Dax im Minus: So unterschiedlich reagieren die Börsen

    Dax im Minus:So unterschiedlich reagieren die Börsen

    Schaltgespräch mit Stephanie barrett am 10.03.2022
    von Stephanie Barrett
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    Noch am Morgen feierten die Börsen Trumps Comeback - doch dann kehrt Ernüchterung ein. Der Dax rutscht ins Minus, die amerikanischen Kurse legen zu. Woran liegt das?

    TN: "Das Wichtigste war die Wirtschaft"
    Trumps Erfolg lasse sich damit erklären, dass er es geschafft habe, die Wahrnehmung der Wirtschaft zu bestimmen, so Waldschmidt-Nelson. Auch wenn dies nicht der Realität entsprach.06.11.2024 | 21:28 min
    An den europäischen Börsen herrschte zunächst Erleichterung über den raschen und klaren Wahlausgang bei der US-Wahl. Die befürchtete Hängepartie mit den damit verbundenen Unsicherheiten blieb aus. Und es gab noch weitere Gründe für Europas Anleger, den Wahlsieg von Donald Trump zu feiern: er verspricht Deregulierung und Steuersenkungen. Und das bedeutet: mehr Geschäft, vor allem in den USA.
    Mittlerweile ist der deutsche Aktienindex (DAX) um mehr als ein Prozent ins Minus gerutscht, die wichtigen US-Indexkurse Dow Jones, Nasdaq und S&P haben dagegen alle zugelegt.
    USA-Expertin Stelzenmüller im ZDF-Wahlstudio
    Die Wirtschaft sei für Donald Trumps Wählerstamm besonders wichtig, so USA-Expertin Stelzenmüller. Die Inflation sei zwar gesunken, die Preise seien jedoch nach wie vor sehr hoch.06.11.2024 | 3:33 min
    Carsten Brzeski, Chefvolkswirt der ING Bank konnte schon morgens den Optimismus der Anleger nicht ganz teilen:

    Das ist ein bisschen kurzsichtig, ein drohender Handelskrieg und die Ukraine werden komplett ausgeblendet, denn verarbeitendes Gewerbe in Europa wird deutlich getroffen werden von US-Strafzöllen.

    Carsten Brzeski, Chefvolkswirt der ING Bank

    SGS Haller
    Besonders schnell haben die Börsen auf Trumps Wahlsieg reagiert. Wie die Finanzmärkte das Ergebnis der US-Wahl werten, berichtet Valerie Haller.06.11.2024 | 1:08 min

    Trumps angekündikte Zölle sorgen für Ernüchterung

    Inzwischen ist diese Erkenntniss auch in den Kursen angekommen. Denn Trump hat vor der Wahl umfassende Importzölle angekündigt: 60 Prozent für sämtliche Waren aus China, zehn bis 20 Prozent für Einfuhren aus dem Rest der Welt.

    Die europäischen Börsen rutschten nach anfänglichen Gewinnen klar ins Minus: der Dax schloss 1,1 Prozent tiefer bei 19.039 Punkten, der EuroStoxx50 verlor 1,4 Prozent. Insbesondere der Exportweltmeister Deutschland könnte vor weiteren Herausforderungen stehen, sollte die Trump-Regierung ihre protektionistische Handelspolitik weiter verschärfen. Trump hatte angekündigt, Produkte aus China mit einem Strafzoll von 60 Prozent, Produkte aus Deutschland und allen anderen Teilen der Welt mit zehn bis 20 Prozent zu belegen.

    An der Frankfurter Börse ging die Angst vor einer Verschärfung der Krise der deutschen Autobauer um. Aktien von Porsche, Mercedes-Benz und Volkswagen brachen zwischen 3,7 und 6,4 Prozent ein.
    Der europäische Autoindex fiel um 2,3 Prozent. Viele Hersteller leiden bereits unter der verflogenen Kauflaune betuchter Kunden in China und der schwierigen Umstellung auf Elektroautos. Die hartnäckige Marktschwäche in China, aber auch Probleme mit einem vom Continental gelieferten Bremssystem sorgten auch bei BMW für einen Gewinneinbruch. Als größter Dax-Verlierer ging es für die BMW-Aktien 6,6 Prozent nach unten.

    Europaweit flogen auch Titel aus dem Sektor Erneuerbare Energien aus den Depots. Aktien von Oersted und Vestas verloren je 12,8 Prozent. Nordex rutschten um 7,6 Prozent ab. Trump hatte in Aussicht gestellt, Offshore-Windkraftprojekte per Dekret noch am ersten Tag seiner Amtszeit stoppen zu wollen.

