Chaos an US-Unis: Warum die Proteste Biden gefährlich werden

Chaos an US-Universitäten:Warum die Proteste Biden gefährlich werden

von Anna Kleiser, Washington D.C.
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Die Republikaner machen Biden für die Eskalation an den Universitäten verantwortlich. Der hält sich auffällig zurück. Das macht gleich mehrere Probleme deutlich.


Auch nur etwa fünfzehn Minuten vom Weißen Haus entfernt steht ein propaläsitinensisches Protestcamp. Im Hof der George Washington Universität stapeln sich Metallabsperrungen, auf einem Pappschild steht: "Du hast dich mit der falschen Generation angelegt. Freiheit für Palästina".
Das Schild nennt zwar keinen Namen, aber gemeint ist der US-Präsident: Joe Biden. Die eskalierenden Proteste rücken das Dilemma der US-Regierung ins Scheinwerferlicht: der außenpolitische Konflikt wird zur innenpolitischen Krise, der Präsident mittendrin.

Druck auf Biden steigt seit Monaten

Die humanitäre Krise im Gazastreifen und der Tod von zehntausenden Palästinensern lässt die Proteste seit Monaten schwelen. Viele junge Protestierende werfen dem US-Präsidenten Völkermord vor - "Genocide Joe" ist auf vielen Schildern zu lesen. Das Chaos an einigen Universitäten, die Gewalt in Los Angeles und die Räumung der Columbia-Universität sind die aktuelle Eskalationsspitze der Protestwelle.

Israel und Gaza
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Demonstranten mit Plakaten, darunter eines mit der Geisel Noa Argamani
Innerhalb von rund zwei Wochen haben sie sich von New York an Hochschulen im ganzen Land ausgebreitet. Es ist eine explosive Mischung aus friedlichen Studentenprotesten, antisemitischen Tiraden und dem Einfluss von Organisationen außerhalb der Universitäten. Während die Lage unübersichtlich bleibt, rollt die politische Debatte.

Trump kritisiert Bidens Zurückhaltung

Noch in der Nacht der Räumung in New York lässt sich Donald Trump nachts bei Fox News zuschalten und wirft Biden vor, untätig zu sein und dem Land keine Führung zu bieten. Trump nutzt das Chaos an der Uni für seine Botschaft: Die USA würden nicht mehr respektiert, die Regierung sei unfähig.
Tatsächlich bleibt es aus dem Weißen Haus erstaunlich still. Der Präsident versucht, sich so weit wie möglich rauszuhalten. Bis Mittwochmittag Ortszeit gibt es keinen Kommentar zu den Ausschreitungen. Tage zuvor hat Biden weiter seinen Spagat geübt: Antisemitische Parolen verdammt und parallel dazu Verständnis für Proteste gegen die humanitäre Katastrophe gezeigt.

Gaza könnte Biden wichtige Stimmen kosten

Dass die US-Kritik an Israels Regierung immer lauter wird, dass es zusätzliche Hilfsgüter gibt, reicht den Protestierenden nicht. Was Biden dringend braucht, ist ein Durchbruch bei den zähen Verhandlungen um eine Waffenruhe im Krieg in Nahost. Sein Außenminister Antony Blinken tourt gerade wieder durch die Region, bisher jedoch ohne den großen Erfolg.
Selbst wenn die Waffenruhe kommen sollte, ist offen, wie viele Menschen das befriedet. In den wichtigen Swing States wie Pennsylvania oder Michigan haben bei den Vorwahlen Zehntausende aus Protest nicht für Biden gestimmt. In einem Wahlsystem, in dem wenige Stimmen in wenigen Staaten die Wahl entscheiden, kann das große Auswirkungen haben.

Demokraten finden keine gemeinsame Linie

All das setzt Demokraten und Regierung auch intern unter enormen Druck. Der Frust zeigt sich immer klarer. Innerhalb der Regierung ist man sich nicht sicher, ob Israel die Auflage einhält, mit US-Waffen nicht gegen Menschenrechte zu verstoßen. In einer Woche läuft die Frist für das US-Außenministerium aus, seinen Bericht dem Kongress vorzulegen.
Bidens Partei findet keine gemeinsame Linie. Sie streiten intern über den Krieg zwischen Israel und Hamas und über den Umgang der Universitätsverwaltung mit den Protesten. Gerade der linke Flügel distanziert sich zunehmend.

Republikaner erhöhen Druck auf Biden

Während das Thema die Demokraten spaltet, soll es die zerstrittenen Republikaner einen. Der republikanische Sprecher des Repräsentantenhauses, Mike Johnson, platziert sich und seine Partei als Kämpfer gegen Antisemitismus. Im Wahljahr versuchen die Konservativen damit zu punkten, sich bei vielen Themen klar von progressiven Aktivisten zu distanzieren.
Johnson war nach New York gereist, um mit jüdischen Studierenden an der Columbia-Universität zu sprechen. Zu seinen Plänen gehören nun ein Gesetz gegen Antisemitismus und mehrere Kongress-Untersuchungen zur Finanzierung von Universitäten.

Antisemitismus ist ein Virus, und weil die Regierung und woke Universitätspräsidenten nicht eingreifen, breitet er sich aus.

Mike Johnson, Sprecher des Repräsentantenhauses

Biden sollte in Offensive

Für Biden schlummern in dieser Krise mindestens zwei Probleme: Die Republikaner geben alles, um ihn als chaotisch und schlechten Führer darzustellen. Die junge Generation fühlt sich weder gehört noch ernstgenommen.
Um anderen nicht die Deutungshoheit zu überlassen und um nicht weitere moderate und junge Wähler zu verprellen, muss Biden aus der Deckung kommen.
Anna Kleiser ist Korrespondentin im ZDF-Studio Washington.

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