In der Ukraine wird ein schwieriger Winter erwartet. Regelmäßig fliegt Russland Angriffe auf Heizkraftwerke. Die Zivilbevölkerung sucht nach Lösungen für die Wärmeversorgung. 25.10.2024 | 1:56 min
Eine alte ukrainische Bauernregel besagt: Um es im Winter warm zu haben, muss man im Sommer das Holz hacken.
Russland hat diese Regel seit Kriegsbeginn umgekehrt und - um im Bild zu bleiben - das ukrainische Energiesystem systematisch zerlegt. An einem einzigen Tag in diesem Sommer, am 26. August, hat Russland 230 Raketen und Drohnen auf die ukrainische Infrastruktur abgefeuert.
Die Schäden waren immens. Millionen von Ukrainern blieben stundenlang ohne Strom. Die Ukraine konnte sich während des vergangenen Sommers nicht auf den kommenden Winter vorbereiten, sondern musste im Krisenmodus so schnell wie möglich die Schäden beseitigen. Langfristige Investitionen in die Zukunft waren zunächst schwer umzusetzen.
Ukraine: Energieversorgung größtenteils zerstört
Im dritten Jahr des
Kriegs in der Ukraine hat das Land bereits ein Großteil seiner Substanz verloren. Die Ukraine verfügt nur noch über 30 Prozent ihrer Energieversorgung. Fast alle Kohlekraftwerke sind zerstört, Wasserkraftwerke wie der Kakhovka-Staudamm sind gesprengt und im Sommer beschoss Russland gezielt Umspannwerke und Infrastruktur in der Nähe der noch verbliebenen, ukrainischen Atomkraftwerke.
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Zeitweise musste das AKW Khmelnytskiy vom Netz genommen werden, bis die Schäden beseitigt konnten. Neben den erheblichen Risiken für einen nuklearen Vorfall, die diesen russischen Angriffen innewohnen, treffen sie die letzte Säule einer stabilen Stromversorgung in der Ukraine.
Auch mit Unterstützung der EU: Großes Energiedefizit
In diesem Winter erwartet die Internationale Energieagentur in der Ukraine einen möglichen Stromverbrauch mit Spitzenlasten von 18,5 Gigawatt. Bei der jetzigen Stromproduktion könnte sich daraus ein Defizit von sechs Gigawatt ergeben. Das entspricht der Spitzenlast von Dänemark und zeigt, wie viele Menschen schließlich ohne Strom sein könnten. Die
EU hat geplant Überkapazitäten von 4,5 Gigawatt an die Ukraine abzugeben, was die Lücke aber nicht vollständig schließen wird.
Russland greift seit vielen Monaten massiv Kraftwerke und Übertragungsnetze in der Ukraine an. EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen versprach in Kiew weitere Milliardenhilfen.20.09.2024 | 1:45 min
Die fehlenden 1,5 Gigawatt versucht die Ukraine durch ein Maßnahmenpaket aufzufangen. Dazu zählen neben
besserer Flugabwehr, Schutzbauten wie Kuppeln und Wände aus Stahlbeton um kritische Infrastruktur sowie die Dezentralisierung der Stromversorgung. Dies ist deshalb eine Mammutaufgabe, da das auf sowjetischer Planung fußende Stromnetz zentralistisch konzipiert ist.
Große Potenziale bietet die Verbesserung der Energieeffizienz im öffentlichen wie im privaten Sektor der Ukraine.
Die Ukraine bereitet sich auf den dritten Kriegswinter vor - und erhält Millionen-Hilfen aus Europas Norden. Das Paket soll den Energiesektor unterstützen.
Energieverschwendung durch Wohnblöcke aus Sowjetzeiten
Viele alte Wohnblöcke aus Sowjetzeiten haben keine regulierbaren Heizungssysteme. Wenn die Heizung bei Winteranfang in Betrieb genommen wird, dann werden alle angeschlossenen Wohnungen gleichmäßig beheizt - unabhängig davon, ob sie bewohnt sind oder leer stehen, auch unabhängig von den Außentemperaturen. Landesweit werden neue Verteilungssysteme eingebaut, um diese Energieverschwendung zu verringern.
Doch dafür werden Fachkräfte gebraucht, die in der Ukraine fehlen - teils weil sie bei der Armee sind, teils weil sie wie viele Frauen das Land verlassen haben.
Nach den gezielten russischen Angriffen auf Kraftwerke kämpfen weite Teile der Ukraine mit Stromausfällen. Vom Alltag ohne elektrische Energie.04.07.2024 | 2:36 min
Kein Geld für Gebäudedämmung & Co.
Weitere Maßnahmen wie Gebäudedämmung, der Einbau moderner Fenster und Heizungen stoßen schnell auf einen limitierenden Faktor: Die Kassen - private und öffentliche - sind im dritten Kriegsjahr leer. Zudem scheuen gerade private Wohnungs- und Hauseigentümer langfristige Investitionen. Sie müssen mit der Möglichkeit rechnen, dass ihre Objekte von russischen Luftangriffen zerstört werden können.
Selbst bei erfolgreichen Abschüssen durch die ukrainische Flugabwehr entstehen häufig massive Schäden an Gebäuden durch herabstürzende Trümmerteile.
Und auch, wenn Russland die systematische Zerstörung des ukrainischen Energiesektors einstellen würde, steht die Ukraine vor riesigen Herausforderungen für diesen Winter. Doch die Menschen in der Ukraine rechnen mit noch intensiveren Luftangriffen. Ihnen bleibt die Hoffnung auf einen möglichst milden Winter und das Vertrauen in ihre Widerstandskraft.
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Seit Februar 2022 führt Russland einen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Kiew hat eine Gegenoffensive gestartet, die Kämpfe dauern an. News und Hintergründe im Ticker.