Flugverkehr: Brasilien will soziale Ungleichheit bekämpfen

    Auf Kosten des Umweltschutzes:Fliegen für 37 Euro: Brasiliens Sozialprojekt

    Ein Mann mit schwarzen Haaren und schwarzem Bart schaut in die Kamera
    von Tobias Käufer
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    Während Klimaschützer in Europa Flugverkehr reduzieren wollen, will Brasiliens Präsident immer mehr davon. Aus Gründen der sozialen Gerechtigkeit, sagt Lula da Silva.

    Ein Flugzeug fliegt im wolkenlosen Himmel über eine Großstadt.
    Brasiliens Präsident Lula da Silva will den Flugverkehr für alle Bevölkerungsschichten zugänglich machen.
    Quelle: epa/Fernando Bizerra

    Das eigene Land mit dem Flugzeug erkunden - das soll auch Bevölkerungsschichten ermöglicht werden, die ein niedriges Einkommen haben, so das Ziel der linksgerichteten brasilianischen Regierung um Präsident Luiz Inacio Lula da Silva.
    Laut brasilianischen Medienberichten sind die Begünstigten des Programms "Erfliege Brasilien" ("Voa Brasil") Menschen, die nicht mehr als den doppelten Mindestlohn (1.412 Real, umgerechnet knapp 260 Euro pro Monat) verdienen, aber auch Schüler und Studenten. Die subventionierten Tickets für Inlandsflüge sollen nicht mehr als 200 Real kosten (umgerechnet derzeit etwa 37 Euro). Jeder Anspruchsberechtigte hat laut Programmentwurf das Recht auf vier Tickets pro Jahr.

    Soziale Gerechtigkeit vs. Umweltschutz

    Während Umwelt- und Klimaschützer in Deutschland und Europa fordern, dass Fliegen möglichst teuer wird, sodass die Menschen auf die Bahn umsteigen, setzt Brasilien bei der Verkehrspolitik einen anderen Schwerpunkt. Reisen mit dem Flugzeug soll nicht nur der wohlhabenden Oberschicht vorbehalten bleiben, sondern auch der Bevölkerung aus den Armenvierteln möglich sein. Das Argument: mehr Mobilität für alle und damit mehr soziale Gerechtigkeit im Land.
    Hinzukommt: Das einzelne Land Brasilien ist in der Fläche größer als ganz Europa, ein Direktflug von Rio de Janeiro in die Amazonas-Metropole Manaus dauert etwas länger als vier Stunden. Eine Strecke, die über Land praktisch nicht zu bewältigen wäre. Und ein Ausbau von Straßen oder Eisenbahnlinien würde auch wenig Sinn machen, sagte der bei Programmvorstellung im letzten Jahr noch für die Flughäfen zuständige Minister Marcio Franca:

    Es gibt Orte in Brasilien, an denen der Bau einer Start- und Landebahn für einen Flughafen bedeutet, dass weniger Wälder abgeholzt werden müssen.

    Minister Marcio Franca

    Und damit nämlich auch, "dass keine Autobahn oder Eisenbahn gebaut werden muss. Das bedeutet auch eine nationale Integration." Landebahn statt Autobahn ist gleich Umweltschutz für Brasilien? Eine Klimapolitik, die sich erst noch behaupten müsste.
    Die Sonne scheint durch den Regenwald bei Belem.
    Die Amazonas-Staaten beraten über die Rettung des Regenwaldes. In den letzten Jahren wurden große Teile des Regenwaldes vernichtet, jetzt zeichnet sich eine Trendwende ab. 08.08.2023 | 1:39 min
    Und auch als Teil der Sozialpolitik hakt das Programm noch. Francas Nachfolger Silvio Costa Filho musste den für April vorgesehen Start des Programms noch einmal verschieben. Es seien noch Details zu prüfen, wer am Ende anspruchsberechtigt ist und wer nicht, hieß es aus dem Ministerium.

    Greenpeace will Besteuerung von Luftverkehr

    In Europa wiederum fordern Umweltschützer das Gegenteil. Die Umweltschutzorganisation Greenpeace brachte jüngst eine Besteuerung des klimaschädlichen Luftverkehrs ins Spiel.

    Eine Kerosinsteuer von 50 Cent pro Liter würde jährliche europäische Einnahmen in Höhe von 46,2 Milliarden Euro bringen, die zum Ausbau einer zuverlässigen Bahninfrastruktur und Bereitstellung von bezahlbaren Bahntickets auf dem gesamten Kontinent beitragen könnten.

    Umweltschutzorganisation Greenpeace

    Mehr Fliegen, mehr Tourismus?

    Vor wenigen Tagen besuchte Brasiliens Präsident Lula da Silva den einheimischen Flugzeughersteller Embraer in Sao Jose dos Campos im Bundesstaat Sao Paulo und warb noch einmal für sein Projekt, das vor allem den inländischen Tourismus ankurbeln soll.
    Ein Mann geht an toten Fischen auf einer Sandbank im Fluss Solimoes vorbei, die durch eine schwere Dürreperiode im brasilianischen Bundesstaat Amazonas entstanden ist.
    Der Amazonas-Regenwald erlebt eine dramatische Zeit: Eine Rekorddürre lässt gigantische Flüsse austrocknen. Brasiliens Präsident Lula und die Zivilgesellschaft sind alarmiert.26.10.2023 | 0:21 min
    "Wir - die Regierung, die Geschäftsleute, die Minister - sind schuld. Wenn wir nicht darüber reden und die Menschen dazu bringen, ihr Land kennen zu lernen, werden sie nicht reisen", so der Staatschef.
    Anstatt ins Louvre-Museum nach Paris, anstatt nach Disney zu reisen, was ebenfalls sehr wichtig sei, müssten seine Landsleute erst einmal Brasilien kennenlernen, sagte Lula. Am besten in Flugzeugen des lokalen Herstellers Embraer, denn der schaffe Arbeitsplätze vor Ort.

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