Deutschland und Frankreich: Neustart mit Merz und Macron?

    Zusammenarbeit Merz und Macron :Was ein deutsch-französischer Neustart bringt

    von Anne Arend, Paris
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    Macrons Ideen für ein verteidigungsfähiges Europa finden Gehör in Berlin. In Friedrich Merz sieht Frankreichs Präsident einen Partner in strategischen Fragen.

    Friedrich Merz und Emmanuel Macron
    Friedrich Merz und Emmanuel Macron
    Quelle: AFP

    Die Abstimmung im deutschen Bundestag über das milliardenschwere Finanzpaket für Verteidigung und Infrastruktur freut auch einen Franzosen. Macron lobt sie als "historischen" Moment für Deutschland und Europa. "Das ermöglicht uns, mehr in die Verteidigung zu investieren. Und das haben wir dringend nötig", erklärt er am Dienstagabend, als er zu Gast ist in Berlin. Kurz darauf isst er mit Friedrich Merz zu Abend.

    Neues Vertrauen zwischen Deutschland und Frankreich

    Es ist nicht das erste Treffen dieser Art, mehrfach war Merz in Paris zu Gast. Den Beiden scheint viel daran zu liegen, die deutsch-französische Beziehung zu stärken und ein neues Vertrauensverhältnis zu schaffen. Die Jahre mit Kanzlerin Merkel und ihrem Nachfolger Scholz haben in Frankreich mehr als einmal für Frust gesorgt.
    Dass das mit Merz anders werden könnte, hat mehrere Gründe: persönliche und politische.
    SGS mit Wulf Schmiese am 18.03.2025 in der heute um 19 Uhr.
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    Politische Gemeinsamkeiten

    Natürlich treibt sie der Schock, die Einsicht, dass auf die Unterstützung der USA kein Verlass mehr ist, zusammen. "In der geopolitischen Analyse sind sich die beiden sehr ähnlich. Viel ähnlicher als Macron und Merkel oder Macron und Scholz, dem es an Ideen für Europa mangelte", erklärt der Politologe Joseph de Weck. Merz habe stärker als seine Vorgänger Europa im Blick: "Wenn sich nun Deutschland und Frankreich gemeinsam dem Ziel eines souveränen Europas verschreiben und Polen, Italien und weitere Länder an Bord holen, dann wird vieles möglich, was vorher undenkbar war."

    Wir leben in einer Zeit von historischen Diskontinuitäten. In einer Zeit von Krisenmomenten, in denen es auch früher schon auf das deutsch-französische Paar ankam.

    Joseph de Weck, Politologe

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    Politologe: "Beide extrem von sich überzeugt"

    Da kann es nun hilfreich sein, dass die beiden sich auch in ihrer Selbstwahrnehmung ähnlich sind. Beide sehen in der Politik die Aufgabe, große, historische Entscheidungen zu treffen. "Sie sind extrem von sich überzeugt, haben dabei eine gewisse Arroganz, reden schneller als sie denken. Sie gehen ins Risiko, manchmal funktioniert es, manchmal geht es nach hinten los", so Politologe de Weck. Und er ergänzt, beiden würde es wohl gefallen, in die Geschichtsbücher einzugehen.

    Macron bleibt nicht mehr viel Zeit

    Dabei drängt für Macron die Zeit. Er ist nur noch zwei Jahre im Amt, darf dann nicht mehr bei der Präsidentschaftswahl antreten. Ein souveränes Europa forderte er schon 2017, in seiner vielzitierten Sorbonne-Rede. Im gleichen Jahr erklärte Macron, dass Frankreich bereit sei, seine Atomwaffen als Teil eines kollektiven europäischen Schutzes zu betrachten. Ging damals kaum einer darauf ein, sieht er sich heute der Verwirklichung seiner Ideen näher denn je.
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    Konflikte drohen bei der Umsetzung der Ideen

    Doch um Europa eigenständiger und unabhängiger zu machen, braucht es nicht nur die gleichen visionären Grundgedanken. Die größte Herausforderung wird deren Umsetzung sein. Etwa die Finanzierung der militärischen Zeitenwende. Frankreichs Kassen sind leer. Würde Deutschland bei einer gemeinsamen Schuldenaufnahme, ähnlich der Eurobonds während der Corona-Krise, mitgehen?
    Gemeinsame Rüstungsprojekte - etwa das Main Ground Combat System (MGCS) und das Future Combat Air System (FCAS) - wurden in der Vergangenheit immer wieder ausgebremst, weil man sich in industriepolitischen Fragen nicht einig war. Auch andere Unstimmigkeiten, wie etwa beim Freihandelsabkommen Mercosur, werden nicht einfach so verschwinden.

    Ziel eines verteidigungsfähigen Europas

    "Es wird Konflikte geben, über Geld und so weiter, aber dass ein Bundeskanzler und ein Präsident jetzt das Ziel eines verteidigungsfähigen Europas teilen, dass es seit Langem wieder einen Konsens gibt, wohin sich die EU entwickeln soll, das ist neu. Und da sehe ich die anderen Probleme eher nachgelagert", resümiert de Weck.
    Nach dem Abendessen mit Friedrich Merz in Berlin postet der französische Präsident "Deutschland und Frankreich gehen gemeinsam voran - heute und für morgen. Für Europa" Die ersten Schritte haben die beiden gemacht. Doch es liegt ein langer Weg vor ihnen.

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    Quelle: dpa

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