Der Fall Rico K.: Inszenierung im Staatsfernsehen in Belarus

    Der Fall Rico K.:Inszenierung im Staatsfernsehen von Belarus

    von Felix Klauser
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    Im Stil eines Actionthrillers zeigt das Staatsfernsehen in Belarus den zum Tode verurteilten Deutschen Rico K. - und befeuert Spekulationen über einen Gefangenenaustausch.

    Karl Hinterleitner zum Todesurteil eines Deutschen in Belarus
    Wegen angeblichen Söldnertums und Terrorismus wurde ein Deutscher in Belarus zum Tode verurteilt. In einem fragwürdigen Fernsehinterview bat er um Begnadigung.26.07.2024 | 1:24 min
    Das Video ist schnell geschnitten und mit martialischer Musik unterlegt: Zur besten Sendezeit strahlt das belarussische Staatsfernsehen einen Beitrag über den zum Tode verurteilten Deutschen Rico K. aus. Erstmals äußert er sich zu den Vorwürfen, räumt diese in Teilen ein.

    Ich bekenne mich schuldig, definitiv.

    Rico K.

    Armin Coerper | ZDF-Korrespondent in Moskau
    "In Belarus sehen wir immer wieder, dass politische Gefangene zu solchen Auftritten gezwungen werden", so ZDF-Korrespondent Armin Coerper. Der Druck auf die Bundesregierung solle erhöht werden".26.07.2024 | 3:22 min

    Faustpfand des belarussischen Regimes

    In dem gut 15-minütigen Video schildert der 29-Jährige die Vorbereitung und Durchführung eines Sprengstoffanschlags auf einen Bahnhof in Belarus. Immer wieder ist der Deutsche zwischen der russischen Übersetzung klar zu verstehen.
    Unklar bleibt, ob K., der mit Handschellen gefesselt in einer Zelle sitzt, diese Aussagen freiwillig trifft. Die Vermutung, dass dem nicht so ist, liegt nahe.
    Denn immer wieder werden in Belarus Häftlinge im Fernsehen regelrecht vorgeführt, geben "Interviews", die diesen Namen kaum verdienen. Dass nun auch Rico K. zu jenen gehört, die der Öffentlichkeit präsentiert werden, spricht einmal mehr dafür, dass K. weniger normaler Gefangener, als vielmehr ein Faustpfand des belarussischen Regimes ist.
    SGS Schmiese
    Vergangene Woche wurde in Belarus ein Deutscher zu Tode verurteilt. Welche Pläne die Bundesregierung hat, um ihn zu befreien, schildert ZDF-Korrespondent Wulf Schmiese.26.07.2024 | 1:41 min

    Möglicher Gefangenenaustausch steht im Raum

    Der Rettungssanitäter, der in Deutschland zuletzt in Salzgitter gearbeitet haben soll, wurde dem belarussischen Menschenrechtszentrum Wjasna zufolge Anfang November 2023 in Belarus verhaftet.
    Am 24. Juni sprach ihn ein Gericht des Terrorismus und des Söldnertums schuldig, verhängte die Todesstrafe durch Exekution.
    Belarus ist das einzig verbliebene Land in Europa, das Todesurteile verhängt und vollstreckt. Dass sich zum Tode Verurteilte im Staatsfernsehen äußern, das ist allerdings selbst für belarussische Verhältnisse ungewöhnlich.
    Seit Tagen wird mehr oder weniger offen spekuliert, ob der Deutsche Teil eines Gefangenenaustauschs werden könnte. Mehrere Indizien sprechen dafür.
    Belarus: Militärmanöver
    Bei einem Manöver in Belarus üben belarussische gemeinsam mit chinesischen Streitkräften – direkt an der Grenze zu Polen. 11.07.2024 | 1:59 min

    Auffällige Parallele zum Fall Gershkovich

    So wurde das Urteil gegen Rico K. ausgerechnet an jenem Tag publik, an dem der in Russland inhaftierte US-Journalist Evan Gershkovich zu 16 Jahren Lagerhaft verurteilt wurde. Gershkovich, der für das amerikanische Wall Street Journal tätig war, wird Spionage vorgeworfen.
    Seit der Verhaftung des Journalisten spricht der Kreml immer wieder darüber, dass Gershkovich Teil eines Gefangenenaustauschs sein könnte.
    Wladimir Putin selbst hat angedeutet, dass auch der sogenannte Tiergartenmörder, der in Berlin in Haft sitzt, Teil dieses Tauschs sein könnte - allein: er sitzt eben in Berlin. Beobachter sehen in der Verurteilung von Rico K. den Versuch, Druck auf die Bundesregierung auszuüben, einem Austausch des Tiergartenmörders zuzustimmen.
     US journalist Evan Gershkovich, accused of espionage, stands inside a glass defendants' cage during the verdict announcement at the Sverdlovsk Regional Court in Yekaterinburg on July 19, 2024.
    Wegen angeblicher Spionage wurde der 32-jährige Journalist des Wall Street Journals, Evan Gershkovich, in Russland verurteilt. International löste das Urteil heftige Kritik aus.19.07.2024 | 1:31 min

    Gespräche zwischen Minsk und Berlin

    Dazu passt, dass die autoritäre Regierung von Belarus Gespräche mit der Bundesregierung angekündigt hat. Am Wochenende sagte ein Sprecher des Minsker Außenministeriums, dass man "konkrete Lösungen für die bestehenden Möglichkeiten zur Entwicklung der Situation vorgeschlagen" habe.

    Die Regierung sollte um mich kämpfen. […] Noch lebe ich, noch hat man die Zeit zu verhandeln, noch ist es nicht zu spät.

    Rico K.

    Das Auswärtige Amt in Berlin setzt sich für Rico K. ein und betreut ihn konsularisch. Zu einem möglichen Gefangenenaustausch äußert man sich bislang jedoch nicht.
    Rico K. kritisiert die Bundesregierung im Video, prangert mangelnde Unterstützung an und betont immer wieder, dass er den größten Fehler seines Lebens gemacht habe.

    Ich bereue jede einzelne Sekunde.

    Rico K.

    SGS Coerper
    Der US-Journalist Evan Gershkovich ist in Russland zu 16 Jahren Lagerhaft verurteilt worden- wegen angeblicher Spionage. ZDF-Korrespondent Armin Coerper zu den Hintergründen.19.07.2024 | 1:02 min

    Lukaschenko trifft Putin in St. Petersburg

    Während der Beitrag ausgestrahlt wurde, trafen sich die Präsidenten Wladimir Putin und Alexander Lukaschenko überraschend für ein Abendessen bei St. Petersburg.
    Wie so vieles in Russland und Belarus dürfte das ebenso wenig Zufall gewesen sein, wie das Ende des Beitrags über Rico K.: Der bittet die Bundesregierung zum Abschluss seines Statements unter Tränen um Unterstützung - auch das dürfte dem Drehbuch folgen, das in Minsk und Moskau geschrieben wird.
    Russlands Präsident Putin (links) schüttelt die Hand von seinem belarussischen Amtskollegen Lukaschenko in Minsk.
    Im Mai hat Russlands Präsident Putin in Belarus seinen Amtskollegen Lukaschenko getroffen. Dort sprachen sie über Sicherheit und militärische Übungen mit taktischen Atomwaffen.24.05.2024 | 0:20 min

    Eine Person hält ein Smartphone in der Hand. Darauf ist der WhatsApp-Channel der ZDFheute zu sehen.
    Quelle: ZDF

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