Interview mit Tucker Carlson: Ein Propaganda-Coup für Putin

Russische staatliche und kremlnahe Medien haben das Interview von Tucker Carlson mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin erwartungsgemäß groß herausgebracht. Am Freitag war es praktisch bei allen großen Medien online der prominenteste Bericht - und die Artikel darüber voll des Lobes.

Das beobachtet auch ZDF-Russland-Korrespondentin Nina Niebergall: "Wie sehr das Interview im Interesse des Regimes war, lässt sich schon daran ablesen, dass der Kreml gleich in den frühen Morgenstunden eine Abschrift des gesamten Gesprächs veröffentlicht."

Niebergall unterstreicht auch, wie sehr das Interview dem russischen Präsidenten nützt: "Mit diesem Interview hat Tucker Carlson Putin massiv in die Hände gespielt. Unwidersprochen konnte der russische Präsident seine kruden Narrative und sein verzerrtes Geschichtsbild verbreiten."

Niebergall beobachtet auch, wie sehr in russischen Medien das Interview als mächtiger "außenpolitischer Schlag gegen den schwachbrüstigen Kurs der Biden-Administration" dargestellt wird: "Endlich habe Putin den westlichen Lügen über Russland etwas entgegengesetzt. Und das gleich über zwei Stunden und sieben Minuten."

Viele russische Medien gingen auf die Reichweite und mögliche Auswirkungen des Videointerviews ein. Die kremlnahe Zeitung "Iswestija" wiederum zählte mehr als 475.000 Likes und zitierte einen ranghohen Beamten in den von Russland besetzten Gebieten der Ukraine, der sagte, der vom Westen zugezogene "Info-Vorhang" sei gescheitert. Der Tageszeitung Iswestija das Interview schon in den ersten Stunden von mehr als 60 Millionen Menschen aufgerufen.

Die Boulevardzeitung "Komsomolskaja Prawda" sammelte in einem Artikel unter der Überschrift "Ich bin nah daran, die russische Staatsbürgerschaft zu beantragen" vor allem lobende Kommentare bei der Plattform X (vormals Twitter). Dort hatte der für die Verbreitung rechter Verschwörungstheorien bekannte Carlson das Gespräch veröffentlicht.

Polnische Spitzenpolitiker wiesen Putins Äußerungen als unglaubwürdig zurück. Putins Aussage, er habe kein Interesse an einer Invasion in Polen oder Lettland, habe "keinerlei Glaubwürdigkeit", erklärte der stellvertretende polnische Ministerpräsident Wladyslaw Kosiniak-Kamysz am Freitag. Die Aussagen Putins würden die "Wachsamkeit" der polnischen Regierung nicht betäuben.

Der frühere Fox-News-Moderator Carlson hatte Putin im Interview gefragt, ob es ein Szenario geben könnte, in dem "Sie russische Soldaten nach Polen schicken". Putin sagte daraufhin: "Nur in einem Fall: Wenn Polen Russland angreift." Moskau habe "kein Interesse an Polen, Lettland oder irgendwo sonst", fügte er an.

Politische Beobachter hatten erwartet, dass der Kreml das erste Interview Putins mit einem westlichen Talkmaster seit Kriegsbeginn für Propagandazwecke nutzen wird.

Boris Nadeschdin wurde als Kriegsgegner mit unerwartet großem Zulauf von Unterstützern wenige Stunden vor Veröffentlichung des Interviews von den Präsidentenwahlen in Russland augeschlossen. Galljamow bemängelte die kritiklose Übernahme der Thesen Putins durch Carlson.