IGH: Nicaragu wirft Deutschland Mitschuld an "Völkermord" vor
Anhörung in Den Haag:Deutschland vor dem "Welt-Gericht"
von Gunnar Krüger
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Nicaragua wirft Deutschland die Begünstigung von "Völkermord" vor. Was Deutschland vor dem Internationalen Gerichtshof droht – und wie es sich wehren dürfte.
Der Internationale Gerichtshof befasst sich mit der Klage Nicaraguas gegen Deutschland. Es leiste Beihilfe zum Völkermord im Gazastreifen, indem es Israel mit Waffen versorge.08.04.2024 | 3:26 min
Ausgerechnet Nicaragua. Ausgerechnet Daniel Ortega. Dem Machthaber von Managua werfen die Vereinten Nationen vor, er verletze selbst die Menschenrechte. Der 78-Jährige war erst Dschungel-Kämpfer, dann demokratisch gewählter Präsident und ist heute Diktator mit guten Kontakten nach Moskau - und alten Banden zu Palästinensern. Ausgerechnet also Nicaragua nutzt Den Haag, das Welt-Gericht, als Welt-Bühne für den Konflikt in Gaza.
Deutschland soll humanitäre Hilfe in Gaza behindert haben
Internationaler Gerichtshof (IGH), Montagmorgen: 16 Richter blicken links auf Nicaragua, rechts auf Deutschland. Der Vorwurf lautet auf Beihilfe zum Völkermord. Die Begründung trägt Carlos José Argüello Gómez vor:
Allen Staaten ist es nicht nur verboten, Täter zu unterstützen. Sie sind auch verpflichtet, Grundrechte aktiv zu verteidigen. Deutschland hat diese Pflicht verletzt.
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Carlos José Argüello Gómez, Gesandter Nicaraguas
Unter Deutschlands Pflicht versteht Nicaraguas Gesandter auch die Finanzierung humanitärer Hilfe.
Das Argument: Deutschland habe diese Hilfe behindert, als es Zahlungen an das UN-Hilfswerk für die Palästinenser, UNRWA, stoppte. Den Schritt hatte Deutschland damit begründet, dass einzelne Mitarbeiter an den palästinensischen Attentaten gegen Israel vom 7. Oktober 2023 beteiligt gewesen seien.
Nicaraguas Klage mit wenig Aussicht auf Erfolg
Andreas von Arnauld ist Völkerrechtler an der Universität Kiel. Er sagt:
Eine Verpflichtung, eine konkrete Agentur oder Einrichtung der Vereinten Nationen finanziell zu unterstützen, gibt es nicht.
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Andreas von Arnauld, Völkerrechtler Universität Kiel
Deutschland sei gegenüber den Vereinten Nationen nur verpflichtet, seine Mitgliedsbeiträge zu bezahlen.
Nicaraguas Klage habe also geringe Aussichten auf Erfolg. Verfahren am IGH dauern Jahre, einstweilige Anordnungen des Gerichts dürften kaum über Aufforderung hinausgehen.
Zusammenhang mit Klage Südafrikas gegen Israel
Es ist wohl eher ein Prozess zum Prozess: "Die Klage ist im Zusammenhang der Klage von Südafrika gegen Israel zu sehen", so der Völkerrechtler. Südafrika hatte schon im Januar Israel Völkermord im Gaza-Krieg vorgeworfen.
Deutschland hat sich solidarisch an die Seite Israels gestellt und ist sicherlich deswegen zur Zielscheibe der Klage Nicaraguas geworden.
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Andreas von Arnauld, Völkerrechtler Universität Kiel
Tatsächlich sitzt Deutschland allein auf der Anklagebank. Das ist möglich, weil es - so wie Nicaragua - den Gerichtshof anerkennt - und die UN-Konvention zur Verhütung von Völkermord. Auch die USA hatten ihre Zahlungen an UNRWA gestoppt, erkennen den IGH aber nicht an.
Nicaragua hatte noch weitere Länder im Visier: Kanada und Großbritannien haben eine Frist von einem halben Jahr, um zu reagieren. Und die Niederlande traten mit Nicaragua in einen Dialog - den Nicaragua mit Deutschland nicht suchte.
Diesen Fehler dürften die deutschen Vertreter vorbringen, wenn sie Dienstag die Klage erwidern. Will der mittelamerikanische Staat wirklich einen Konflikt lösen? Oder nur Welt-Meinung machen?
Völkerrechts-Beauftragte: Deutschland verletzt Völkerrecht nicht
Tania von Uslar-Gleichen ist Völkerrechts-Beauftragte im Auswärtigen Amt. Sie könnte darauf verweisen, wer da Klage erhebt. Doch die Bundesregierung will eine regelbasierte, eine wertegeleitete Außenpolitik. Da scheint der Vorwurf aus Mittelamerika tatsächlich zu treffen.
Am Montag tritt die Juristin auf die Stufen vor dem "Friedenspalast", dem Sitz des IGH.
Deutschland verletzt weder die Völkermordkonvention noch humanitäres Völkerrecht, weder direkt noch indirekt. Im Gegenteil: Deutschland ist der Wahrung und des Schutzes des Völkerrechts verpflichtet und arbeitet dafür international.
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Tania von Uslar-Gleichen, Völkerrechts-Beauftragte Auswärtiges Amt
Verantwortung für den Holocaust
Völkerrechtler von Arnauld meint, Deutschland habe aus guten Gründen die Idee, dass aus der Verantwortung für den Holocaust eine besondere Verantwortung für den Staat Israel folgt. "Aber die Frage ist eben immer, was Deutschland daraus ableitet."
Im gerichtlichen Streit zwischen Südafrika und Israel habe es sich sehr früh gegen Südafrika positioniert. "Das war sicherlich etwas, was Deutschland in die Situation eines möglichen Selbstwiderspruchs oder eines Double Standards gebracht hat."
Vorwurf an Deutschland: Zweierlei Maß
In einem anderen Fall - dem der Volksgruppe der Rohingya in Myanmar - war Deutschland einer Klage wegen Völkermord beigetreten. Zweierlei Maß - den Vorwurf machen Nicaragua - und palästinensische Demonstranten in Den Haag. Einige kommen auch aus Deutschland.
Doch die Szenen vor und im Gericht halten der Bundesregierung vor Augen: Es hat international einen diplomatischen Preis, in diesem Moment fest an der Seite Israels zu stehen.
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