärker und nie waren sie der Macht näher.

    "Europäische Patrioten"
    :Orbans "Trägerrakete"

    Sie versprechen sich einiges von ihrem geplanten Rechtsaußen-Bündnis im EU-Parlament - auch für sich: Viktor Orban, Herbert Kickl und Andrej Babiš. Aber noch fehlen Mitstreiter.
    Britta Hilpert, Wien
    Wollen Rechtsaußen-Fraktion gründen: Babiš, Kickl, Orban

    Putin, Xi und Trump könnten profitieren

    Die Wahlnacht in Frankreich muss alle besorgen, die an Europa glauben. Sie tragen heute Trauer in Brüssel und haben Panik. Die, die Europa ablehnen, die die Nation über alles stellen, die Rechtsnationalen - sie sind begeistert und schwenken ihre National-Fahne. Der russische Präsident Wladimir Putin, der chinesische Präsident Xi Jinping und der US-Expräsident Trump reiben sich die Hände. Ein schwaches, gespaltenes Europa kann sich nicht gegen sie wehren.
    Macron wollte einst Europa stärken. Nun hat er sein Land und die EU in eine tiefe Krise gestürzt. Der französische Präsident hat einen historischen Fehler gemacht. Das befürchten sie in Brüssel.
    Ulf Röller ist Leiter des ZDF-Studios in Brüssel.

    Wahlergebnis in Frankreich
    :Entsetzen in Berlin über Macrons Eigentor

    Dem wichtigsten EU-Partner droht eine politische Blockade - wenn nicht Schlimmeres. Dass all dies auch noch selbstverschuldet ist, erzürnt in Berlin viele.
    von Daniel Pontzen
    Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und Bundeskanzler Olaf Scholz
    mit Video

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