Maffiaähnliche Strukturen? Neue Vorwürfe gegen René Benko

    Maffiaähnliche Strukturen?:Neue Vorwürfe gegen René Benko

    von Alara Yılmaz, Wien
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    Fragwürdige Immobiliengeschäfte und kriminelle Vereinigungen - Unternehmer René Benko wird in Italien erneut schwer belastet. Und bleibt trotz Haftbefehls auf freiem Fuß.

    Archiv: Signa-Gründer René Benko am 24.04.2024
    Die italienische Justiz hat nach fünf Jahren Ermittlungen Haftbefehl gegen René Benko und seinen Signa-Partner erlassen.
    Quelle: dpa

    Razzia in Südtirol. 77 Personen werden verdächtigt, Amtsträger bestochen zu haben. Es geht um Genehmigungen für Immobilienprojekte. Unter den Verdächtigen: der österreichische Unternehmer René Benko. Dem Gründer der mittlerweile insolventen Signa-Gruppe wird vorgeworfen, im Zentrum einer mafiaähnlichen kriminellen Vereinigung zu sein.
    Die italienische Justiz hat nach fünf Jahren Ermittlungen, Haftbefehl gegen Benko und seinen Signa-Partner in Südtirol, Peter Hager, erlassen. Sogar die italienische Anti-Mafia-Behörde schaltet sich ein. Der größte Finanzkrimi, den Österreich und Deutschland je gesehen haben, hat ein weiteres Kapitel. Eines mit Sprengkraft.
    René Benko
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    Wieso Benko vorerst auf freiem Fuß bleibt

    Allerdings bleibt Benko vorerst auf freiem Fuß: Das Landeskriminalamt Tirol hatte ihn zwar vernommen, aber nicht festgenommen. Der Haftbefehl werde in Österreich nicht vollstreckt, so ein Sprecher der Innsbrucker Staatsanwaltschaft. Denn wenn die in Rede stehenden Delikte auch im Heimatland des Beschuldigten strafbar sind, kann die lokale Justiz das Verfahren übernehmen. Dies werde derzeit geprüft.
    Solange kann sich Benko frei bewegen - zumindest in Österreich. Nachbarländer könnten den Haftbefehl durchaus vollstrecken. Es gilt die Unschuldsvermutung. Benkos Anwalt streitet alle Vorwürfe ab, sein Mandant werde weiterhin mit den Behörden kooperieren.
    Der Fall gliedert sich in eine Reihe von Vorwürfen gegen den Immobilien-Tycoon. Nach der Pleite der Signa Holding, der Dachgesellschaft von Benkos Imperium, wird nun in vier Ländern gegen ihn ermittelt: Nicht nur in Italien und Österreich, wo ihm von der Wirtschaftsstaatsanwaltschaft "schwerer Betrug" vorgeworfen wird, auch in Liechtenstein und Deutschland. In Hamburg musste sein Projekt "Elbtower" nach Insolvenz seiner Firma gestoppt werden, die Bauarbeiten stehen seit Oktober 2023 still.
    Rene Benko steht mit verschränkten Armen im dunklen Anzug vor einer Wand mit einem silberfarbenen Relief. Er schaut ernst in die Kamera.
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    Gläubiger warten auf ihr Geld

    Unklar ist für österreichische Behörden, wie viel von Benkos Besitz Privateigentum ist und was seiner Firma oder seinen Stiftungen gehört. Die Grenzen sind verschwommen. Fahnder untersuchten im Juni Benkos Villa in Innsbruck und beschlagnahmten relevante Dokumente: Fraglich ist, ob womöglich noch Vermögensteile beiseite geschafft wurden oder noch immer in Parallel-Strukturen der Stiftungen angelegt sind. Investigativjournalist Rainer Fleckl befasst sich schon lange mit der Causa Benko:

    Das Imperium René Benko hat nach wie vor Möglichkeiten, mit Stiftungen zu operieren. Das versteht in Österreich niemand.

    Rainer Fleckl, Investigativjournalist

    Nicht nur dort warten Gläubiger weiterhin auf ihr Geld - 3,4 Milliarden Euro. Benko-Experte Fleckl glaubt nicht, dass die Investoren ihr Geld bald zu Gesicht bekommen.
    Kriminelle Vereinigung?
    Die Mafia-Vorwürfe in Italien bringen Benkos bisherige Verhängnisse mit der Justiz auf eine neue Ebene. "René Benko war bisher immer nur ein Strippenzieher im Hintergrund", sagt der Wirtschaftswissenschaftler Leonhard Dobusch. "Teil der Vorwürfe ist jetzt, dass es hier quasi ein kriminelles Netzwerk gab, mit ihm als Kopf der Vereinigung". Das wirft Fragen auf in Richtung Politik und Behörden. Fleckl etwa kritisiert Fahrlässigkeit im Umgang mit Korruption in Österreich:

    In dem Gesamtkomplex der Signa und des René Benko haben sicherlich viele Menschen, die sehr nah dran waren, das eine oder andere Auge zugedrückt.

    Rainer Fleckl, Investigativjournalist

    "Wirtschaftspresse zu wenig hingeschaut"

    Dobusch benennt auch das Fehlverhalten lokaler Medien. Diverse Magazine erklärten den Immobilienunternehmer damals zum "Mann des Jahres" oder betitelten ihn als "Wunderwuzzi": "Die Wirtschaftspresse hat da viel zu wenig hingeschaut." Außerdem beklagt der Experte eine zu große Nähe von Politikern und Unternehmern. So gilt Benko als eng verbunden unter anderem mit Spitzenpolitikern wie Ex-Bundeskanzler Alfred Gusenbauer.
    Die Prozesse gegen Benko könnten Jahre dauern. Falls es dann zu Freisprüchen kommt, so Dobusch, sei nicht auszuschließen, "dass Benko wieder unternehmerisch tätig wird".
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