Brände in Brasilien:Warum ein einzigartiges Ökosystem austrocknet
von Anne-Kirstin Berger, Rio de Janeiro
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Vier Jahre nachdem Brände ein Drittel des Pantanal in Brasilien zerstörten, brennt es wieder. Jetzt reagiert die Regierung schneller. Trotzdem ist das Ökosystem in Gefahr.
Brasiliens Sumpfgebiet Pantanal ist das größte Binnenfeuchtegbiet der Erde und beheimatet eine Vielzahl an Tierarten. Zunehmende Trockenheit sorgt jetzt für ausufernde Brände.
Quelle: dpa
Das Feuer kam früher als erwartet, und es kam heftig: Monatelang haben sie im Pantanal im Südwesten Brasiliens vergeblich auf Wasser gewartet. Darauf, dass die Flüsse steigen und eine Seenlandschaft erschaffen, die Lebensraum ist für Kaimane, Riesenotter und Jaguare. Doch die Überschwemmungen blieben aus, und statt des Wassers kam das Feuer.
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3.500 Brandherde zählte die brasilianische Weltraum-Forschungsbehörde in der Region seit Anfang des Jahres, eine Fläche der Größe Hamburgs ist verbrannt. Dabei beginnt die Trockenzeit eigentlich gerade erst.
Ursachen der Brände
Nur ein kleiner Teil der Feuer entsteht durch natürliche Ursachen, etwa einen Blitzeinschlag. Die meisten Brände sind vom Menschen verursacht: um Müll zu verbrennen, Insekten zu vertreiben oder Felder zu reinigen. "Das haben die Menschen hier immer schon so gemacht", erklärt der Biologe Gustavo Figueirôa von der Organisation SOS Pantanal. "Früher war das kein Problem, weil es im Pantanal viel mehr Wasser gab, das Feuer konnte sich nicht ausbreiten. Aber mit der zunehmenden Trockenheit wird diese Art von Feuer immer gefährlicher."
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Das Pantanal ist das größte Binnenfeuchtgebiet der Erde, fast halb so groß wie Deutschland. Es ist Heimat unzähliger Fisch-, Vogel und Säugetierarten. Nirgendwo sonst lassen sich so gut Jaguare beobachten wie hier. Der Tourismus ist neben der Landwirtschaft eine der wichtigsten Einkommensquellen der Region.
Doch das Feuchtgebiet trocknet zunehmend aus. In den letzten 30 Jahren ist die Wasseroberfläche um ein Drittel geschrumpft. 2023 war die Trockenheit besonders intensiv. Biologe Figueirôa ist besorgt: "Wir sprechen von einem Ökosystem, das das Wasser braucht."
Der Wassermangel hat im Pantanal einen Prozess der Wüstenbildung ausgelöst.
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Gustavo Figueirôa, Biologe SOS Pantanal
Die Wurzeln des Problems sind vielfältig und liegen zum Teil tausende Kilometer entfernt. Denn das Wasser, das das Pantanal versorgt, kommt aus dem Amazonasgebiet und aus der Cerrado-Feuchtsavanne, die einen großen Teil des Landesinneren Brasiliens bedeckt.
Der Cerrado gilt als "Wiege des Wassers", die wichtigsten Flussgebiete Südamerikas haben dort ihren Ursprung. Doch während die Abholzung im Amazonasgebiet seit Amtsantritt des Präsidenten Lula da Silva zurückgeht, ist sie im Cerrado in den letzten Jahren weiter gestiegen. Ohne Wälder, die das Wasser an den Quellen und Ufern speichern, trocknen die Flüsse langsam aus. Klimaphänomene wie El Niño und die Auswirkungen des Klimawandels verschärfen die Trockenheit.
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Folgen für Tiere und Pflanzen
Es ist erst vier Jahre her, dass große Teile des Pantanal in Flammen standen. 2020 zerstörten die Brände ein Drittel des Gebiets, 17 Millionen Wirbeltiere kamen ums Leben, schätzen Forscher. Auch damals waren die Feuer größtenteils menschengemacht, die damalige Regierung unter Präsident Bolsonaro unternahm aus Sicht vieler Beobachter nicht genug für die Bekämpfung.
2020 ist ein großer Teil der Pflanzen an den Flussufern verbrannt. Diese Vegetation hat gerade erst begonnen, sich zu erholen, schon kommt ein neues Feuer.
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Grasiela Porfirio, Biologin
Vor und nach den großen Bränden von 2020 hat sie Fotofallen im Pantanal verteilt, um das Verhalten verschiedener Säugetiere zu untersuchen. Die Ergebnisse sind gemischt.
Während einige Raubkatzenarten sich offenbar angepasst haben, waren andere Tierarten deutlich seltener zu beobachten, etwa kleine Nagetiere und das vom Aussterben bedrohte Riesengürteltier. "Für Arten wie das Riesengürteltier, die ohnehin schon selten sind und eine geringe Populationsdichte haben, richtet das Feuer einen großen Schaden an", so die Biologin.
Es verschärft die Gefahr des Aussterbens dieser Arten in der betroffenen Region.
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Grasiela Porfirio, Instituto Homem Pantaneiro
Politisches Handeln
Um die akuten Brände zu bekämpfen, brauche es vor allem eine gute Koordination zwischen den Behörden. Die habe zunächst nicht funktioniert, kritisieren Umweltschützer. Erst Mitte Juni richtete die brasilianische Regierung ein Krisenkabinett ein und schickte Verstärkung ins Pantanal. Zu dem Zeitpunkt waren die Brände rund um die Stadt Corumbá schon außer Kontrolle.
Die Prävention ist gescheitert, sie hätte besser sein müssen.
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Gustavo Figueirôa, Biologe SOS Pantanal
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"Wenn schon zu Beginn des Jahres zusätzliche Feuerwehrleute angestellt worden wären, hätte man schneller reagieren und die Brände eindämmen können", sagt Biologe Figueirôa von SOS Pantatal. Immerhin habe die Regierung schnell gehandelt, als die Lage kritisch wurde.
Derzeit sind über 500 Feuerwehrleute im Pantanal im Einsatz, weitere sollen eingestellt werden. Die nationale Umweltbehörde Ibama stockt auf, nach Jahren der Einsparungen. Der Leiter Rodrigo Agostinho zeigt sich nachdenklich. "Vielleicht reicht all das, was wir derzeit tun, nicht aus", sagte er gegenüber der brasilianischen Zeitung Folha. "Die Herausforderung liegt darin, eine Struktur aufzubauen, die der Klimakrise gewachsen ist. Und diese Struktur hat Brasilien noch nicht."
Anne-Kirstin Berger arbeitet im ZDF-Studio in Rio de Janeiro.
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