Wahl in Ecuador: Kriminalität und Sicherheit im Fokus
Nach Wahl und vor Stichwahl:750 Morde im Januar - Ecuador im Krisenmodus
von Mia Veigel, Rio de Janeiro
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Der Januar war einer der blutigsten Monate in der Geschichte Ecuadors - und die Wahl eines neuen Staatsoberhauptes blieb ohne klares Ergebnis. Wie kann die Sicherheitskrise enden?
Schwer bewaffnete Soldaten bewachen in Ecuador die Präsidentschaftswahlen. Mit Armeeeinsätzen versucht das Land gegen die vorherrschende Drogengewalt anzukämpfen.
Quelle: AFP
Geiselnahmen, Morde und Korruption: Vom einst sicheren Land ist Ecuador zu dem Land Südamerikas mit der höchsten Mordrate geworden. Mit 750 Morden geht der Januar 2025 als einer der blutigsten Monate in die Geschichte des Landes ein. Starkes politisches Handeln ist nötig, um die Sicherheitskrise zu überwinden. Doch die Wahl am vergangenen Sonntag hat keinen klaren Gewinner hervorgebracht. Jetzt kommt es zur Stichwahl - die Kandidaten sind sehr verschieden und die Herausforderungen extrem groß.
Seit 2019 nimmt die Gewalt in dem kleinen Land an der Pazifikküste stetig zu. Ecuador ist zur Drehscheibe des internationalen Drogenhandels geworden. Während Kokain in den Nachbarländern Kolumbien und Peru angebaut wird, gelangt es über die ecuadorianische Hafenstadt Guayaquil nach Europa. Rund 25 Drogenkartelle kämpfen hier um Reviere und Schmuggelrouten. Die Folge: Die Gewalt im Land breitet sich aus wie ein Lauffeuer.
Ecuador ist zu weiten Teilen von der Drogenmafia durchdrungen. Es gilt als wichtiges Transitland für Kokain. Drogenbanden terrorisieren Staat und Bevölkerung.08.05.2024 | 6:27 min
Wahlkampfthema ist die Sicherheitskrise
Inmitten dieser Krise wählt Ecuador ein neues Staatsoberhaupt. "Es herrscht große Unsicherheit über die Zukunft und Sorge darüber, dass die Banden das Land weiter kontrollieren", erklärt Emilia Arellano vom German Institute for Global and Area Studies (GIGA) im ZDF-Interview. Das allgemeine Wahlkampfthema lautet deshalb: Die Sicherheitskrise des Landes bekämpfen.
Die Gewalt findet jedoch nicht nur auf den Straßen statt, sondern durchwandert auch staatliche Institutionen. Vor allem in den überfüllten Gefängnissen des Landes haben die Drogenkartelle das Sagen und organisieren von dort aus ihre Verbrechen. "Die Banden agieren nicht nur von außen, sondern sind eng mit den Institutionen verbunden, die eigentlich für Kontrolle zuständig sein sollten", analysiert Arellano. Das habe schwerwiegende Auswirkungen auf die Demokratie und das Vertrauen in diese Institutionen.
Mit harter Hand gegen die Drogenkartelle
Der noch amtierende Präsident Daniel Noboa hat den Drogenkartellen 2023 den Kampf angesagt. Mit Armeeeinsätzen, Notstandsdekret und Massenverhaftungen versucht er seitdem gegen die Drogengewalt vorzugehen. Mit harter Hand regiert er das Land und genießt deshalb zum Teil große Beliebtheit in der Bevölkerung.
Diese Maßnahmen hätten jedoch vor allem zu einer Eskalation der Gewalt geführt, sagt Arellano vom GIGA in Hamburg. "Es hat sich als zweischneidiges Schwert für die Regierung erwiesen, da es auch Fälle von Menschenrechtsverletzungen und Verschwindenlassen durch Streitkräfte gibt", berichtet sie.
Statt klarem Sieg ein Kopf-an-Kopf-Rennen
Obwohl der 37-jährige Noch-Präsident Noboa als klarer Favorit in die erste Wahlrunde ging, wurde es am Ende doch ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit seiner Konkurrentin Luisa González. Nach offiziellen Angaben lag Noboa bei 44,4 Prozent und González bei 43,9 Prozent.
Demnach kommt es erst Mitte April zu einer Stichwahl, die über die Zukunft des Landes entscheiden wird.
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Noboas Konkurrentin ist die Mitte-Links-Kandidatin Luisa González, die eine Reform des als korrupt geltenden Justizsystems und den Ausbau des Sozialstaates verspricht. Sie wird vom im Exil lebenden und immer noch einflussreichen Ex-Präsidenten Rafael Correa unterstützt. Das sei ihre größte Stärke, aber gleichzeitig auch ihre größte Schwäche, so Arellano vom GIGA. "Ecuador befindet sich in einem sehr polarisierten Klima, in dem einige dem ehemaligen Präsidenten treu sind und andere sich eindeutig gegen ihn stellen", analysiert die Politikwissenschaftlerin.
Viele Ecuadorianerinnen und Ecuadorianer würden die aktuelle Sicherheitskrise aber sogar auf die zehnjährigen Regierungszeit Correas zurückführen und ihm die Schuld an der Gewalteskalation durch kriminelle Banden geben. Hinzu kommt, dass dieser wegen Korruption zu mehreren Jahren Haft verurteilt wurde.
Krisenlast für die neue Regierung
"Alles kann sich in letzter Minute noch ändern", ist sich Arellano aufgrund Ecuadors volatiler Wählerschaft sicher. Viele Wählerinnen und Wähler seien unentschlossen und würden ihre Entscheidung erst kurz vor der Stichwahl treffen.
Klar ist, unabhängig davon, wer an die Macht kommt: Die nächste Regierung wird mit den gleichen Problemen zu kämpfen haben wie die vorherige: der Sicherheitslage, der Wirtschaftskrise und dem Mangel an institutioneller Unterstützung.
Quelle: dpa
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