Flexible CO2-Grenzwerte: Kritik an Plan der EU-Kommission

    Flexible CO2-Grenzwerte:Aufschub für Autohersteller: EU erntet Kritik

    von Manfred Kessler
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    Experten sehen den Plan der EU-Kommission zur Flexibilisierung der CO2-Grenzwerte skeptisch. Das werde jenen zum Nachteil, die sich bis jetzt an die Regeln gehalten hätten.

    Symbolbild: Abgas kommt aus dem Auspuff eines Autos im morgendlichen Berufsverkehr
    CO2-Grenzwerte bei Autoabgasen: EU-Kommission will Herstellern entgegenkommen
    Quelle: dpa

    Nach dem Willen der EU-Kommission in Brüssel sollen die Automobilhersteller drei Jahre Zeit erhalten, um die gesetzlich festgelegten CO2-Ziele zu erreichen. Zum 1. Januar dieses Jahres sank der erlaubte Grenzwert für den durchschnittlichen CO2-Ausstoß bei PKW von 115 Gramm auf 93,6 Gramm. Wenn diese Grenzwerte nicht eingehalten werden, müssen die Hersteller pro Gramm und Fahrzeug 95 Euro Strafe zahlen.
    Unterm Strich hätte die Automobilindustrie mehrere Milliarden Euro zahlen müssen. Seit Monaten hatten die Verbände der Automobilhersteller auf Brüssel eingewirkt, diese Strafen zu streichen oder mindestens zu stunden. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen betonte aber, dass die bis 2027 vereinbarten Reduktionsziele eingehalten werden müssten. Erst 2027 wird Bilanz gezogen. Erst dann würden eventuell Strafzahlungen fällig.
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    Reduktionsziele sind Autoherstellern schon lange bekannt

    Stefan Bratzel, Direktor des "Center of Automotive Management" in Bergisch-Gladbach, weist darauf hin, dass den Autoproduzenten die Reduktionsziele seit 2019 bekannt seien. Im Prinzip benachteilige man diejenigen, die sich angestrengt hätten.

    Insofern sehe ich das nicht völlig unkritisch, auch vor dem Hintergrund der Verlässlichkeit der Politik.

    Stefan Bratzel, Center of Automotive Management

    Man müsse jetzt schon überlegen, was denn dann nach 2027 passiere, wenn einige die Ziele möglicherweise nicht erreichten. Das Gleiche werde beim Thema Verbrennerverbot diskutiert, das 2035 erreicht werden soll, wenn die erlaubten CO2-Emissionen bei null angekommen sind.
    Ein großes Passagierflugzeug zieht in großer Höhe mehrere Kondensstreifen durch den klaren, tiefblauen Himmel.
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    Appell: Berlin soll in Brüssel aktiv werden

    Die europäische Umweltorganisation "Transport&Environement" (T&E) fordert, dass die geplante Verzögerung der CO2-Ziele für Autos das letzte Zugeständnis sein solle. Das Zugeständnis sei gemacht worden, obwohl die E-Auto-Verkäufe in den ersten beiden Monaten dieses Jahres um 28 Prozent gestiegen seien.
    "Die neue Bundesregierung muss sich jetzt in Brüssel dafür einsetzen, dass die Ziele für 2030 und 2035 bestehen bleiben", sagte der Geschäftsführer von T&E, Sebastian Bock. Nur so könne die deutsche Autoindustrie auf dem Weltmarkt überleben.

    Wer frühzeitig in Panik verfällt und mitten im Spiel die Regeln ändert, bestraft die Hersteller, die sich daran halten und rechtzeitig Milliarden investiert haben.

    Sebastian Bock, T&E Deutschland

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    Ausbau der E-Ladeinfrastruktur zu langsam

    Autoexperte Bratzel schätzt jetzt die Chancen für die Hersteller besser ein, die erst in den nächsten zwei oder drei Jahren massentaugliche E-Modelle auf den Markt brächten, wie zum Beispiel Volkswagen. Die Schuldigen sieht er aber nicht nur bei der Autoindustrie.
    Man müsse auch mit dem Finger auf die Politik zeigen. So komme man beim Thema Ladeinfrastruktur immer noch viel zu langsam voran. Gerade in Deutschland gehe das viel zu langsam, auch beim Smart Charging und bidirektonalem Laden, was für den E-Autobesitzer finanzielle Vorteile bringen und die Stromnetze entlasten könne.
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    Fällt Deutschland technologisch zurück?

    Bei dieser EU-Entscheidung hat Bratzel auch die Sorge, dass man "den Fuß vom Strompedal nimmt" und dadurch die Wettbewerbs- und Innovationskraft ein Stück weit litten. Gegenüber China liege Deutschland bei der Batterietechnologie ca. drei bis vier Jahre zurück. Da müssten die Hersteller aufholen und auch neue Ideen entwickeln. Man dürfe nicht zurückfallen, auch nicht beim nächsten großen Thema, dem automatisierten Fahren.

    Die Chinesen geben auch beim automatisierten Fahren im Moment massiv Gas, um da stark zu werden.

    Stefan Bratzel, Center of Automotive Management

    Mit BMW und Mercedes sei man in diesem Bereich noch ganz gut unterwegs, aber auch hier müsse man aufpassen.
    Für 2025 prognostiziert Autoexperte Bratzel eine deutliche Steigerung der Neuzulassungen bei E-Autos, aber nicht in der Intensität, wie das ohne diese flexibleren CO2-Flottenziele der Fall gewesen wäre. Denn dann hätten die Autohersteller massiv Rabatte gewähren müssen, um Strafzahlungen zu vermeiden. Unter diesem Druck stehen die Hersteller jetzt nicht mehr so stark.
    Der Vorschlag der EU-Kommission zur Flexibilisierung der CO2-Emissionsziele muss noch vom EU-Ministerrat und vom EU-Parlament angenommen werden.

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    Quelle: dpa

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