Brüssel: Kostenloses Babysitten für Alleinerziehende geplant

    Hilfe für Alleinerziehende:Warum Babysitter in Brüssel aufs Haus gehen

    von Clara Andersen, Brüssel
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    Ein Drittel aller Haushalte in Brüssel sind Alleinerziehende – und die haben oft mit finanziellen Problemen und Stress zu kämpfen. Nun soll ihnen geholfen werden.

    Die Schatten einer erwachsenen Person und eines Kindes sind zu sehen.
    Alleinerziehende Eltern und ihre Kinder sind einem erhöhtem Armutsrisiko ausgesetzt. Diesem versucht die Stadt Brüssel nun durch kostenloses Babysitten entgegenzuwirken.
    Quelle: dpa

    Für Tshituka Priscille, alleinerziehende Mutter von drei Kindern, sind Freizeit und Ruhe Fremdwörter. Nachdem die studierte Musikerin aus dem Kongo von ihrem Mann verlassen wurde, sucht sie aktuell nach einem Job - und weiß schon jetzt nicht, wie sie Arbeit, Kinder und Haushalt unter einen Hut bekommen und dabei auf ihr eigenes Wohlbefinden achten soll.

    Den meisten Leuten ist gar nicht bewusst, wie viel Arbeit man mit drei Kindern hat. Das alles allein zu stemmen, verlangt einem alles ab.

    Tshituka Priscille, alleinerziehende Mutter

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    Alleinerziehende haben erhöhtes Armutsrisiko

    Mit diesem Problem ist sie nicht allein. Rund ein Drittel der Haushalte in Brüssel sind Alleinerziehende, die oft vor besonderen Herausforderungen stehen: Die Betroffenen fühlen sich finanziell und psychisch überlastet, wie ein Diskussionstag im vergangenen Jahr zeigte, den die Stadt Brüssel organisierte - ein Austausch zwischen den Behörden und Alleinerziehenden.
    Mit nur einem Einkommen tragen Alleinerziehende ein erhöhtes Armutsrisiko, was die Ungleichheit zwischen Männern und Frauen verstärkt. Denn nach Zahlen des belgischen Statistikamtes sind 80 Prozent der Alleinerziehenden Frauen. Patrick Liebermann, Sprecher des Brüsseler Sozialdienstes (CPAS), spricht über die Folgen:

    Das Leben für eine Mutter mit drei Kindern ist viel komplizierter als für ein Paar mit Kindern, das steht außer Frage. Und zwar nicht nur finanziell, sondern das ist auch eine extrem hohe psychische Belastung.

    Patrick Liebermann, Sprecher Sozialdienst Brüssel

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    Kostenloses Babysitting in Brüssel: So soll es funktionieren

    Um diesen Problemen zu begegnen, haben die Stadt Brüssel und ihr Sozialdienst deshalb ein neues Projekt ins Leben gerufen, das bereits bestehende Angebote ergänzt: Von nun an stellen sie Alleinerziehenden 20 Stunden kostenloses Babysitting pro Jahr zur Verfügung.
    Konkret können alle Alleinerziehenden in Brüssel sowohl beim CPAS als auch an einen örtlichen Jugendverein für Termine ihrer Wahl einen Babysitter anfordern. Die Babysitter kommen für die entsprechenden Zeiten zu den Alleinerziehenden nach Hause und passen dort auf die Kinder auf.
    Angie (18), Luisa (16) und ihre Mutter Silvana (36) stehen an Stangen gelehnt in einem Hausdurchgang. In dem Gang befinden sich Graffitis, dahinter steht ein Hochhaus.
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    Den alleinerziehenden Eltern soll so die Möglichkeit gegeben werden, sich währenddessen in Ruhe um andere Dinge zu kümmern. "Wir wollen Alleinerziehenden Zeit geben, um zum Beispiel Arzttermine wahrzunehmen oder sich auch einfach mal einen Moment der Ruhe zu gönnen", erklärt Patrick Liebermann.

    150.000 Euro Budget für Babysitting

    Für das Projekt hat die Stadt Brüssel ein Budget von 150.000 Euro zur Verfügung gestellt. Mit dem Geld soll vor allem auch die Qualifikation der Babysitter gewährleistet werden, denn ein Teil des Budgets fließt in deren Schulungen und Erste-Hilfe-Kurse.
    Wie gut das Angebot in der Praxis insgesamt funktioniert und ob es die bestehenden Probleme langfristig lösen wird, ist zum jetzigen Zeitpunkt noch offen. Laut Patrick Liebermann vom Sozialdienst sei es das erste Mal, dass ein solches Projekt initiiert werde und man müsse schauen, wie es sich entwickelt.
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    Erster Schritt gegen Überlastung Alleinerziehender

    Dass das Angebot etwas an der grundsätzlichen Überlastung Alleinerziehender ändern wird, bezweifelt die Mutter Priscille angesichts der sehr begrenzten Stundenzahl jedoch. "Trotzdem ist es ein Schritt in die richtige Richtung, der hoffentlich auf die schwierige Situation von Alleinerziehenden aufmerksam macht." Sie werde das Angebot in Anspruch nehmen.
    Es ist ein Tropfen auf den heißen Stein, der möglicherweise ein Anstoß dafür ist, dass es langfristig noch mehr und andere Unterstützung für Alleinerziehende geben wird.

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    Quelle: ZDF

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