US-Wahl 2024: Das verbirgt sich hinter der Blauen Wand

    Analyse

    US-Wahl 2024:Das verbirgt sich hinter der Blauen Wand

    Katharina Schuster
    von Katharina Schuster, Washington D.C.
    |

    Die einst unerschütterlich geglaubte Festung der Demokraten fiel 2016 in Teilen an Donald Trump. Was verbirgt sich hinter der Blauen Wand? Wird dort die US-Wahl 2024 entschieden?

    Die amerikanische Flagge vor dem weißen Haus in Washington D.C.
    Die Wahlen in den Vereinigten Staaten 2024 finden am 5. November statt.
    Quelle: dpa

    Die allermeisten Staaten in den USA werden bei Präsidentschaftswahlen regelmäßig entweder von Republikanern oder von Demokraten gewonnen. Das liegt auch an ihrer demographischen Zusammensetzung: Ländlich geprägte Staaten wählen eher republikanisch, urban/suburban geprägte Staaten wählen eher demokratisch.
    Seit etwa 2000 spricht man deshalb von "Red States", also US-Staaten, die eher die Republikaner wählen - und von "Blue States", also US-Staaten, die eher die Demokraten wählen.

    Was versteht man unter der Blauen Wand?

    Bis zu den US-Wahlen 2016 haben 40 der 50 Bundesstaaten in den vorangegangenen Präsidentschaftswahlen konsistent entweder demokratisch oder republikanisch gewählt, erklärt Marco Overhaus von der Stiftung Wissenschaft und Politik.

    Aus Sicht der Demokraten waren die US-Westküste (Washington, Kalifornien, Oregon), der Mittlere Westen (Minnesota, Wisconsin, Illinois, Michigan) und die nordöstlichen Bundestaaten, darunter Pennsylvania, lange Zeit eine "sichere Bank".

    Marco Overhaus, Stiftung Wissenschaft und Politik

    Wahl-Beobachter und Berater der Demokraten bezeichneten diese Reihe von Staaten als "Blue Wall", also als Blaue Wand. Zwischen 1992 und 2016 hatte die Blaue Wand den Demokraten 242 Stimmen im Electoral College, dem Wahlgremium, gebracht. Nötig sind 270 zur Wahl eines US-Präsidenten.

    Der Präsident wird in den USA nicht direkt von der Bevölkerung gewählt, sondern von Wahlleuten, die aus den Bundesstaaten entsandt werden. Diese wählen dann im Electoral Collage, dem Wahlkollegium, den zukünftigen Präsidenten und seinen Vize. Diese Wahl findet 41 Tage nach der Präsidentschaftwahl statt.

    Das Gremium besteht aus insgesamt 538 Wahlmänner und -frauen. Wie viele Wahlleute ein Bundesstaat entsendet, hängt von der Anzahl der Einwohner im jeweiligen Staat ab.

    Um Präsident zu werden, benötigt einer der beiden Kandidaten mindestens 270 Stimmen der Wahlleute. Zum Beispiel wurde Joe Biden 2020 von insgesamt 306 Wahlleuten gewählt und gewann somit gegen Donald Trump, der 232 Stimmen auf seiner Seite hatte.

    Gibt es auch eine Rote Wand?

    Umgekehrt gab es bis 2016 eine noch größere Zahl von "sicheren" roten Staaten, die also mehrheitlich für den republikanischen Präsidentschaftskandidaten gestimmt haben.
    Die kamen aufgrund ihrer insgesamt geringeren Bevölkerungsdichte zusammen aber nur auf 179 Elektorenstimmen. Insofern könne man auch von einer roten Wand sprechen, sagt Politikwissenschaftler Overhaus. Der Begriff werde aber kaum genutzt.
    Donald Trump erhebt die Faust vor einer US-Flagge
    Das Attentat auf Trump veränderte den US-Wahlkampf von heute auf morgen. Aber es bleibt die Frage, ob dieser nun von mehr Respekt und weniger Hasstiraden geprägt ist.17.07.2024 | 6:17 min

    Was hat sich 2016 geändert?

