Michel Barnier wird Frankreichs neuer Premier

    Ex-Brexit-Unterhändler der EU:Barnier wird Frankreichs neuer Premier

    Thomas Walde aus Paris
    von Thomas Walde, Paris
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    Für die EU führte er einst die Brexit-Verhandlungen. Jetzt soll Michel Barnier, der in Frankreich zuletzt eher eine nachgeordnete Rolle spielte, neuer Premier des Landes werden.

    Der Ex-Brexit-Unterhändler Michel Barnier. Archivbild
    Wird Premier in Frankreich: Ex-Brexit-Unterhändler Michel Barnier.
    Quelle: Ludovic Marin/AFP/dpa

    Michel Barnier ist ein konservativer Politiker und ehemaliger EU-Kommissar für den Binnenmarkt. Bekannt geworden ist er, als er für die EU die Verhandlungen über den Brexit führte.
    Barnier hat in den vergangenen Jahren in Frankreich nur eine nachgeordnete politische Rolle gespielt. Seine Partei, die Républicains, erlitt bei den jüngsten Wahlen herbe Verluste. Insofern ist es kurios, dass nun ein Konservativer dieser Partei die Regierung anführen soll.

    Mehrere Kandidaten wurden als Premier gehandelt

    In den vergangenen Tagen wurden mehrere Politiker von links und rechts als Kandidaten öffentlich diskutiert. Mehrfach drohten die Parteien von links und rechts ein Misstrauensvotum an. Damit wäre die neue Regierung sofort wieder aus dem Amt geflogen. So war Emmanuel Macrons Spielraum begrenzt.
    Die Mehrheitsverhältnisse in der Nationalversammlung sind schwierig. Es stehen sich, grob gesagt, drei Blöcke gegenüber, die untereinander wenig kompromissbereit sind. Frankreich zeigt, wie schwer es ist, politische Kompromisse zu finden, wenn die politischen Ränder zu stark werden.
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    Macron wollte eigene politische Agenda erhalten

    Macrons Ziel war es auch, von seiner politischen Agenda möglichst viel zu erhalten. Kandidaten von links und ganz rechts hatten gedroht, die von Macron durchgesetzte Rentenreform rückgängig zu machen. Die Républicains haben nicht die Abschaffung der Rentenreform gefordert.
    Barnier gilt als respektabel und seriös und polarisierte nicht. Das könnte ein Misstrauensvotum gegen ihn etwas unwahrscheinlicher machen.

    So lange wie nie zuvor in der Fünften Republik hat Frankreich schon keine voll handlungsfähige Regierung mehr. Präsident Macron hat das Land in die Krise manövriert, indem er nach dem Wahlsieg der Rechtspopulisten bei der Europawahl im Juni Neuwahlen ausgerufen hat, die zu komplizierten Mehrheitsverhältnissen geführt haben. Nach einer Woche nahm Macron den Rücktritt von Premierminister Gabriel Attal an, dessen Regierung aber weiter geschäftsführend im Amt ist.

    Mehr als zwei Dutzend Namen wurden seitdem als mögliche Kandidaten für das Amt des Premierministers genannt - unter ihnen viele, die in der Öffentlichkeit komplett unbekannt waren, aber auch einige ranghohe Politiker. Macron ist dafür bekannt, dass er gerne am Ende einen Überraschungskandidaten aus dem Hut zieht - wie nun mit Barnier geschehen.

    Der Präsident kann ernennen, wen er will, ist aber darauf angewiesen, dass dieser oder diese das Amt nicht umgehend durch ein Misstrauensvotum verliert. Die Zeit drängt: Bis Anfang Oktober muss die neue Regierung eigentlich ihren Haushaltsentwurf für 2025 vorlegen.

    Quelle: AFP

    Für Macron hat Barnier noch einen weiteren Vorteil. Die EU hat ein Defizitverfahren gegen Frankreich wegen der hohen Schulden eingeleitet. Barniers gute Kontakte zur EU und sein Ruf als solider Verhandler können da hilfreich sein.
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    Widerstand bei der Linken wahrscheinlich

    Barniers Nominierung dürfte gleichwohl vor allem bei der politischen Linken auf Widerstand stoßen. Sie fühlt sich um ihren Sieg bei der Parlamentswahl gebracht. Allerdings hatten die Parteien der Linken nur eine relative Mehrheit erzielt.
    Barnier ist eine solide Wahl im Rahmen des politisch Möglichen. Ein Signal des Aufbruchs ist er nicht.
    Thomas Walde leitet des ZDF-Studio in Paris.

    Eine Person hält ein Smartphone in der Hand. Darauf ist der WhatsApp-Channel der ZDFheute zu sehen.
    Quelle: ZDF

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