Filmfestspiele Cannes: Nachwuchsförderung im Bereich Regie
Filmfestspiele Cannes:Nachwuchstalente bekommen auch ihre Chance
von Carolin Auen, Cannes
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Roter Teppich und Filmpremieren - Teil dieser Welt zu werden, ist der Traum vieler Nachwuchsregisseur:innen. Jährlich bekommen zwölf von ihnen diese Chance in Cannes.
das logo des internationalen filmfestivals von cannes (archivfoto vom 12.05.2009). das filmfestival gilt als das bedeutendste weltweit. 2012 findet das filmfest zum 65. mal statt.
Quelle: dpa
"Bewegt euch im Raum, fühlt die Umgebung." Ein weißes Festzelt, leere Stuhlreihen, eine Bühne mit Rednerpult. "Und vergesst nicht: ihr dürft auch Spaß bei der Sache haben", erinnert Anna Ciennik ihre Schützlinge. "Das ist euer Projekt, ihr kennt es in und auswendig." Intensive Vorbereitungen liegen hinter Skript-Beraterin Ciennik und den jungen Filmemacher:innen. Über viereinhalb Monate hinweg leben und arbeiten sechs internationale Nachwuchsregisseur:innen, in der Résidence in Parisdes Filmfestivals von Cannes.
Französischkurse, Coachings und Begegnungen mit Professionellen der Filmindustrie stehen auf dem Programm. Und die Präsentation ihrer Projekte hier an der Croisette, der Strandpromenade von Cannes. Neben dem aktuellen Jahrgang ist auch die vorherige Gruppe angereist. Vor Vertreter:innen von Produktionsfirmen und Filmvertrieben präsentieren sie ihre Filmprojekte. Der Preis: ein Stipendium in Höhe von 5.000 Euro pro Jahrgang.
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Netzwerken als Eintrittskarte in die Filmbranche
Die Veranstaltung in Cannes ist ein wichtiger Termin für den Filmnachwuchs. "Das ist ein Moment, den die Branche verfolgt", erklärt Ciennik. Sie ist überzeugt, dass die Résidence ein Sprungbrett sein kann.
Kontakte knüpfen, in der Branche Fuß fassen. Das Netzwerken ist der Teil, der hinter den roten Teppichen und Filmpremieren abläuft. Und der Teil, der die Filme oftmals erst auf die Leinwand bringt.
In der "Résidence" des Filmfestivals Cannes werden seit 2000 jährlich 12 internationale Nachwuchsregisseur:innen bei der Ausarbeitung ihres ersten oder zweiten Spielfilmdrehbuchs unterstützt. In einer Wohnung im Pariser Viertel Montmartre arbeiten sie in zwei Gruppen je viereinhalb Monate.
Neben Französischkursen, individuellen Beratungen und freiem Kinoeintritt in Paris bekommen sie monatlich ein Stipendium von 800€ und nehmen am Festival in Cannes teil. Dort präsentieren sie ihre Projekte vor Filmschaffenden - eine Gelegenheit, Finanzierung und Produktion voranzutreiben. Pro Jahrgang gibt es einen Preis von 5.000€.
Aus den Beziehungen, geknüpft bei Festivals wie Cannes, werden Karrieren, ist sich Scott Roxborough sicher. Der Journalist berichtet bereits seit über 20 Jahren von der Filmbranche an der Croisette "In diesem Kontext im Filmfestival sind alle ein bisschen offener für neue Talente, neue Kontakte." Das sei besonders für junge, nicht-US-amerikanische Filmemacher:innen wichtig, die sonst kaum Zugang zur Branche bekommen.
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Ungestört schreiben in der Résidence
Wei Liang Chiang hat vor vier Jahren selbst sein Filmprojekt beim Pitch präsentiert und damit gewonnen, heute ist er Teil der dreiköpfigen Jury und stellt seinen Film im Nebenwettbewerb des Festivals vor. "In meinem Fall brauchte ich einfach einen Ort, um zu schreiben, einen Ort an dem ich mich konzentrieren konnte und niemand mich finden würde", erinnert er sich an seine Zeit in Paris zurück.
Diesem Austausch begegnen die Bewohner:innen der Pariser Résidence täglich, sie kochen gemeinsam, schauen Filme, schneiden sich gegenseitig die Haare. Und erleben dabei die emotionale Achterbahnfahrt der anderen. "Ich war an einem Tag ziemlich verloren in meinem Skript", erinnert sich Daria Kashcheeva. Nach einem Französischkurs habe die Tschechin sich dann mit den anderen unterhalten und eine Lösung gefunden. "Es tat gut, sich austauschen zu können."
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Carolin Auen, Cannes
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Bekannte Geschichten auf neue Art und Weise
In Cannes überzeugt der Schwede Ernst de Geer die Jury mit seiner Idee für "The Empaths", einem Film über die zwei ungleiche Außenseiter und ihre Freundschaft. "Das bedeutet mir sehr viel, insbesondere um das Projekt weiter voranzutreiben", freut sich der junge Regisseur nach der Entscheidung. "Der Druck ist hoch, etwas Neues zu versuchen, neu zu denken", findet er. Dabei gebe es die meisten Geschichten schon, man müsse diese nutzen, "aber auf die eigene Art und Weise."
Eine eigene Handschrift haben die zwölf Nachwuchsregisseur:innen, die ihre Projekte in Cannes vorstellen. Und nach der Präsentation scharen sich die potenziellen Produzent:innen um sie, tauschen Kontakte aus, wollen mehr über die Ideen der Résidents erfahren. In der Hoffnung, das neue große Filmtalent entdeckt zu haben.
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