    Euphorisch war die Stimmung hingegen an der Wall Street, wo der Dow-Jones-Index um 3,3 Prozent nach oben auf ein Allzeithoch von 43.624 Punkten schoss. "Es herrscht Erleichterung über das schnelle und unangefochtene Wahlergebnis, zugleich wird Trumps Sieg aufgrund seiner Versprechen, Steuern zu senken und Regulierungen abzubauen, als großer Vorteil für die US-Unternehmen angesehen", sagte David Morrison, leitender Marktanalyst bei Trade Nation. Groß war der Jubel auch bei Bitcoin-Anlegern. Die Cyber-Devise kletterte um bis zu neun Prozent auf einen Rekordwert von 75.389 Dollar. Investoren hofften unter Trump auf eine kryptofreundliche Regierung. (Quelle: Reuters)

    Das würde in Europa vor allem deutsche Exporteure hart treffen und spiegelt sich prompt in den Aktienkursen heute: Größte Verlierer sind die deutschen Autobauer mit Verlusten von bis zu sechs Prozent. Vor einigen Wochen schon erklärte Trump, am liebsten hätte er die deutsche Automobilindustrie in den USA. Wer in den USA produziert, muss auch keine Zölle fürchten.

    Deutschland muss sich um sich selbst kümmern

    "Die amerikanische Politik wird sich noch stärker auf sich selbst fokussieren", erklärt Achim Wambach vom ZEW Mannheim. "Deutschland und die EU müssen ihren Wirtschaftsstandort dringend stärken."
    Diese Meinung teilt auch Carsten Brzeski: "Der Druck, die hausgemachten Probleme Europas zu lösen, wird steigen."

    Bestenfalls sorgt die US-Wahl für ein Zusammenrücken Europas: ein gemeinsamer Kapitalmarkt und die rasche Umsetzung des Draghi-Plans zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit Europas wären da sinnvoll.

    Carsten Brzeski, Chefvolkswirt der ING Bank

    US-Journalistin Melinda Crane und VDMA-Präsident Karl Haeusgen
    Der Schaden für die deutsche Wirtschaft würde bei einer zweiten Präsidentschaft Trumps etwa 160 Milliarden betragen, so die US-amerikanische Journalistin Melinda Crane.06.11.2024 | 8:42 min

    Deutschland schlechter auf Trump vorbereitet als 2016

    Brzeski sieht vor allem Deutschland schlechter vorbereitet als beim ersten Wahlsieg Trumps 2016: "Während die erste Amtszeit von Trump eine deutsche Wirtschaft in Hochblüte traf und noch das Wirtschaftswunder 2.0 gefeiert wurde, kommen mögliche Strafzölle, Deregulierung des US-Finanzsektors und geopolitische Spannungen zum denkbar ungünstigsten Zeitpunkt", sagte er.

    Nach vier Jahren Stagnation und strukturellen Schwächen ist Deutschland nicht nur der 'kranke Mann Europas', sondern auch verwundbarer als vor acht Jahren.

    Carsten Brzeski, Chefvolkswirt der ING Bank

    Immer klarer wird, die US-Wirtschaft profitiert, die europäische Wirtschaft leidet: "Wir müssen uns darauf einstellen, dass sich die USA weiter von einer offenen, globalen Zusammenarbeit entfernen", warnt Lisandra Flach, Leiterin des ifo Zentrums für Außenwirtschaft. "Deutschland und die EU müssen nun ihre Position durch eigene Maßnahmen stärken. Dazu gehören eine tiefere Integration des EU-Dienstleistungsmarktes und glaubwürdige Vergeltungsmaßnahmen gegenüber den USA", so ihre Empfehlung.
    Wie schnell Trump die Zölle umsetzen will, ist noch unklar. Einige Investoren gehen sogar davon aus, dass er sie nur als Drohkulisse nutzt, um Zugeständnisse von Handelspartnern zu erzwingen. Eine radikale Zollpolitik würde nämlich auch der US-Wirtschaft selbst schaden: Importe in die USA würden teurer und die Inflation befeuert.
    America first ist ein Warnsignal für Europa. Die Aussicht auf mehr Wirtschaftswachstum in den USA stärkt heute den Dollar und schwächt die europäische Währung.

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