Mutterschutz und Rente:Sexarbeit: Mehr Rechte in Belgien
von Johanna Muth
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Entkriminalisiert und jetzt rechtlich gleichgestellt: Als erstes Land weltweit hat Belgien ein umfassendes Arbeitsgesetz für Sexarbeitende eingeführt.
Sexarbeit befindet sich vielen Ländern in einer rechtlichen Grauzone oder ist ganz verboten. Belgien geht einen neuen Weg - und stellt die Sexarbeit mit anderen Berufen gleich.
Quelle: dpa
Anspruch auf Rente, geregelte Arbeitszeiten und Mutterschutz - was für viele als selbstverständlich gilt, trifft seit Dezember letzten Jahres auch auf Sexarbeitende in Belgien zu. Dank eines neuen Gesetzes, welches im Mai 2024 ohne Gegenstimmen vom Parlament verabschiedet wurde und im Dezember 2024 in Kraft trat, können Menschen, die Sexarbeit verrichten, in Belgien einen Arbeitsvertrag unterschreiben.
Das ist ein sehr mutiger Schritt. Wir sind sehr froh, dass Belgien diesen Schritt gegangen ist, und dass Belgien auf die Sexarbeitenden selbst hört.
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Daan Bauwens, UTSOPI, Gewerkschaft für Sexarbeitende
Trotz Anmeldepflicht weiß niemand, wie viele Sexarbeiterinnen es in Deutschland wirklich gibt. Viele arbeiten in Massagesalons oder illegalen Wohnungsbordellen. Und sie verkaufen ihren Körper nicht selten unter Zwang.22.10.2024 | 11:30 min
Betrieb von Bordellen wird entkriminalisiert
Zuvor war in Belgien das Anbieten und der Kauf von Sexarbeit bereits entkriminalisiert worden, der Profit Dritter durch die Sexarbeit jedoch nicht. Das Betreiben von Bordellen und die Vermietung von Zimmern galten also als strafbar. Das ändert sich jetzt: Der Profit Dritter aus der Sexarbeit wurde ebenfalls entkriminalisiert, die zuvor existierende Grauzone aufgelöst.
Die neuen Vorschriften sehen dafür einiges vor: Die Vorgeschichte derer, die Bordelle betreiben wird geprüft, in allen Zimmern wird ein Alarmknopf angebracht und den Sexarbeitenden in Bordellen wird ein Arbeitsvertrag vorgelegt. Außerdem haben die Prostituierten das Recht, Handlungen oder Kunden abzulehnen.
Sicher gibt es viele Orte, wo sie Mädchen ausbeuten. Und ich hoffe, dass das durch das neue Gesetz jetzt vielleicht weniger wird. Dass sich vielleicht auch die Mädchen durchsetzen und sagen, das will ich nicht.
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Daisy, Sexarbeiterin
Vivien arbeitete vier Jahre als Escortdame und Domina. Dann schaffte sie den Absprung. Christina kannte kein Familienleben, ihre drogenabhängige Mutter zwang sie in die Prostitution.20.10.2024 | 27:01 min
Neues Gesetz gilt auch für Selbstständige
Anspruch auf Sozialleistungen haben in erster Linie aber nur Sexarbeitende, die einen Arbeitsvertrag unterschreiben. Gleichzeitig gibt es Sexarbeitende, die keinen Arbeitsvertrag und keine Festanstellung möchten. Laut UTSOPI profitieren jedoch auch Selbstständige der Sexarbeit von dem neuen Gesetz, denn durch die Legalisierung des Profits Dritter und die entsprechenden Vorschriften würde ein sicherer Raum für die Sexarbeit geschaffen und die Enttabuisierung weiter vorangetrieben.
Ich würde auf jeden Fall sagen, dass die Entkriminalisierung der Sexarbeit und die Arbeit, die wir geleistet haben, wirklich zu einem größeren Selbstwertgefühl, weniger Schamgefühl und mehr Offenheit gegenüber der Sexarbeit … geführt hat.
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Daan Bauwens, UTSOPI, Gewerkschaft für Sexarbeitende
In Deutschlands Rotlichtvierteln bieten Prostituierte Sex zu Dumpingpreisen an. Die meisten der Frauen kommen aus dem Ausland - und kaum eine von ihnen bietet diese Leistung freiwillig an.21.09.2022 | 43:40 min
Mehr Kosten durch legale Arbeitsverträge
Es bleiben dennoch die Menschen in der Sexarbeit, die keinen Arbeitsvertrag unterschreiben können, zum Beispiel, wenn sie keine Aufenthaltserlaubnis für Belgien haben.
Außerdem gebe es laut UTSOPI Prostituierte, deren Arbeitgeber ihnen keine Arbeitsverträge vorlegen wollen. Denn durch die neuen Regelungen nehmen der administrative Aufwand, Kontrollen zu. Durch die Sozialabgaben kommen höhere Kosten auf Arbeitgeber und Arbeitnehmer zu.
Finanziell lohne sich das Abschließen eines Arbeitsvertrages nicht unbedingt, sagt Kris, Besitzer eines erotischen Massagesalons: "Ich denke, dass das für die Sexarbeiterinnen eine gute Sache ist."
Für uns als Chefs ist es schwieriger, denke ich, weil mehr Frauen in den Genuss des Krankengeldes kommen können. […] Wir leiden darunter, weil man die Frauen bezahlen muss, auch wenn sie zu Hause bleiben.
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Kris (Besitzer eines erotischen Massagesalons/Bordellbetreiber)
Wird die rechtliche Gleichstellung gelingen?
Trotzdem hofft die belgische Gewerkschaft für Sexarbeitende, dass die rechtliche und soziale Absicherung, die die Arbeitsverträge mit sich bringen, die Sexarbeitenden und ihre Arbeitgeber davon überzeugt, eine solche Vereinbarung zu unterschreiben.
Belgien ist europa- und weltweit das erste Land, welches damit die Tätigkeit von Sexarbeitenden mit anderen Berufen gleichstellt und ein umfassendes Gesetz zur Sexarbeit einführt.
Deutschland ist ein Paradies für Freier und Zuhälter, für Zwangsprostitution und Menschenhandel, sagt CSU-Politikerin Bär. Sie fordert ein Sexkaufverbot. Was würde es bringen?
von Tonja Pölitz
mit Video
Quelle: dpa
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