    Bei der Präsidentschaftswahl 2016 siegte der Republikaner Donald Trump gegen die Demokratin Hillary Clinton. Insbesondere Trumps knappe Erfolge in Wisconsin, Michigan und Pennsylvania, entwerteten das Konzept der Blauen Wand.
    Die Dinge hätten sich seitdem verschoben, stellt Politikwissenschaftler Overhaus gegenüber ZDFheute fest: "Nicht zuletzt, weil die Gruppe der weißen 'Arbeiter' im Mittleren Westen in wahlentscheidenden Größenordnungen von den Demokraten zu den Republikanern, also zu Trump, übergelaufen ist."
    Kamala Harris
    Einwanderertochter, Juristin und erste Frau im Amt des Vizepräsidenten: Kamala Harris wird wohl im November gegen Donald Trump ins Rennen um die Präsidentschaft gehen.29.07.2024 | 8:37 min
    2020 konnte der Demokrat Joe Biden viele Staaten der Blauen Wand zurückgewinnen. 2024 ist die große Frage, ob das der Demokratin Kamala Harris auch gelingen wird. Die Wahl ihres "Running Mate", also ihres Vize-Kandidaten, sei vor diesem Hintergrund getroffen worden, so Politikwissenschaftler Overhaus.
    So fiel die US-Wahl 2020 aus:
    Ergebnis der US-Präsidentschaftswahl 2020

    ZDFheute Infografik

    Ein Klick für den Datenschutz
    Für die Darstellung von ZDFheute Infografiken nutzen wir die Software von Datawrapper. Erst wenn Sie hier klicken, werden die Grafiken nachgeladen. Ihre IP-Adresse wird dabei an externe Server von Datawrapper übertragen. Über den Datenschutz von Datawrapper können Sie sich auf der Seite des Anbieters informieren. Um Ihre künftigen Besuche zu erleichtern, speichern wir Ihre Zustimmung in den Datenschutzeinstellungen. Ihre Zustimmung können Sie im Bereich „Meine News“ jederzeit widerrufen.

    Welche US-Staaten sind neu umkämpft?

    Umgekehrt gelang es Biden 2020 mit Georgia und Arizona zwei Bundesstaaten zu gewinnen, die zuvor lange Zeit republikanisch gewählt hatten. Sie werden deshalb zu den umkämpften Swing States, so genannten "Wackelstaaten", gezählt, so Overhaus.
    Wissenschaftler Overhaus identifiziert diese wichtigen "neuen" Swing States:

    • Michigan ("Blue Wall"): Hat Trump 2016 mit knapp 10.000 Stimmen gewonnen und 2020 verloren.
    • Georgia ("Red Wall"): Hat Trump 2016 gewonnen und 2020 mit knapp 12.000 Stimmen verloren.
    • Arizona ("Red Wall"): Hat Trump 2016 gewonnen und 2020 mit 10.000 Stimmen verloren.
    • Wisconsin ("Blue Wall"): Hat Trump 2016 mit 23.000 Stimmen gewonnen, und 2020 mit 21.000 Stimmen verloren.

    Wie sinnvoll ist das Konzept der Blauen Wand noch?

    Angesichts der beschriebenen Veränderungen macht es eigentlich keinen Sinn mehr von einer Roten oder Blauen Wand zu sprechen, bilanziert Overhaus von der Stiftung Wissenschaft und Politik. "Wenn man im Bild bleiben will, dann hat die Wand große Risse bekommen."
    Präsidentschaft: Trump oder Harris?

    ZDFheute Infografik

    Ein Klick für den Datenschutz
    Für die Darstellung von ZDFheute Infografiken nutzen wir die Software von Datawrapper. Erst wenn Sie hier klicken, werden die Grafiken nachgeladen. Ihre IP-Adresse wird dabei an externe Server von Datawrapper übertragen. Über den Datenschutz von Datawrapper können Sie sich auf der Seite des Anbieters informieren. Um Ihre künftigen Besuche zu erleichtern, speichern wir Ihre Zustimmung in den Datenschutzeinstellungen. Ihre Zustimmung können Sie im Bereich „Meine News“ jederzeit widerrufen.
    Zwar seien die meisten US-Bundesstaaten weiterhin nicht umkämpft, der Weg ins Weiße Haus führe aber über die Swing States (10 +/-). Auf jene Bundesstaaten, in denen sich Demokraten und Republikaner ein Kopf-an-Kopf-Rennen um die jeweiligen Wahlmänner und -frauen liefern, komme es an.
    Dort entscheide sich am 5. November, ob die Menschen in den USA Donald Trump erneut zu ihrem Präsidenten wählen - oder ob mit Kamala Harris zum ersten Mal in der US-amerikanischen Geschichte eine Frau an der politischen Spitze stehen wird.
    Katharina Schuster ist Reporterin in Washington D.C.

    Mehr zu den Wahlen in den USA