Ecuador im Drogenkrieg: Jugend leidet unter Kriminalität
Drogenkrieg in Ecuador:Jugend zwischen den Fronten
von Christoph Röckerath, Guayaquil, Ecuador
|
Drogenschmuggler terrorisieren die Menschen in Ecuador, die Gewalt ist allgegenwärtig. Gerade der Jugend fehlt eine Perspektive. Ein junger Mann will es mit Musik raus schaffen.
Ecuador ist zu weiten Teilen von der Drogenmafia durchdrungen. Es gilt als wichtiges Transitland für Kokain. Drogenbanden terrorisieren Staat und Bevölkerung.08.05.2024 | 6:27 min
Die Narben, die sich über die linke Seite von Elians Brust ziehen, erinnern an eine zerklüftete Schlucht. "Die Kugel ist hier rein", sagt er, während seine rechte Hand eine Bahn zeichnet, die an seinem Arm entlang bis zum Oberkörper führt. "Sie ist durch die Hand in die Brust", erläutert sein Bruder Cristhian das komplexe Narbengebilde. Ein Streit unter Betrunkenen sei es gewesen, da passiere es schon mal, dass jemand eine Waffe ziehe, erklärt er.
Ecuador: Drehkreuz für Drogenschmuggler
Die beiden Brüder leben in Guasmo, einem ärmlichen Viertel mit 500.000 Einwohnern im Süden von Guayaquil. Die größte Stadt Ecuadors ist Ground Zero im Krieg zwischen dem Staat und den immer mächtiger werdenden Drogenkartellen. Ecuador liegt zwischen den Kokain-Anbauregionen in Peru und Kolumbien. Der Hafen von Guayaquil hat sich in den letzten Jahren zum wichtigsten Drehkreuz der Schmuggler entwickelt. Von Guayaquil aus terrorisieren sie das Land. Trauriger Höhepunkt war die Ermordung eines Präsidentschaftskandidaten im letzten Jahr.
Das Viertel Guasmo grenzt direkt an den berüchtigten Hafen. Hier haben die Gangs das Sagen. Cristhian teilt sich mit seinen Eltern und einem Teil seiner elf Geschwister ein kleines Haus. Er hält sich mit Gelegenheitsjobs über Wasser. Reguläre Arbeit zu finden ist schwierig in Guasmo.
Die Einfuhr von Drogen, insbesondere Kokain, über europäische Häfen nimmt zu. In Hamburg berät sich Innenministerin Nancy Faeser mit Amtskollegen über Gegenstrategien.
von Daniel Thoma
mit Video
Mit Musik raus aus der Armut
Der 28-Jährige träumt davon, ein erfolgreicher Rapper zu werden. Vor einem unscheinbaren Haus, mitten im Viertel, sind dumpf wabernde Bässe zu hören. Am Ende eines langen Ganges, der ins Gebäude führt, öffnet Cristhian eine Tür. Der Sound wird klarer und Cristhian taucht ein in eine andere Welt: Ein kleines Tonstudio, in dem sein Freund Israel am nächsten Song tüftelt. Cristhian hat einen Text mitgebracht und legt los. Er rappt über seinen Alltag im Viertel - die Ungleichheit, Gewalt, und den Willen, durchzuhalten. Unter dem Künstlernamen Lil C veröffentlicht er seine Tracks auf YouTube.
Das Studio gehört zu einer Musikschule, die von Spenden finanziert wird. Auch die Kinder des Viertels kommen hier her. Auf dem Dach des Gebäudes gibt Cristhian ehrenamtlich Rap-Workshops für die kleinen, hilft ihnen bei Text, Rhythmus und Intonation.
Rappt der zehnjährige Jesús Ismael und wirkt dabei viel älter, während Cristhian ihm Zeichen gibt, wann er Luft holen muss.
Ecuador hat wegen Engpässen bei der Stromversorgung den Notstand ausgerufen. Stundenweise wird der Strom abgestellt, donnerstags und freitags soll nicht mehr gearbeitet werden.19.04.2024 | 0:22 min
Jugendliche brauchen eine Perspektive
Cristhian ist vor vielen Jahren selbst über einen ähnlichen Workshop zum Rap gekommen. "Die Kinder wollen Musik machen, sie wollen Spaß haben und durch die Kunst ihre Probleme hinter sich lassen. Dank der Kunst wissen sie, dass das Leben schön sein kann. Und ich werde ihnen helfen", sagt er.
Cristhian weiß, wie schnell das eigene Leben aus der Bahn geraten kann, mit falschen Freunden, falschen Hoffnungen. Auch er hat seine Jugend auf der Straße verbracht, verloren, sagt er heute. Erst der Rap habe ihn da rausgeholt.
Als es Abend wird, hallt durch die Straßen des Viertels Cristhians Beat. Sie singen von Liebe und Freundschaft. Die Musik, hilft ihnen, zu träumen, an einem Ort, an dem Jungs wie sie kaum eine Chance bekommen.
Wenn er mit seinen Freunden singt, hält so etwas wie Leichtigkeit Einzug in die Straßen von Guayaquil. Zumindest für einen kurzen Augenblick.
Christoph Röckerath leitet das ZDF-Studio in Rio de Janeiro.
In Perus Hauptstadt Lima herrscht drastischer Wassermangel. Eine kreative Lösung soll jetzt Abhilfe schaffen. 26.07.2023 | 16:32 min