Der Holocaust: KZ-Überlebender aus Auschwitz im Interview

    Auschwitz-Überlebender berichtet:Wer sich nicht bewegen konnte, wurde ermordet

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    Mit 12 Jahren deportierten die Nazis Bartnikowski nach Auschwitz. "Wenn man sich nicht mehr bewegen konnte, wurde man einfach ermordet." Wie er es geschafft hat, nicht aufzugeben.

    Zu sehen ist der 92 Jahre alte Auschwitz-Überlebende Bogdan Bartnikoswki.
    Bogdan Bartnikowski wurde mit 12 Jahren in das Konzentrationslager Auschwitz deportiert und hat überlebt. Er gehört zu den letzten Zeitzeugen. 27.01.2024 | 1:34 min
    Bogdan Bartnikowski ist heute 92 Jahre alt. Er und seine Mutter haben die Konzentrationslager Auschwitz und Sachsenhausen überlebt. Im ZDFheute-Interview berichtet er von Folter, Todesangst und Hoffnung.
    ZDFheute: Was sind Ihre ersten Erinnerungen an die Ankunft in Auschwitz?
    Bogdan Bartnikowski: Als sich die Türen des Waggons öffneten, wurden wir hinausgeworfen. Es war Nacht. Ich sah die schwach beleuchteten Dächer der Baracken, Reihen von SS-Männern mit Hunden. Das grelle Licht der Scheinwerfer war auf uns gerichtet. An der Seite zwei riesige Schornsteine, aus denen meterhoch Flammen schlugen. Ein unglaublicher Gestank. Und sofort fand ich mich auf dem Boden wieder, wurde sofort von meiner Mutter weggerissen.

    Man sah vom ersten Tag an Leichenberge, die noch unaufgeräumt an den Wänden lagen, weil die Krematorien mit der Verbrennung all dieser Ermordeten nicht nachkamen.

    Bogdan Bartnikowski, Auschwitz-Überlebender






    ZDFheute: Was war das Schwierigste am täglichen Leben im Lager?
    Bogdan Bartnikowski: Die langen Stunden der sogenannten Gymnastik.

    Man misshandelte uns mit Übungen, sagen wir Froschsprung in der Hocke, hinfallen, aufstehen. Diese Art von Übungen ohne Ende. Wenn man sich nicht mehr bewegen konnte, wurde man einfach ermordet.

    Bogdan Bartnikowski, Auschwitz-Überlebender

    Hunger, Dreck, Kälte. Zum Beispiel wurde eine Gruppe von uns, vielleicht etwas stärkere Jungen, anstelle von Pferden vor einen Pferdewagen gespannt und erfüllten die Aufgabe des internen Transports innerhalb von Birkenau, um alle möglichen Dinge zu transportieren, auch geplünderte Dinge, von ermordeten Häftlingen. Nach den Anforderungen der Nazi-Behörden mussten die Häftlinge alles im Laufschritt machen, sonst wurden sie sofort geschlagen. Und das Ziehen dieses Wagens war eine schwierige, sehr anstrengende Angelegenheit.
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    Und die Trennung von den Familien. Das Bewusstsein dessen, dass 100 Meter von uns entfernt unsere Mütter sind, und wir haben keine Informationen über sie, wir wissen überhaupt nicht, ob sie krank sind, ob sie umgebracht worden sind, nichts.
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    ZDFheute: Wie war es, an die Freiheit zu denken?
    Bartnikowski: Wir haben noch am Anfang einen Kapo (Anm. d. Red.: einen Häftling, der andere Häftlinge beaufsichtigen musste) gefragt: "Herr Kapo, warum sind wir hier in der Baracke? Wir haben doch nichts verbrochen. Wir wollen nach Hause, in die Freiheit." Er hat freudig gekichert: "In die Freiheit. Seht ihr diese Schornsteine hier? Nur hier kommt man zur Freiheit - durch diesen Kamin, es gibt keinen anderen Weg in die Freiheit". Etwa einmal im Monat wurden wir irgendwo reingebracht. Sie forderten uns auf, uns nackt auszuziehen und fuhren uns in eine große Halle mit Duschen, um sich zu waschen. Es lief kaltes Wasser, aber wenn das Wasser aufhörte zu laufen dann guckten wir auf die Duschen. Kommt jetzt Wasser oder vielleicht Gas? Aber es war Wasser. Ausatmen.
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    ZDFheute: Wie haben Sie es denn geschafft, diese Hoffnung nicht zu verlieren?
    Bartnikowski: Es war für uns sehr wichtig, Kontakt zu den erwachsenen polnischen Häftlingen zu haben, die manchmal abends zu uns kommen konnten und immer sagten: "Leute wir werden frei sein, wir kehren wieder zurück".

    Oder jeden Abend zu beten, sich zu erinnern. Das hat uns alle in der Hoffnung gehalten, dass es positiv enden muss, dass wir frei sein werden.

    Bogdan Bartnikowski, Auschwitz-Überlebender

    ZDFheute: Aber es gab täglich Hunger und Krankheit?
    Bartnikowski: Am meisten gab es unter uns Durchfall. Typhus. Man wollte viel trinken, besonders in den wärmeren Monaten, August, September, aber es gab keine Möglichkeit zu trinken. Es gab zwar einen Waschraum mit Wasser, zu dem man zwei- oder dreimal am Tag für eine Weile laufen konnte. Aber dieses Wasser war ungereinigt. Und die älteren Häftlinge sagten, das dürfe man nicht trinken, denn wenn man es probierte, gab es Durchfall. Und Durchfall in dem Lager, bei der Ernährung, das war der sichere Tod.
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    ZDFheute: Haben Sie den Nazis verziehen?
    Bartnikowski: Denen kann man nicht mehr vergeben, sie sind nicht mehr da. Ich kann nur noch daran erinnern, dass sie so waren. Man muss nicht in ständigem Hass leben und genau beobachten, ob sich dieses Gefühl des Nazismus, den Hass auf Menschen anderer Nationen, nicht ausbreitet.

    Aber wir können doch sehen, was passiert. Es gibt jene Populisten, die meinen, ihre Nation verdiene etwas, sei eine besonders privilegierte Nation. Das ist eine schreckliche Sache.

    Bogdan Bartnikowski, Auschwitz-Überlebender

    Und es stellte sich heraus, dass die Tragödie von Auschwitz den Menschen von heute nicht viel mitgegeben hat und dass der Krieg in der Ukraine in gewisser Weise auch eine Fortsetzung der damaligen Tragödie ist.
    Das Interview führten Natalie Steger und Lukasz Walewski, ZDF-Studio Warschau.

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